Category Archives: Discussion_Is a European Women’s History possible?

Klicktipp: Europäische Geschichte – Geschlechtergeschichte (Essays und ausgewählte Quellen)

Veröffentlichungen im Themenportal Europäische Geschichte | Schwerpunkt Europäische Geschichte und Geschlechtergeschichte (Web)

Essays und ausgewählte Quellen (veröffentlicht insb. seit 2009)

Einleitung. Europäische Geschlechtergeschichten, von Maria Bühner und Maren Möhring (Web)

Die Geschlechtergeschichte Osteuropas als doppelte Herausforderung für die „allgemeine“ Geschichte, von Claudia Kraft (Web)

Männlichkeit als Groteske. Koloniale (Un-)Ordnung auf Bildpostkarten um 1900, von Felix Axster (Web)
Quelle: Koloniale Bildpostkarten um 1900.

Sexualimages US-amerikanischer, französischer und schwedischer Frauen in österreichischen und westdeutschen Medien der 1950er- und 1960er-Jahre, von Franz X. Eder (Web)
Quelle: Die Wahrheit über die Pin-up-Girls (Cocktail, 1951)

Das verlorene Geschlecht. Zur Kastration von Sexualstraftätern seit 1945, von Annelie Ramsbrock (PDF)
Quelle: Auszug des Gesetzentwurfs über die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden (8. Januar 1969)

Natur und Geschlecht in Text und Bild bei Georg Forster und William Hodges auf der zweiten Cook-Expedition 1772-1775, von Anne Mariss (Web)
Quelle: Georg Forster, Reise um die Welt (1778); [Auszüge] und William Hodges, Tahiti Revisited, Gemälde (1776)

Euro(pa)visionen. Der Westen von Osten aus gesehen, von Miranda Jakisa und Andreas Pflitsch (Web)
Quelle: Ivana Sajko, Europa. Monolog für Mutter Europa und ihre Kinder, in: Archetyp: Medea, Bombenfrau, Europa (2004/2008); [Übersetzung; Auszüge]

„Oxident gegen Orient“ Europabilder in der Berliner Morgenpost während des Boxerkriegs, von Christian Methfessel (Web)

Transnationale Diskurse um die Forderung des Frauenwahlrechts Mitte des 19. Jhds., von Corinna Oesch (Web)
Quelle: „Gleichstellung aller Rechte der Männer mit den Frauen; oder: Die Frauen als Wähler, Deputirte und Volksvertreter“ (Flugschrift, Wien 1848)

Sind die Frauen die Verliererinnen der Corona-Krise? Überlegungen aus der Frauen- und Geschlechtergeschichte, von Martina Steer (Web)

Klicktipp: Maria Bühner und Maren Möhring: Einleitung. Europäische Geschlechtergeschichten (Essay)

Veröffentlicht im Themenportal Europäische Geschichte | Schwerpunkt Europäische Geschichte und Geschlechtergeschichte (2019) (Web)

