Monthly Archives: Dezember 2017

Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 121: Tagebuch von Ella Reichel, 31. Dezember 1917 bis 14. Februar 1918, Neulengbach

Ella Reichel (geb. 1905) war 12 Jahre alt und lebte in Neulengbach im Wienerwald, wo die Eltern Hauptplatz eine Eisenwarenhandlung führten. Die jüngere Schwester Anna war im Juni 1916 gestorben. In den Tagebuchaufzeichnungen der Schülerin finden sich Schilderungen von Erlebnisse mit Freundinnen und von Freizeitaktivitäten unmittelbar vermischt mit Kommentaren zur politischen Lage sowie Berichten aus dem Umfeld in der Stadtgemeinde. Die inzwischen mehrjährige Kriegssituation wird dabei auf verschiedenen Ebenen sichtbar.

31. Dezember 1917.
Sylvester! Eben sind Mutter und ich von Frau O. gekommen, wir waren nämlich zum Neuen Jahre gratulieren und dabei überreichte ich gleich den Tischläufer, da er jetzt erst fertig wurde. Mir kommt das alte Jahr am Ende immer ganz schmutzig vor. Hoffentlich wird das Neue Jahr besseres bringen als das Jetzige. Heute waren Vater und ich beichten. Endlich hat Vater sein Versprechen eingelöst, da er nämlich versprochen hat, als ich heuer die Bauchfellentzündung hatte daß er dieses Jahr noch beichten gehen würde. Ich war sehr froh! Bei uns ist sehr viel Schnee, ich war alle Tage rodeln. Es gab eine große Hetze. Wir rodelten nämlich mit den Russen [vermutlich mit Kriegsgefangenen]. Luisl [eine Freundin] war Freitag wieder unausstehlich. (…) Heute feiern wir beim Großvater Sylvester. Vormittag haben wir schon gebacken. P. bringt einen Slibowitz [Schnaps] und dann wird eine Bowle gebraut. Wir gehen dann bald hinüber.

3. Jänner 1918.
Die Sylvesterfeier war ganz lustig. Wir tranken Tee und Champagneener und aßen Zechmeister-Krapferl [Gebäck] und Obst. Am Neujahrstage machten Vater, Mutter, Luisl und ich eine Schlittenparthie nach „Sieghartskirchen“ [Gemeinde in der Umgebung], es war sehr schön. Um ¾ 1 h fuhren wir fort und um ¼ 7 h kamen wir nach Hause. Gestern räumte ich unsern Christbaum ab. Heute schneit es schon wieder ununterbrochen. Montag fängt schon wieder die Schule an. Furchtbar fad! Leutnant B. [mit dem die Schreiberin seit April 1915 durch die Schule organisiert regelmäßig korrespondiert hat] ist in italienischer Gefangenschaft, man weiß nichts genaueres über ihn, geschrieben hat er noch nicht. P. hat ein kleines Mäderl am 30. November bekommen. (…)

24. Jänner 1918.
(…) Am 15. Jänner kam die freudige Botschaft, daß unsere Straffe auf 300K herabgegangen sei. [Die Familie war im Oktober 1917 von einem Dienstmädchen angezeigt worden, Holz zu einem überhöhten Preis verkauft zu haben.] Denselben Tag- (kam) starb Herr Apotheker, dann Frau E. und die Mutter von Frau N. Heute hat uns Fräulein S. [die Lehrerin] gelobt. Schluß!

14. Februar 1918.
Luisl, M. Gretl, M. Hansl und ich haben ein Kränzchen gegründet. Wir kommen alle Continue reading

Klicktipp: Reportage: 50 Jahre ‚Zweite Frauenbewegung‘. Eine Spurensuche im alten West-Berlin [Radiosendung]

KulturRadio – rbb24, Sendung von Margit Miosga, Sa., 30.12.2017, 17:04 Uhr (Link zur Archivaufnahme der Sendung)

Beschreibung: „Ende der 1960er Jahre formierte sich die zweite Frauenbewegung, überall in der Republik ergriffen die jungen Frauen die Initiative und forderten die volle Gleichberechtigung. Ein wichtiger Schauplatz der Bewegung war das alte West-Berlin. Hier entstand ein erstes Frauenzentrum in der Kreuzberger Hornstraße, das erste Frauenhaus für Opfer häuslicher Gewalt in Berlin-Grunewald und mit der „Courage“ eine der ersten politischen Frauenzeitschriften in Berlin-Charlottenburg. Aber auch Rockbands, Buchläden und Verlage wurden von und für Frauen gegründet.

