Monthly Archives: August 2007

Edith Saurer: Ist eine europäische Frauengeschichte möglich? (Kommentar)

Ist eine europäische Frauengeschichte möglich? Kommentar
Edith Saurer

Franziska de Haans Befund über Hierarchien in der europäischen Frauen- und Geschlechtergeschichtsschreibung (Web), der sich auf die Geschichtsschreibung generell erweitern ließe, kann ich nur zustimmen. Gewiss, „those in the center or core, have the power to define the world“. Allerdings sollte auch bemerkt werden, dass die Geschichtsschreibung und das gilt auch für die Frauen- und Geschlechtergeschichte in diesen Ländern oft einen nicht nur quantitativen Vorsprung hat. Die englische Frauen- und Geschlechtergeschichte etwa zeigt in ihren Forschungen eine bemerkenswerte Breite an Themen und innovative Ansätze; damit entstehen Forschungstatsachen, die von den ForscherInnen rezipiert werden und rezipiert werden müssen.
Das rechtfertigt nicht das Ignorieren der Leistungen von ForscherInnen aus kleineren Staaten. Deren Situation ist trotzdem nicht so chancenlos; wobei ich jetzt weniger daran denke, ob ihre Forschungen vom „Zentrum“ wahrgenommen werden oder nicht. Sondern vor allem daran, was sie selbst als „an den Rändern“ stehend an Forschungsperspektiven einbringen können. Das gilt für West und Ost, denn wie Franziska zu Recht schreibt, „the homogeneity suggested by the concepts „East“ and „West“ is misleading.“ An den „Rändern“ zu stehen ist eine Chance, die sofern Engagement vorhanden ist, für die Forschung äußerst fruchtbar sein kann. Die Frauen-und Geschlechtergeschichte selbst hat dieser Positionierung von Frauen(geschichte) auch ihr Entstehen zu verdanken.

Damit kann ich sogleich an Luisa Passerinis Text (Web) anschließen: Dringliche Probleme sollen aufgegriffen werden, so die Geschichte interkultureller Beziehungen, schreibt Luisa. Deren Bedeutung möchte ich unterstreichen: Sie sind ein Thema der europäischen Geschichte und insbesondere auch der Frauen- und Geschlechtergeschichte, das über die Grenzen Europas hinausreicht- über die Migrationen verschiedenster Art- wie es sich auch an Grenzen stößt. Insofern ein Thema, das sowohl national als transnational ist und die Grenzen Europas ausfranst.
Luisa Passerinis angedeutete Kritik an vergleichenden Methoden lässt mich an Werner Schiffauers Artikel „Die Angst vor der Differenz. Zu neuen Strömungen in der Kulturanthropologie“ (Zeitschrift für Volkskunde, 92 [1996], 20-31) denken. Auch interkulturelle Beziehungen werden von nationalen Regelungen der Staatsbürgerschaft beeinflusst, wie generell die Geschichte auch von Beziehungen. Dies für Europa herauszuarbeiten bedeutet vergleichende Methoden anzuwenden.

Zitation: Edith Saurer: Ist eine europäische Frauengeschichte möglich? Kommentar, auf: Salon 21 (31.08.2007), https://salon21.univie.ac.at/?p=391

Michael Mitterauer: Ist eine europäische Frauengeschichte möglich? (Kommentar)

Ist eine europäische Frauengeschichte möglich? Kommentar
Michael Mitterauer

Nicht der Raum, das Problem ist der Ausgangspunkt

„E possibile una storia europea delle donne?“ lautet die Frage, von der die hier geführte Diskussion ihren Ausgang genommen hat. Ich möchte mich ihrer Beantwortung vor allem aus der Perspektive der Geschlechtergeschichte bzw. der Familiengeschichte annähern. Mit beiden habe ich Erfahrung. Parallelen zur Frauengeschichte scheinen mir durchaus gegeben. Mein Versuch einer Antwort bedeutet eine Modifikation der Fragestellung. Sicher ist eine europäische Frauengeschichte, Geschlechtergeschichte, Familiengeschichte möglich. Aber ist es sinnvoll, Frauengeschichte, Geschlechtergeschichte, Familiengeschichte auf den räumlichen Rahmen Europa bezogen zu betreiben?

Drei Bespiele aus eigener Arbeitserfahrung. Ich habe mich viel mit der Bedeutung patrilinearer Verwandtschaftssysteme für die Stellung von Frauen und Männern in historischen Gesellschaften und deren Fortwirken bis in die Gegenwart beschäftigt. Solche Studien erfordern den Vergleich. Sicher kann man Kontrastbeispiele zu den im Kulturraum Europa seit alters vorherrschenden bilateralen Strukturen auch im Rahmen des Kontinents Europa finden – etwa im westlichen Balkanraum, vor allem im nördlichen Albanien oder in Montenegro. Geht man aber über den Kontinent Europa hinaus, so eröffnet sich ein viel weiteres Feld an Vergleichsmöglichkeiten. Das Bild patrilinearer Kulturmuster wird differenzierter. In den Ahnenkultgesellschaften Ostasiens etwa hat Patrilinearität eine ganz andere Funktion als in Stammesgesellschaften des Vorderen Orients. Beide hier exemplarisch genannten Typen helfen, aus dem Kontrast verschiedene europäische Entwicklungen des Verwandtschaftssystems besser zu verstehen. Natürlich gilt das auch vice versa. Wenn wir das Phänomen der bint amm-Ehe – der verpflichtenden Heirat mit der Vatersbruderstochter – unter Zuwanderern in europäischen Großstädten der Gegenwart begreifen wollen, so hilft uns die europäische Frauen-, Geschlechter- und Familiengeschichte gar nichts. Das heutige Problem – und die Beeinträchtigung der freien Partnerwahl bedeutet wohl ein solches – führt – historisch-genetisch betrachtet – weit über Europa hinaus.