Einleitung. Europäische Geschlechtergeschichten
Maria Bühner und Maren Möhring

„Der Band „Europäische Geschlechtergeschichten“ (Web) arbeitet mit gender als Analysekategorie, um europäische Geschichte und Geschichtsschreibung (kritisch) zu befragen. Er konzentriert sich dabei auf die Geschichte der europäischen Neuzeit mit einem besonderen Schwerpunkt auf dem 20. Jahrhundert. Anhand der vier Themenfelder „Feminismus“, „Frauenarbeit“, „Männlichkeiten“ sowie „Körper und Sexualitäten“ sollen zum einen zentrale theoretische und methodische Weichenstellungen der Frauen- und Geschlechtergeschichte nachvollzogen und zum anderen die große Bandbreite an Themen und Perspektiven verdeutlicht werden, welche die Geschlechtergeschichte bietet. Ein besonderer Fokus der Beiträge liegt auf der quellenkritischen Analyse des Untersuchungsmaterials, dessen Spektrum von der „Erklärung der Rechte der Frau“ von Olympe de Gouge aus dem Jahre 1791 bis zum Rap-Song „Ahmet Gündüz“ von Fresh Familee aus dem Jahre 1990/91 reicht.
Die Autor_innen[2] des Bandes haben unterschiedliche Analyseperspektiven gewählt: In einigen Beiträgen werden Frauen als Akteurinnen sichtbar und ihre Lebenssituation und Handlungen stark gemacht, in anderen werden Geschlecht, Sexualität und Körper dekonstruiert und/oder in Bezug gesetzt zu anderen Kategorien wie race und dis/ability. In manchen Beiträgen geschieht beides gleichzeitig. Dieser Band versteht sich damit auch als ein Plädoyer für Methoden- und Perspektivenvielfalt, um die Entwicklung der europäischen Geschlechterordnung(en) der Neuzeit in ihrer Mannigfaltigkeit und auch Widersprüchlichkeit zu beleuchten. Der Titel „Europäische Geschlechtergeschichten“ verweist mithin auf die Spannung zwischen europäischen Gemeinsamkeiten bei den Geschlechterarrangements einerseits und den oft gravierenden lokalen, nationalen und regionalen Differenzen innerhalb Europas andererseits. Mit Karin Hausen plädieren wir für eine produktive „Nicht-Einheit von Geschichte“[3] und damit für den Plural: europäische Geschlechtergeschichten.
Nach einem Überblick über die Entstehung und die methodisch-theoretischen Entwicklungen auf dem Gebiet der Frauen- und Geschlechtergeschichte stellt diese Einleitung zentrale Aspekte europäischer Geschlechterordnungen der Neuzeit und die konstitutive Funktion heraus, die Geschlecht und Sexualität für eine Geschichte der europäischen Moderne zukommt. Im Anschluss werden Struktur und Inhalte des Bandes erläutert und die einzelnen Beiträge knapp zusammengefasst, bevor Hinweise zu dem bearbeiteten Quellenmaterial und einigen für die Frauen- und Geschlechtergeschichte hilfreichen Archiven die Einführung abschließen.

Von der Frauen- zur Geschlechtergeschichte? Weiterlesen … (Web)

Zitation: Maria Bühner und Maren Möhring, Einleitung. Europäische Geschlechtergeschichten, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2019, <www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-1727>.

Klicktipp: Kirsten Heinsohn und Claudia Kemper: Geschlechtergeschichte (Essay)

Veröffentlicht im Themenportal Docupedia-Zeitgeschichte (Web)

Geschlechtergeschichte
Kirsten Heinsohn und Claudia Kemper

„Geschlecht, so die These des Beitrags von Kirsten Heinsohn und Claudia Kemper im Anschluss an die Forschung, ist keine geschlossene oder gar ausdiskutierte Kategorie. Vielmehr ist das, was unter Geschlecht verstanden wird, ein fortlaufender Aushandlungsprozess, der insbesondere im Hinblick auf seine strukturgebenden und situativen Bedeutungen zu historisieren ist. Die Autorinnen skizzieren das Forschungsfeld „Geschlechtergeschichte“, stellen zentrale theoretische Überlegungen vor und entwickeln schließlich Perspektiven für eine geschlechterhistorisch erweiterte Zeitgeschichte.

Das Geschlecht gilt als ein grundlegendes „natürliches” Identitätsmerkmal jedes Menschen.[1] Von Geburt an – manchmal auch schon davor – werden wir einer von zwei Kategorien zugeordnet: männlich oder weiblich.[2] Diese primäre Zuordnung konstituiert dann laufend und meist unhinterfragt eine zentrale Achse gesellschaftlicher Ordnung, die sich historisch aber durchaus variabel präsentieren kann. Die im 19. Jahrhundert gefestigte europäisch-bürgerliche Ordnung der Geschlechter wird seit den 1960er-Jahren im Zuge einer kritischen Überprüfung von Ordnungskategorien moderner Gesellschaften zur Diskussion gestellt. Etwa seit den 1980er-Jahren wenden einige Historiker/innen die Fragestellungen und Erkenntnisse dieser Debatte auch auf historische Themen an.
Gemessen an der Anzahl von Einführungs- oder Überblickstexten scheint die Geschlechtergeschichte inzwischen eine etablierte Perspektive der Geschichtswissenschaft zu sein.[3] Insbesondere in den USA entwickelte sich seit den 1960er- und 1970er-Jahren zunächst die Frauen-, seit den 1980er-Jahren dann die Geschlechtergeschichte zu einem historischen Forschungsfeld, das eine grundlegende Perspektive jeder kritischen Gesellschaftsanalyse darstellt.[4] Dort, wie auch wenig später in Europa, konstituierte sich die Frauen- und Geschlechtergeschichte in enger Wechselwirkung mit gesellschaftlichen Aufbrüchen und Wandlungsprozessen, vor allem im Kontext einer neuen Welle der Frauenbewegung, der feministischen Diskussion und der sozialen Öffnung der Universitäten. Jedoch institutionalisierte sich die Bewegung in den USA weitaus besser als in Europa. Schon in den 1980er-Jahren setzte sich die Frauengeschichte an den historischen Fakultäten durch[5] und konnte sich als anerkanntes Spezialgebiet in der US-amerikanischen Geschichtswissenschaft etablieren.
In der europäischen, insbesondere in der bundesdeutschen Forschungslandschaft sieht dies etwas anders aus.“ Weiterlesen … (Web)