Rund 50 Jahre ist das jetzt her. Manches konnten die Frauen seither erreichen, viele Anliegen der zweiten Frauenbewegung sind aber nach wie vor aktuell. Margit Miosga hat alte Schauplätze in der Stadt besucht und mit Protagonistinnen von damals gesprochen.“ Weiterhören … (Link)

Klicktipp: Early 1900s Posters Warning Men About The Dangers Of Women’s Rights (Weblog-Eintrag)

sdfsdfdsfvintage_woman_suffragette_poster_4_465_746_intGipsy Ninja (Weblog) by T.B.V. (Link)

„Throughout history, women had to fight for every right they have today. The weblog Gipsy Ninja published early 1900s propaganda posters warning men about the dangers of women’s rights.

The posters are extremely absurd but all the more (or less) funny in modern day times. Such posters would be completely unimaginable these days.“  See more … (Web)

CFP: #Metoo: Oral histories of sexual violence and harassment (2018 OHA Annual Meeting, 10/2018, Montreal); DL: 14.01.2018

2018 OHA Annual Meeting (Web)

Time: October 10-13, 2018,
Venue: Montreal, Canada
Abstracts due January 14th 2018

From #believesurvivors to #me too, narratives around harassment, abuse, and sexual violence have become increasingly prominent in the media over the last few years. This panel draws on feminist oral history practice to explore critical questions relating to oral narratives of harassment and abuse. Oral history, with its ability to capture personal experiences and intimate narratives, is well-suited to document experiences of sexual violence, harassment, and abuse. The sharing of traumatic memories can also raise a range of ethical issues for narrators and interviewers. This panel explores how interviews exploring experiences of harassment and abuse, particularly within institutions and organizations, can shed new light on contemporary efforts to achieve justice for survivors.

Potential paper topics include:

  • Sexual violence within past or present social justice movements
  • Sexual abuse or harassment in the workplace
  • Intersections between sexual violence and other forms of oppression (such as racism, classism, transphobia, ableism, and homophobia)
  • Legal and ethical issues relating to interviews about specific acts of abuse or harassment.

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CFP: Histories of Disadvantage. Meanings, Mechanisms, and Politics (Event: Phoenix, 11/2018); DL: 16.02.2018

44th Annual Meeting of the Social Science History Association (SSHA) (Web)

  • Conference of the Women, Gender, and Sexuality Network: „Histories of Disadvantage. Meanings, Mechanisms, and Politics“

Venue: Phoenix, Arizona, USA
Time: November 8-11, 2018
Abstracts due February 16, 2018

  • Pre-Conference: „Border Crossings: Gender, Sexuality, and Rights“

Venue: University of Arizona in Tucson, Arizona, USA
Time: November 8-11, 2018
Abstracts due February 16, 2018

„Dear current and future Women, Gender and Sexuality network members and affiliates, it was a pleasure to see so many of you in Montreal this year. Next year’s conference will take place from November 8 to 11, 2018, in Phoenix, AZ. The theme is ‚Histories of Disadvantage: Meanings, Mechanisms, and Politics.‘ Please find attached our network’s informal Call for Papers for next year’s meeting. At our WGS network meeting in Montreal many of you have suggested possible themes for panels that would complement the overall theme of the conference. Great! Please note that our thematic focus does not foreclose submissions on other themes on women, gender and sexuality. In fact, we hope to organize several Continue reading

CfP: IN/EQUALITIES: Narrative & Critique, Resistance & Solidarity (Event: 05/2018, Budapest): DL: 05.01.2018

Graduate Conference in Gender Studies (PDF)

Venue: Central European University, Budapest
Time: May 3-5, 2018
Abstracts due January 5, 2018

„Inequality“ and „equality“ have become central concepts in a wide range of domains engaged with struggles against injustice, from the structures of social movements, political and policy discourses, to activist practices, artistic productions, and academic inquiry, particularly in Gender Studies. With this conference we aim to examine the cultural and political infrastructures and productions that underpin, enable, deploy, or contest ‚official‘ discourses of equality in policy or legislative frameworks. In a context in which discourses of equality are often embedded in and supportive of projects of nationalism and quite sympathetic to neoliberal infrastructures of value, precarization and normalization, it is critical to investigate possibilities of addressing persisting injustices, and the varied forms such an address might take.