Ein zweiter Themenkreis, der mich viel beschäftigt hat, betrifft die Geschichte der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung. In Hinblick auf realisierte und postulierte Formen der Neuverteilung von Arbeit zwischen Frauen und Männern hat dieser Problemkreis sicher Aktualität. Eine Historische Anthropologie der Arbeitsteilung muss mit der Ethnologie kooperieren. Die Ethnologia Europaea bietet wohl viel an aufschlussreichem Vergleichsmaterial. Erklärungsmodelle für historisch gewachsene Formen der Arbeitsteilung gewinnen aber sicher an Validität, wenn Continue reading

Dissertationsprojekt von Michaela Königshofer: Marianne Hainisch public and private

In my dissertation I will analyse the work of Marianne Hainisch in the first Austrian women’s movement from a personal perspective (based on her diaries) and from a public perspective (based on publications of Marianne Hainisch and newspapers and magazines published by women organisations of her time).
Marianne Hainisch was born on the 25th of March 1839. Continue reading

Dissertationsprojekt von Michaela Königshofer: Marianne Hainisch öffentlich und privat

Im Zentrum meiner Dissertation steht Marianne Hainisch, deren Wirken in der ersten österreichischen Frauenbewegung aus einem privaten (basierend auf ihren Tagebuchaufzeichnungen) und einem öffentlichen Blickwinkel (basierend auf Publikationen von Marianne Hainisch und Zeitschriften und Periodika der Frauenbewegung ihrer Zeit) aufgearbeitet und analysiert werden soll.
Marianne Hainisch wurde am 25. März 1839, als erstes Kind von Josef und Maria Perger geboren. Continue reading

Conference: Collecting Women’s Lives, 7.-9.9.07, Hampshire

16th Annual Conference of the Women’s History Network „Collecting Women’s Lives“
7th- 9th September 2007, West Downs Conference Centre, University of Winchester
‘Collecting Women’s Lives’ can be interpreted in a number of ways. It enables us to focus on telling the stories of women and woman in the past and engage with the challenge of using an eclectic mix of documentary sources, visual and material artefacts, and the ‘voices’ of the women themselves. We will explore the construction of the archive, and those methodologies that have illuminated the experience of women in the past. Continue reading

CfP: Interrogating Postcolonial Sexuality, 30.9.07, UK

Racism in the Closet: Interrogating Postcolonial Sexuality. Special issue of darkmatter journal
deadline: 30.9.07
This issue of darkmatter sets out to explore the complex and controversial relationship between discourses of race and sexuality. In particular, it focuses on the ways in which racialized difference has been configured as an obstacle to sexual freedom. Continue reading

Conference: Borders and Boundaries, 14.-16.11.07, Bergen

The theme for the 14th Nordic Migration Researcher Conference points to issues of sovereignty, demarcation, distinction, exclusion and discrimination, but also to issues of transience, communication across distinction, and acceptance. Aspects of ‚the global turn‘ and the Europeanization of Europe, not least as manifest in migration and migrant populations, have brought border and boundary issues to the forefront not only in social science and humanities scholarship, but also placed them with exceptional prominence on the political agenda. Continue reading

Tagung: Das „Projekt Europa“, 27.-29.9.07, Gießen und Marburg

Europäisierung von unten. Das „Projekt Europa“ in seiner Geschichte, Wahrnehmung und Wirkung im östlichen Europa, Gießen und Marburg am 27. – 29. September 2007
Anliegen der Tagung soll sein, für die Länder des östlichen Europa zu fragen, wie die Prozesse der ‚Europäisierung‘ in Geschichte und Gegenwart für die betroffenen Gesellschaften verlaufen sind bzw. noch verlaufen. Handelt es sich in der Vergangenheit um einen vom westeuropäischen Zentrum ausgehenden Prozess der graduellen Modernisierung, so wird beim heutigen Projekt der Europäischen Union ‚Europäisierung‘ als der Prozess der Angleichung an die Normen und Standards der EU verstanden. Continue reading

Ausstellung: STREIK! Neuauflagen alter Kampfansagen, 1.-7.9.07, Wien

Neuaufgelegt, wiederbelebt, neuinterpretiert und für unsere Zwecke nützlich gemacht. Streik wird aus dem gewerkschaftlich organisierten ArbeiterInnenkampf herausgelöst, denn es wird für viel mehr in die Schlacht gezogen. Wo heute Protest zu schwach, zu lächerlich, zu unnötig wirken mag, müssen neue Wege gefunden werden, um sich gegen gesellschaftliche Missstände und eingefahrene Strukturen aufzulehnen. Gerade weil die Unmöglichkeit des Widerstandes immer höher gehalten wird. Continue reading