Zitation: Kirsten Heinsohn, Claudia Kemper, Geschlechtergeschichte, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte (04.12.2012),
http://docupedia.de/zg/heinsohn_kemper_geschlechtergeschichte_v1_de_2012, DOI: http://dx.doi.org/10.14765/zzf.dok.2.254.v1

Klicktipp: Europäische Geschichte – Geschlechtergeschichte (Essays)

Veröffentlichungen im Themenportal Europäische Geschichte | Schwerpunkt Europäische Geschichte und Geschlechtergeschichte, 2009 hg. von Iris Schröder unter Mitarbeit von Priska Jones und Monika Mommertz (Web)

Editorial

Iris Schröder: Europäische Geschichte – Geschlechtergeschichte. Einführende Überlegungen zu einer möglichen Wahlverwandtschaft (Web)

Priska Jones: Europa – eine weibliche Karikatur? Überlegungen zu den Bildern der Europafigur in Karikaturen des 20. Jahrhunderts (Web)

I. Programmatische Essays zur europäischen Geschlechterforschung

Ute Frevert und Margit Pernau: Europa ist eine Frau: Jung und aus Kleinasien (Web)

Mary Jo Maynes: Girlhood in Modern European History: (Proto-)Industrialisation, Consumption, Marriage, and Selfhood, ca. 1750–1900 (Web)

Marynel Ryan Van Zee: Women’s Way to the Professions – a European Perspective (Web)

Ann Taylor Allen: „The Future is Ours:“ Feminists Imagine Europe in 1911 (Web)

Ida Blom: Nationalism and Feminism in Europe (Web)

Dietlind Hüchtker: Rückständigkeit als Strategie oder Galizien als Zentrum europäischer Frauenpolitik (Web)

Sylvia Schraut und Sylvia Paletschek: Erinnerung und Geschlecht – Auf der Suche nach einer transnationalen Erinnerungskultur in Europa (Web)

II. Essays und ausgewählte Quellen

Weiterlesen … (Web)

Klicktipp: Europäische Geschichte – Geschlechtergeschichte (Essays und ausgewählte Quellen)

Veröffentlichungen im Themenportal Europäische Geschichte | Schwerpunkt Europäische Geschichte und Geschlechtergeschichte, 2009 hg. von Iris Schröder unter Mitarbeit von Priska Jones und Monika Mommertz (Web)

Essays und ausgewählte Quellen

Gisela Bock: Frauenrechte als Menschenrechte: Olympe de Gouges’ „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“ (Web)
Quelle: Olympe de Gouges: Die Rechte der Frau
Quelle: Olympe de Gouges: Déclaration des droits de la femme

Mineke Bosch: „The Woman Question in Europe“ in European History (Web)
Quelle: Frances Power Cobbe: Introduction to “The Woman Question in Europe” (1884)

Edith Glaser: Lehrerinnen und Erzieherinnen unterwegs in Europa (Web)
Quelle: Lebenslauf der Katharina Walker (ca. 1875)