Developed from a multidisciplinary field concerned with injustices around gender, race, class, sexualities, economic disparities, and bodily vulnerability, this graduate student conference in Gender Studies aims to create an open space to advance this engagement by reflecting on our methods, perspectives, vocabularies, and practices. Read more … (PDF)

Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 120: Tagebuch von Bernhardine Alma, 25. Dezember 1917, Wien

NL 09 Alma Bernhardine 1917 12 25Bernhardine Alma (geb. 1895) lebte in einer gutbürgerlichen Wiener Familie. Gemeinsam mit ihrer Mutter und Dienstmädchen führte sie den Haushalt, der Vater war in leitender Position in der Donausdampfschiffgesellschaft tätig, Schwester Sigrid Alma (geb. 1891) als Fotografin, Bruder Marius  (geb. 1902) war Schüler. Schwester Cora von S. (geb. 1890) lebte nach ihrer Heirat in der Nähe. In ihrem seit 1908 regelmäßig geführten Tagebuch dokumentierte die 22-Jährige detailliert ihre Erfahrungen, Lebensumstände und Beobachtungen der Umgebung. Am Christtag 1917 beschrieb sie die erledigten Korrespondenzen, die absolvierten Besuche und Kirchgänge sowie die transferierte Geschenke. Das Festessen kommentierte sie als „gar nicht kriegsmäßig“. Neben einem Wiedersehen mit einem bestimmten jungen Mann wünschte sie sich schließlich „endlich Friede den Menschen auf Erden“.

Christtag 1917. 25./XII. 1917 abend Dienstag
Wir haben ein echtes Weihnachtswetter, so ruhige, weiße Wintertage mit solch lieben, schönen Schnee – – Ich danke Gott von Herzen – und bitte Ihn um Frieden – Frieden! Nun kurz nachholen! – Sonntag hl. Communion. Nachmittags Theater. Statt der „Schönen Helena“ war wieder die „Fledermaus“, weshalb die Marie [vermutlich das Dienstmädchen] statt der Sigrid ging. Die Operette (besonders die Musik) ist reizend, nur die Aufführung war nicht gerade auf der Höhe. Vorher war ich im St. Elisabethspital [wo sie regelmäßig verwundete Soldaten besuchte] und brachte der Schwester Karoline und der Haveria 1 Flasche Wein. Die Schwestern waren sehr nett und von der Haveria bekam ich ein herziges Heiligenbild. Diese Genügsamkeit, diese Reinheit und Kindlichkeit der Klosterfrauen ist beneidenswert. Ich hatte Weihnachts- oder Neujahrskarten der Sigrid, Sektionschef, dem H., S., Baronin T., der H. und der Elsa als Antwort auf ihren letzten Brief geschrieben und dann die an das Jarerl damals. [Bernhardine Alma hatte Jaro G. im Krankenhaus kennen gelernt. Er war im Sommer 1917 einige Male in der Familienwohnung auf Besuch gekommen (Link), inzwischen aber wieder zum Frontdienst eingerückt.] – Gestern bekam ich einen Brief vom Fritz [?], er hat Typhus und Malaria und ist im Spital, dann den Dank der Fürstin auf mein Beileid (ihr Neffe ist gestorben), dann eine Weihnachts=Neujahrkarte von der Erna v. T. (leider muß ich antworten) – Sonntag eine Weihnachtskarte von der W. (hab keine Adresse zu antworten). Heute eine von der S. (muß antworten). [Bei den drei genannten Frauen handelt es sich vermutlich um Kolleginnen bzw. Vorgesetzte im Rot-Kreuz-Dienst.]

Gestern also war Weihnachten und nicht sehr weihnachtlich, obwohl es herzig war und wir – auch heute – gar nicht kriegsmäßig gegessen haben. Mich freute es, daß dem Pa [Vater] mein Bröselteig gar so gut geschmeckt hat, besser als der gekaufte Continue reading

Vortrag: Elisa Heinrich: Weibliche Homosexualität (Deutschland, 1870-1914). Reisen eines Konzepts durch Sexualwissenschaft, Strafrecht und Frauenbewegungen. Werkstattbericht, 11.01.2018, Wien

Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien: Vortragsreihe INTERAKTIONEN

