Aus dem Nachlass von Louise und Adolf Müller sind 138 Schreiben erhalten, die der Finanzbeamte (geb. 1881) zwischen 1915 und 1918 an seine Ehefrau und die kleinen Söhne adressiert hat. Im Spätsommer 1918 war er bei Sbarasch in der Ukraine in der Kriegsverwaltung eingesetzt. Louise Müller (geb. 1886) war in Nasice in Slavonien (Kroatien) auf Sommerfrische. Auf den regelmäßig verfassten Postkarten hielt Adolf Müller die Versorgung der Kompagnie sowie auch die der Familie in Wien bzw. in den Ferien fest. Er besprach das Vorhaben, eine Gehaltserhöhung bzw. Unterhaltszahlungen zu erreichen, wozu seine Ehefrau die Amtsgänge in Wien erledigte. Wiederholt wurde auch das Funktionieren der Post angesprochen und der 37-Jährige problematisierte die gesellschaftlichen Konventionen des Korrespondierens mit Verwandten und Bekannten.
27./VIII.18
Liebe Louise!
Die Sorgen, die du dir bei Schnitzel und Gurkensalat wegen meiner Ernährung machst, sind ja begreiflich, jedoch kann ich dir zu deiner Beruhigung mitteilen, daß sie unbegründet sind. Allerdings, Schnitzel gibt’s bei uns keine, aber das Stück Rindfleisch, das wir zu Mittag bekommen, schmeckt auch ganz gut und die Menage ist im allgemeinen soweit ausreichend, daß ich mit einer kleinen Zubuße aus eigenem [Sold] meinen Hunger vorderhand – stille. Als besagte Zubuße kaufe ich mir gewöhnlich nach dem Essen ½ [?] Obst (Birnen, Zwetschken) die 1 K–1 K 50 kosten, und abds. vor dem Schlafengehen, gehe ich noch ins Kaffeehaus auf 1 Glas süße oder saure Milch. Unlängst trank ich ein Glas gezuckerte (!!) saure Milch, das war ein Göttergetränk, versuchs einmal. Kostete allerdings – etwas weniger als ¼ l – 1 K!! Aber’s war delikat! Hast du dich schon wegen des Unterhalt-Beitrages erkundigt, es soll jemand im Hause nachgefragt haben! Gruß, Kuß Adolf
28./VIII
Liebe Louise.
Ich muss dich nur fragen, ob Familie G. meine Karte, die ich ihnen gleich nach meiner Ankunft hier schrieb, erhalten hat, ich habe bis heute keine Antwort und ich schliesse daraus, dass besagte Karte vielleicht gar nicht angekommen ist. Also erkundige dich und teile mir das Ergebnis mit, denn ich möchte nicht gerne in den Augen der Emma jun. oder sen. als Flegel dastehen, der nicht weiss, was sich gehört. Bei uns vergeht fast kein Tag, wo es nicht mindestens 1 mal regnet, und die Abende sind schon geradezu kühl. Wie geht es dir und den Buam [Buben], rechnet Otto [der ältere Sohn], wenn schon nicht täglich aber wenigst[ens] hie und da einmal, schaden würde es ihm nicht. Hast du dich schon erkundigt, wegen des U. B. Schreiben [betreffend einer Gehaltserhöhung bzw. Unterhaltszahlungen] an die Kontr. H. oder F., vielleicht teilen die dir mit, was los ist. Gruss und Kuss, Adolf
28./VIII
Liebe Louise.
Ich bekomme schon wieder 3 Tage keine Post von dir, findest du gar keine Zeit mehr, deinem armen Manne zu schreiben? Ich habe gestern auch an H. Konr. E. geschrieben und ihn um Auskunft gebeten, was es für eine Bewandtnis mit unserem Unterhaltsbeitrag hat, da angeblich jemand im Hause war, ein pane [?] Amtsdiener und sich nach dir erkundigt hat. Ich hoffe, er hat nicht unerlaubte Absichten gehabt, sondern blos den Auftrag, dir das Dekret, enthaltend Gewährung oder Abweisung (hoffentlich das erstere) zuzustellen. Heute ist im Sokolsaale Liedertafel des ukrainischen Gesangvereines, ich werde vielleicht ein wenig hin schauen. Mein gegenwärtiger Saldo Vortrag beträgt 3 K 50, also kannst dir vorstellen, dass ich heut der Welt einen Haxen ausreissen werde. Also Continue reading →