Tiina Kinnunen: „Werde, die du bist“ – Feminismus und weibliches Lebensgefühl Anfang des 20. Jahrhunderts (Web)
Quelle: Brief von Sissy Frerichs an Ellen Key (1905)

Michael Pesek: Die Auferstehung des Kriegshelden aus dem Bett des Offiziers. Die Konstruktion kolonialer Maskulinität im Ersten Weltkrieg (Web)
Quelle: Aufzeichnungen des Vizewachtmeisters d. Res. Dr. Hoffmeister (ca. 1916/1931)

Marleen von Bargen: Europa nach dem Exil. Zu den Europavorstellungen der Sozialdemokratin Anna Siemsen (Web)
Quelle: Anna Siemsen-Vollenweider: Die Frau im neuen Europa (1945)

Stefan Wiederkehr: Frauensport und Männerwelt im Kalten Krieg (Web)
Quelle: International Olympic Committee. Medical Commission (Hg.): Sex Control (1972)

Christiane Eifert: Das Europa der Unternehmerinnen (Web)
Quelle: Resolution der ‚Femmes Chefs d’Entreprises Mondiales‘ auf ihrem Internationalen Kongress 1972 in Madrid zum Thema „Die Unternehmerin und die Zukunft Europas“

Kirsten Heinsohn: „Also, ich bin eine Deutsche nicht mehr, eine Engländerin werde ich nie sein.“ Erfahrungen und Deutungen einer emigrierten Wissenschaftlerin (Web)
Quelle: Interview mit Eva G. Reichmann (1981)

Belinda Davis: Europe is a Peaceful Woman, America is a War-Mongering Man? The 1980s Peace Movement in NATO-Allied Europe (Web)

Juliane Jacobi: Juan Luis Vives‘ „De institutione feminae Christianae“. Eine humanistische Schrift zur Mädchenerziehung für Europa (Web)
Quelle: Juan Luis Vives: De institutione feminae Christianae

Kristin Reichel: „Das soziale Dilemma der Frau“ – die Erwerbsarbeit verheirateter Frauen im Diskurs der Internationalen Arbeitsorganisation (1950-1965) (Web)
Quelle: Internationale Arbeitsorganisation, Empfehlung 123 betreffend die Beschäftigung von Frauen mit Familienpflichten (1965)

Anne Mariss: Natur und Geschlecht in Text und Bild bei Georg Forster und William Hodges auf der zweiten Cook-Expedition 1772-1775 (Web)
Quelle: Georg Forster, Reise um die Welt (1778) und William Hodges, Tahiti Revisited (1776)

Christa Hämmerle: (Über-)Leben in einer „nicht-privilegierten Mischehe“: Das Tagebuch der Therese Lindenberg (1938-1946) (Web)
Quelle: „Apokalyptische Jahre“ – Ausschnitte aus den Tageübchern der Therese Lindenberg (1936-1946)

Relinde Meiwes: Im Schatten des Kulturkampfes: Katholische Schwestern in Skandinavien (Web)
Quelle: Johanna (Eustachia) Boehnke: Mehrjähriger Aufenthalt dreier Novizen in Helsingfors (1893)

Margareth Lanzinger: „Wir antizipieren die Flügel, die wir einst haben werden“ – Hedwig Dohms Ehekritik als Gesellschaftskritik und utopischer Lebensentwurf (Web)
Quelle: Hedwig Dohm: Über Ehescheidung und die freie Liebe (1909)

Chiara Bonfiglioli: „An Age Fated to Vanish“: Vera Stein Erlich’s Anthropological Records of Interwar Yugoslavia (Web)
Quelle: Erlich, Vera Stein: Story of a Survey (1966)

Gabriele Metzler: „Denen mußte es mal gezeigt werden“. Antiterrorpolitik als Politik der Männlichkeit (Web)
Quelle: Spiegel-Interview mit Bundeskanzler Helmut Schmidt (April 1975)

Andrea Griesebner: Auf ewig Dein? Das Institut der Scheidung von Tisch und Bett (Web)
Quelle: Protokolle des Eheverfahrens von Regina Hoferin (1782/1783)

Weitere Veröffentlichungen zum Themenschwerpunkt auf dem Portal (Web)

Klicktipp: Iris Schröder: Einführende Überlegungen zu einer möglichen Wahlverwandtschaft (Essay)