Zeit: Do., 11.01.2018, 12:00 Uhr
Ort: Institut für Zeitgeschichte, Universitätscampus, Spitalgasse 2-4/Hof 1, 1090 Wien
Die Sexualwissenschaft erfand in der zweiten Hälfte des 19. Jhds. mit der ‚weiblichen Homosexuel­len’ eine neue sexualpathologische Kategorie. Gegenstand gesellschaftlicher Auseinandersetzung wurde diese Kategorie in Deutschland aber erst zu dem Zeitpunkt, als eine Überarbeitung des Reichsstrafgesetzbuches von 1909 vorsah, den § 175, der ‚Unzucht‘ zwischen Männern unter Strafe stellte, auf Frauen auszudehnen. Die vielfältigen Interventionen unterschiedlicher politischer Akteur_innen in diesen Prozess machen deutlich, dass in verschiedenen Öffentlichkeiten massiv um das Konzept weiblicher Homosexualität gerungen wurde.
Der Vortrag stellt Bezugspunkte und Interaktionen zwischen der sich etablierenden Sexualwissenschaft, dem Rechtsdiskurs und Frauenbewegungen ins Zentrum und analysiert die Diskursivierung und Etablierung ‚weiblicher Homosexualität‘ in diesem Spannungsfeld. Entlang ausgewählter Quellen – aus den Beständen des Bundes deutscher Frauenvereine (BDF) und des deutschen Zweigs der Internationalen Abolitionistischen Föderation (IAF) – wird gefragt, welche Deutungen das Konzept während seiner Reise durch verschiedene Diskursfelder, insbesondere in der Phase der Strafrechtsreform, erfuhr. Exemplarisch wird auf den Brief­wechsel zwischen Marie Hornschuck (1886-?), Buchhändlerin in Nürnberg, und der Frauenbewegungs­aktivistin Käthe Schirmacher (1865-1930) zwischen 1911 und 1912 eingegangen, in dem sowohl intime Beziehungen zwischen Frauen als auch deren drohende Verfolgung verhandelt werden.
Elisa Heinrich hat Geschichte in Wien und Salzburg studiert. Anschließend Continue reading

Conference: Peace Movements and Democratic Culture in Southern Europe during the 1970s and 1980s, 14.-16.02.2018, Rome

Deutsches Historisches Institut in Rom and University of Sheffield
Time: 14.-16.02.2018
Venue: Deutsches Historisches Institut in Rom
The mobilisation against the deployment of US Pershing and Cruise Missile atomic warheads in the wake of the NATO Dual Track Solution in 1979 was a watershed moment in the recent political history of Western Europe. The anti-nuclear protests of the 1980s activated civil society, renegotiated the parameters of political participation and redefined the understanding of international and domestic security. The contours and implications of the 1980s anti-nuclear protests are well researched for key western European countries. Developments in southern Europe, however, have not yet been substantially studied. The aim of this conference is to analyse anti-nuclear and anti-militarist peace protests in southern European countries during the late 1970s and 1980s. The focus will be on Greece, Spain and Italy, three countries that were involved in the 1980s mobilisation cycle in different ways. Italy had been selected for the deployment of Pershing missiles and was thus a key battleground of conflicts over the Dual Track Decision. But the country had also seen a wave of left and right-wing terrorism during the 1970s and a concomitant crisis of parliamentary democracy. Spain and Greece … read more and source (Web).

Vortrag: Lisbeth Matzer: Kampf um die Jugend im ‚Grenzland‘, 08.02.2018, Wien

JF Kulturwissenschaften der ÖAW, Organisation: Peter Stachel (Web)
Zeit: Do., 08.02.2018, 16.30 Uhr
Ort: Museumszimmer ÖAW, Dr. Ignaz-Seipel-Platz 2, 1010 Wien
Im Zuge des Balkanfeldzuges der Deutschen Wehrmacht 1941 und der damit einhergehenden Errichtung der Zivilverwaltungen in Oberkrain und der Untersteiermark erweiterten sich nicht nur die Zuständigkeiten der steirischen und kärntner Gauleitungen, sondern auch jene der regionalen HJ-Organisationen. Von Klagenfurt und Graz ausgehend, entwickelte sich dabei die nationalsozialistische Jugendorganisierung in diesen beiden besetzten Gebieten jeweils unterschiedlich.
Das Dissertationsprojekt untersucht den Aufbau und die Praktiken der NS-Jugendorganisationen ausgehend von der ‚Ostmark‘ in den genannten grenzüberschreitenden Gebieten (1938–1945). Dabei werden Fragen nach (un/genutzten) Handlungsspielräumen und individuellen Interessen einzelner Akteure und Akteurinnen sowie nach dem lokalen Aufbau und nach verschiedenen Funktionsweisen der NS-Jugendorganisierung behandelt. Welche Bedeutung kam lokalen NS-Jugendgruppen unter Berücksichtigung der spezifisch-historischen Konstellationen des österreichisch-slowenischen ‚Grenzlandes‘ in Hinblick auf die Herstellung von Zugehörigkeit(en) oder auch der (symbolischen) Inbesitznahme von Raum zu? Welche Faktoren beeinflussten, hinderten oder förderten die nationalsozialistische Jugendarbeit im grenzüberschreitenden Raum? Von Continue reading