Wien Museum Magazin (Web)
veröffentlicht am 29.05.2022
Vor 90 Jahren, am 4. Juni 1932, wurde in Wien-Lainz die Werkbundsiedlung feierlich eröffnet, eine Mustersiedlung aus 70 Häusern nach Entwürfen in- und ausländischer Architekt*innen. Das mediale Echo war groß und reichte von enthusiastischem Zuspruch bis zu vehementer Ablehnung. Kritik gab es auch an den Küchen, einem Raumtypus, der damals noch ganz dem weiblichen Geschlecht zugeordnet war.
Drei Jahre zuvor hatte sich der Schriftsteller Stefan Zweig in seinen Überlegungen zur Frau der Zukunft zuversichtlich gezeigt, dass der Typus der bürgerlichen Hausfrau „im Sinne des immer wieder Kinder säugenden Haustiers, des plättenden, fegenden, kochenden, bürstenden, flickenden und sorgenden Domestiken ihres Hausgebieters und ihrer Kinder“ verschwinden werde. Woher er diesen Optimismus nahm? Nicht zuletzt vermutlich aus den zeitgenössischen Diskursen über die „neue Frau“, in denen die Forderung nach einer Modernisierung der Hauswirtschaft und nach neuen arbeitssparenden Küchen zentral war. Tatsächlich waren im Lauf der 1920er Jahre bereits zahlreiche neue technische Hilfsmittel auf den Markt gekommen, die eine Erleichterung der Hausarbeit versprachen. Auch Architektur und Möbeldesign widmeten sich verstärkt der Frage, wie die Hausarbeit schneller, müheloser und hygienischer vonstatten gehen könnte.
Neuorganisation nach dem Ersten Weltkrieg
Solche Fragen waren nach dem Ersten Weltkrieg virulent geworden, da sich die sozialen, ökonomischen und geschlechterpolitischen Rahmenbedingungen stark geändert hatten. Viele Frauen konnten oder wollten nicht mehr den Großteil ihrer Zeit und Energie dem häuslichen Leben widmen. So war der Anteil erwerbstätiger Frauen und damit die Mehrfachbelastung auch in den bürgerlichen Schichten gestiegen, während gleichzeitig das früher billig zur Verfügung stehende Dienstpersonal nun oft wegfiel. Weiterlesen … (Web)