Veröffentlicht im Themenportal Europäische Geschichte | Schwerpunkt Europäische Geschichte und Geschlechtergeschichte, 2009 hg. von Iris Schröder unter Mitarbeit von Priska Jones und Monika Mommertz (Web)

Einführende Überlegungen zu einer möglichen Wahlverwandtschaft
Iris Schröder (Web)

„Was hat Europäische Geschichte mit Geschlechtergeschichte zu tun? – Vieles, so ist zu vermuten, denn in dem Maße wie Europäerinnen und Europäer den Kontinent bewohnen und bevölkern, ihn erobern, ihn einnehmen, ihn verlassen und manchmal auch wieder dorthin zurückkehren muss Geschlechtergeschichte als ein historisches Forschungsfeld gelten, das die Europäische Geschichte gleichsam durchzieht. Europäische Geschichte und Geschlechtergeschichte sind demnach mögliche Wahlverwandte. Während die Frauen- und Geschlechtergeschichte sich in manchen ihrer Anfänge zwar der europäischen Dimension verweigerte und sich stattdessen zunächst an Dorf, Stadt, Region sowie Staat und Nation orientierte, konnte und kann die Europäische Geschichte ihrerseits die Geschlechter nicht ausblenden, da „die Europäer“ besonders in der Sozial- und Kulturgeschichte schlechterdings nicht ohne „ihre bessere Hälfte“ auszukommen vermögen.

Aber dies ist nur eine kurze Antwort auf die eingangs gestellte Frage. Sie mag vielleicht auf den ersten Blick plausibel erscheinen. Jedoch schon beim näheren Hinsehen stellt sich heraus, dass die Antwort ein wenig zu voreilig ist – und zwar aus historiographischen wie methodischen Gründen. Ist die Europäische Geschichte ihrerseits durch ihre genuine Vielfalt sowie durch ihre Umstrittenheit charakterisiert, so lässt sich auch in der aktuellen historischen Geschlechterforschung eine Vielfalt an Ansätzen und Themen erkennen. Dies gibt oft zu Kontroversen Anlass, divergieren hier nicht nur die Fragestellungen und Inhalte, sondern auch die Methoden sowie schließlich die epistemischen Ausgangspositionen erheblich voneinander. Während es in vielen Arbeiten nach wie vor darum geht, das Programm einer Frauen- und Geschlechtergeschichte zu verfolgen, um einer asymmetrischen historischen Aufmerksamkeit gleichsam ein gegenläufiges Projekt entgegenzusetzen, hat sich ein weiterer Teil der Forschung einer anderen Art von Geschlechtergeschichte verschrieben, die auf einer möglichst symmetrischen Betrachtung beider Geschlechter beharrt und die deshalb auch eine neue Männergeschichte apostrophiert. Beide Ansätze – die „historische Frauen- und Geschlechterforschung“ sowie die neuere, prononciert auf beide Geschlechter hin ausgerichtete „historische Geschlechterforschung“ – rücken die Analyse der Geschlechterbeziehungen in den Mittelpunkt. Dessen ungeachtet werden sie in der fortlaufenden theoretischen Debatte inzwischen aber ebenfalls nachdrücklich in Frage gestellt.“ Weiterlesen … (Web)

Zitation: Iris Schröder, Europäische Geschichte – Geschlechtergeschichte. Einführende Überlegungen zu einer möglichen Wahlverwandtschaft. Beitrag zum Themenschwerpunkt „Europäische Geschichte – Geschlechtergeschichte“, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2009, <www.europa.clio-online.de/searching/id/fdae-1508>.

