Tagung: Der „neue Mensch“ und das politische Imaginäre in Mitteleuropa 1918/1919, 24.02.2017, Wien

IWK, Tagung „Der „neue Mensch“ und das politische Imaginäre in Mitteleuropa 1918/1919: Philosophie, Humanwissenschaften, Literatur“ (Web)
Zeit: 23.-24.02.2017
Ort: Aula am Universitätscampus, 1090 Wien
Vorträge zum Thema „Politiken des Lebens und der Geschlechterverhältnisse“, 24.02.2017

  • 11:30 Uhr: Enikö Darabos: Vorstellungen über Sexualethik und -praxis des „neuen Menschen“. Experimente, Diskurse, Auseinandersetzungen
  • 14:00 Uhr: Katharina Neef: Rudolf Goldscheids Menschenökonomie: Biopolitik und soziale Revolution
  • 15:15 Uhr: Veronika Helfert: „… dass ein Revolutionär in Lagen kommen kann, in der er aus Treue zur Revolution Gewalt anzuwenden hat.“ Sozialistinnen zwischen Pazifismus und Militanz
  • Ganzes Programm (Web)

Die Losung von der „Revolutionierung der Köpfe“, die „jedem dinglichen Umsturz vorangehen“ müsse – ausgegeben von Kurt Hiller in der bereits 1916 veröffentlichten programmatischen Schrift „Philosophie des Ziels“ –, umreißt die Funktionsbestimmung, welche die Philosophie, die Wissenschaften vom Menschen wie Nationalökonomie, Soziologie oder Psychologie, schließlich auch die Literatur im Zusammenhang der politischen und sozialen Entwicklungen nach dem 1. Weltkrieg in Mitteleuropa erhielten. Dem Motiv des „neuen Menschen“ kam dabei eine die einzelnen Diskurse bündelnde Rolle zu. Im Zuge der Revolution entstandene Institutionen wie die Arbeiter- und Soldatenräte, die kontrovers debattierte Überführung der Kriegswirtschaft in eine sozialisierte Wirtschaft, die Veränderung der Geschlechterverhältnisse oder die aus der Fronterfahrung hervorgegangene „Gesinnungsrevolution“ (Max Scheler) der Jugend wurden als Zeichen eines umfassenden sozialen wie auch geistigen Transformationsprozesses und als Ansatzpunkte seiner gesellschaftstechnischen Herbeiführung gedeutet. Der an Politik, Künste und Wissenschaften gerichtete Ruf nach einer umfassenden und tiefgreifenden Erneuerung erwuchs nicht nur aus dem Kollaps der überlieferten Sinnangebote im Krieg und aus den Erfordernissen der Einrichtung des demokratischen Gemeinwesens; in ihm verdichtete sich eine zum Utopismus neigende und geschichtlich folgenreiche Erwartungshaltung.
Die interdisziplinäre Tagung soll den „neuen Menschen“ als zentrales Motiv eines auf die historischen Ereignisse reagierenden, sich in Form von wissenschaftlicher Theoriebildung, gesellschaftstechnischen Entwürfen, literarischen Figurationen, politischen Experimenten u.a. manifestierenden Imaginationsprozesses untersuchen.