Quelle: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/forum/type=diskussionen&id=1218

Edith Saurer: Ist eine europäische Frauengeschichte möglich? (Kommentar)

Ist eine europäische Frauengeschichte möglich? Kommentar
Edith Saurer

Franziska de Haans Befund über Hierarchien in der europäischen Frauen- und Geschlechtergeschichtsschreibung (Web), der sich auf die Geschichtsschreibung generell erweitern ließe, kann ich nur zustimmen. Gewiss, „those in the center or core, have the power to define the world“. Allerdings sollte auch bemerkt werden, dass die Geschichtsschreibung und das gilt auch für die Frauen- und Geschlechtergeschichte in diesen Ländern oft einen nicht nur quantitativen Vorsprung hat. Die englische Frauen- und Geschlechtergeschichte etwa zeigt in ihren Forschungen eine bemerkenswerte Breite an Themen und innovative Ansätze; damit entstehen Forschungstatsachen, die von den ForscherInnen rezipiert werden und rezipiert werden müssen.
Das rechtfertigt nicht das Ignorieren der Leistungen von ForscherInnen aus kleineren Staaten. Deren Situation ist trotzdem nicht so chancenlos; wobei ich jetzt weniger daran denke, ob ihre Forschungen vom „Zentrum“ wahrgenommen werden oder nicht. Sondern vor allem daran, was sie selbst als „an den Rändern“ stehend an Forschungsperspektiven einbringen können. Das gilt für West und Ost, denn wie Franziska zu Recht schreibt, „the homogeneity suggested by the concepts „East“ and „West“ is misleading.“ An den „Rändern“ zu stehen ist eine Chance, die sofern Engagement vorhanden ist, für die Forschung äußerst fruchtbar sein kann. Die Frauen-und Geschlechtergeschichte selbst hat dieser Positionierung von Frauen(geschichte) auch ihr Entstehen zu verdanken.

Damit kann ich sogleich an Luisa Passerinis Text (Web) anschließen: Dringliche Probleme sollen aufgegriffen werden, so die Geschichte interkultureller Beziehungen, schreibt Luisa. Deren Bedeutung möchte ich unterstreichen: Sie sind ein Thema der europäischen Geschichte und insbesondere auch der Frauen- und Geschlechtergeschichte, das über die Grenzen Europas hinausreicht- über die Migrationen verschiedenster Art- wie es sich auch an Grenzen stößt. Insofern ein Thema, das sowohl national als transnational ist und die Grenzen Europas ausfranst.
Luisa Passerinis angedeutete Kritik an vergleichenden Methoden lässt mich an Werner Schiffauers Artikel „Die Angst vor der Differenz. Zu neuen Strömungen in der Kulturanthropologie“ (Zeitschrift für Volkskunde, 92 [1996], 20-31) denken. Auch interkulturelle Beziehungen werden von nationalen Regelungen der Staatsbürgerschaft beeinflusst, wie generell die Geschichte auch von Beziehungen. Dies für Europa herauszuarbeiten bedeutet vergleichende Methoden anzuwenden.

Zitation: Edith Saurer: Ist eine europäische Frauengeschichte möglich? Kommentar, auf: Salon 21 (31.08.2007), https://salon21.univie.ac.at/?p=391

Michael Mitterauer: Ist eine europäische Frauengeschichte möglich? (Kommentar)

Ist eine europäische Frauengeschichte möglich? Kommentar
Michael Mitterauer

Nicht der Raum, das Problem ist der Ausgangspunkt

„E possibile una storia europea delle donne?“ lautet die Frage, von der die hier geführte Diskussion ihren Ausgang genommen hat. Ich möchte mich ihrer Beantwortung vor allem aus der Perspektive der Geschlechtergeschichte bzw. der Familiengeschichte annähern. Mit beiden habe ich Erfahrung. Parallelen zur Frauengeschichte scheinen mir durchaus gegeben. Mein Versuch einer Antwort bedeutet eine Modifikation der Fragestellung. Sicher ist eine europäische Frauengeschichte, Geschlechtergeschichte, Familiengeschichte möglich. Aber ist es sinnvoll, Frauengeschichte, Geschlechtergeschichte, Familiengeschichte auf den räumlichen Rahmen Europa bezogen zu betreiben?

Drei Bespiele aus eigener Arbeitserfahrung. Ich habe mich viel mit der Bedeutung patrilinearer Verwandtschaftssysteme für die Stellung von Frauen und Männern in historischen Gesellschaften und deren Fortwirken bis in die Gegenwart beschäftigt. Solche Studien erfordern den Vergleich. Sicher kann man Kontrastbeispiele zu den im Kulturraum Europa seit alters vorherrschenden bilateralen Strukturen auch im Rahmen des Kontinents Europa finden – etwa im westlichen Balkanraum, vor allem im nördlichen Albanien oder in Montenegro. Geht man aber über den Kontinent Europa hinaus, so eröffnet sich ein viel weiteres Feld an Vergleichsmöglichkeiten. Das Bild patrilinearer Kulturmuster wird differenzierter. In den Ahnenkultgesellschaften Ostasiens etwa hat Patrilinearität eine ganz andere Funktion als in Stammesgesellschaften des Vorderen Orients. Beide hier exemplarisch genannten Typen helfen, aus dem Kontrast verschiedene europäische Entwicklungen des Verwandtschaftssystems besser zu verstehen. Natürlich gilt das auch vice versa. Wenn wir das Phänomen der bint amm-Ehe – der verpflichtenden Heirat mit der Vatersbruderstochter – unter Zuwanderern in europäischen Großstädten der Gegenwart begreifen wollen, so hilft uns die europäische Frauen-, Geschlechter- und Familiengeschichte gar nichts. Das heutige Problem – und die Beeinträchtigung der freien Partnerwahl bedeutet wohl ein solches – führt – historisch-genetisch betrachtet – weit über Europa hinaus.

Ein zweiter Themenkreis, der mich viel beschäftigt hat, betrifft die Geschichte der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung. In Hinblick auf realisierte und postulierte Formen der Neuverteilung von Arbeit zwischen Frauen und Männern hat dieser Problemkreis sicher Aktualität. Eine Historische Anthropologie der Arbeitsteilung muss mit der Ethnologie kooperieren. Die Ethnologia Europaea bietet wohl viel an aufschlussreichem Vergleichsmaterial. Erklärungsmodelle für historisch gewachsene Formen der Arbeitsteilung gewinnen aber sicher an Validität, wenn Continue reading

Francisca de Haan: “Is a European Women’s History Possible?” Reflections on the “East-West” Dimensions of this Question (Statement)

“Is a European Women’s History Possible?” Reflections on the “East-West” Dimensions of this Question. Statement *)
Francisca de Haan

*) This contribution was first delivered as part of a round table „É possibile una storia europea delle donne?“ organized by Angiolina Arru and Edith Saurer, at the fourth National Congress of the Societá italiana delle storiche (SIS) (Web), Rome, February 15, 2007. Chairs were Angiolina Arru and Edith Saurer; panelists were Gisela Bock, Luisa Passerina, Eliane Viennot, and Francisca de Haan. The author would like to thank the SIS for the invitation, and welcomes reactions to this paper. This contribution will also be published in „Genesis. Rivista della Società Italiana delle Storiche“.

Introduction

“Is a European Women’s History Possible?” My answer to that question is a conditional “yes,” as I will elaborate below. While obviously one can approach this question from many relevant perspectives, my focus will be on the “East – West” dimensions of a European women’s history. This, in turn, is based on my experiences as a Dutch feminist historian who has been working for more than five years at the Central European University in Budapest, where I have learned many things from my colleagues (within the university and in broader networks) and students. From that perspective, I see three conditions that have to be met, if we are to develop something fitting the name of “European Women’s History”. First, both Western and Eastern Europeans must be self-critical and rethink their own, often unstated, assumptions; second, certain material conditions/needs have to be identified and addressed; third, we have to design concrete projects that will contribute to/bring us closer to the goal of a “European Women’s History” (or better, in the plural: European Women’s Histories).

For a start, we have to ask what we mean by “Europe.” Is this simply the (sub)continent with that name, in other words, a geographical entity? If so, are its borders clear and uncontested? We all know the answers to these rhetorical questions. “Geography” does not exist outside of, or beyond, politics. Is “Europe” also a cultural entity, does it have a distinct cultural history? Is or was there a “European civilization”? How does Europe relate to the European Union, and vice versa? And are the recent enlargements of the European Union in 2004 and 2007 a threat to Europe’s “identity,” as many people seem to think? (Encouraged by politicians who use these currents to reinforce nationalist and anti-immigrant tendencies.)

I am only raising these issues to emphasize how political any discussion about “Europe” is – now possibly more than ever. And while such questions about “Europe” can be answered in different ways, it is undisputed that who belongs to “Europe” and who does not, who is in and who is out, changes over time, and is fundamentally contested. It is also clear that, even if one agrees on what the European borders are, there is no homogenous “Europe” within those borders; rather, migration has always been a part of European history, and has expanded significantly since the 1990s.[1] The phenomenon of migration highlights the Continue reading

Luisa Passerini: Ist eine europäische Frauengeschichte möglich? Beitrag zur Podiumsdiskussion am vierten nationalen Kongress der Società italiana delle storiche. (Statement)

Ist eine europäische Frauengeschichte möglich? Beitrag zur Podiumsdiskussion am vierten nationalen Kongress der Società italiana delle storiche. Statement *)
Luisa Passerini

*) Dieser Beitrag wird auch in „Genesis. Rivista della Società Italiana delle Storiche“ veröffentlicht.

Ich halte die Wahl dieses Themas für diese Podiumsdiskussion „Ist eine europäische Frauengeschichte möglich?“ zu Beginn des Jahres, das die Europäische Kommission zum „Jahr der Chancengleichheit für alle“ erklärt hat, für sehr angebracht. Wenn man mit Chancengleichheit nicht nur die Frauen meint, sondern auch all jene, denen heute in Europa nicht gleiche Rechte zugestanden werden, von den Homosexuellen bis zu den MigrantInnen, wird die Bedeutung der Kämpfe der Frauen – nicht nur für sie selbst sondern auch für andere – offensichtlich. In diesem Sinne verstehe ich Frauen nicht als vorrangiges Subjekt, wie früher die Arbeiterklasse als Subjekt erster Kategorie in Bezug auf die sozialen und politischen Veränderungen verstanden wurde, wobei alle anderen Subjekte bloß als Verbündete galten. Ganz im Gegenteil glaube ich, dass die Frauen dazu beigetragen haben, einen Prozess des Einforderns von Rechten in Gang zu setzen, der auf einen neuen Universalismus zusteuert, keinen abstrakten und formalen Universalismus, der den Körper in Klammern setzt, sondern in einen potentiell konkreten Universalismus, der Gleichheit und Differenz als verkörperten Subjekten (oder mit Subjektivität ausgestatteten Körpern) inhärente Eigenschaften denkt. Und ich denke auch, dass die Frauen – zusammen mit anderen – in der ersten Reihe im Kampf um die so definierten Rechte stehen.

Dazu gehört nicht nur das Recht, eine Geschichte zu haben, sondern auch das Recht die bisher geschriebene Geschichte umzuschreiben. In diesem Zusammenhang erscheint mir der Beitrag, den eine europäische Perspektive in der Frauengeschichte leisten kann, dringend notwendig. Mit „europäischer Perspektive“ meine ich nicht, dass jene, die sich mit Frauengeschichte befassen (ob Frauen oder Männer), sich unbedingt mit Europa beschäftigen müssen, sondern, dass sie eine Position einnehmen, der dringlichen Problemen Rechnung trägt. Vor diesem Horizont tauchen als wichtige Themen auf: die Migration, die interkulturellen Beziehungen, der Postkolonialismus. Ein europäischer Blick muss sich mit dem Geflecht von in Europa gelebten und von Europa aufgezwungenen Trennungen und Ausschlüssen in der Vergangenheit auseinander. Daher geht es nicht nur darum, sich die Erweiterung der Europäischen Union in Richtung Mittel- und Osteuropa bewusst zu machen, sondern sich vor Augen zu halten, dass Europa viel größer ist als die Europäische Union. Das wird von einer kulturellen und historischen Ebene aus gesehen immer so sein, wenn wir uns von einer rein territorialen Vorstellung von Europa verabschieden und die Aufforderung zur Ent-Territorialisierung ernst nehmen, die von mehreren Seiten an uns herangetragen wird – von der Theorie (auch der feministischen Theorie: Braidotti, Ivekovic, Varikas) und von den Migrantinnen mit ihren Erfahrungen. Eine europäische Dimension, die Farbige und Weiße vollberechtigt aufnimmt, den Islam wie das Judentum, den Laizismus genauso wie die Religionen – das sind weitere Themen, die die Frauen berühren. Continue reading