Frauenarbeitsgemeinschaft der österreichischen Gesellschaft für Exilforschung
Zeit: Di., 02.04.2019, 18.30 Uhr
Ort: Institut für Wissenschaft und Kunst, Bergg. 17, 1090 Wien
In den ersten Jahren nach der Zulassung zum Hochschulstudium bis in die Zwischenkriegszeit gab es eine bemerkenswerte Anzahl von Frauen an den naturwissenschaftlichen Instituten der Universität Wien, sei es als Studentinnen oder später auch als Forscherinnen. Ab den frühen Nachkriegsjahren waren Absolventinnen vermehrt nach dem Studium weiter in dem Bereich tätig – am jeweiligen Institut, oder an außeruniversitären Einrichtungen, in der Industrie oder an Volksbildungsstätten.
Die Geschichte dieser Frauen in den Naturwissenschaften im 20. Jhd. führte schnell zu Fragestellungen bezüglich Verdrängung und Vertreibung sowie zum Thema Exil: In den offiziellen Auflistungen der 1938 vertriebenen Angehörigen der Universität Wien auf der Ebene der ProfessorInnen und DozentInnen sind zwar unter den NaturwissenschafterInnen keine Frauen verzeichnet. Dies heißt aber weder, dass es keine Anstellungen von Frauen in diesem Bereich gab, noch dass sie nicht von Vertreibung betroffen waren.
Die institutionellen Anbindungen waren in der Regel insbesondere für Frauen jüdischer Herkunft prekär bzw. schon früher aufgelöst worden. Die Auswirkungen des „Anschlusses“ an NS-Deutschland schlug sich hier weniger in der Anzahl institutsangehörigen Wissenschafterinnen wider, die aufgrund der „Verordnung zur Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums“ entlassenen wurden, sondern vielmehr in der Vertreibung institutionell nicht fest gebundener Naturwissenschafterinnen.
Auch wenn den betroffenen Naturwissenschafterinnen die Emigration gelang, und sie sich im Exil ein neues Leben und manchmal eine neue Karriere aufbauen konnten, haben es nur wenige in das kollektive Gedächtnis Österreichs geschafft – wie Lise Meitner oder die einem kleineren Kreis bekannte Forscherin Marietta Blau. Der Vertreibung folgte das Vergessen. Der Verlust dieser in mehrfacher Hinsicht beispielhaften Vorbilder bewirkte in Folge einen nachhaltigen Bruch in der österreichischen Entwicklung der Beteiligung von Frauen an den Naturwissenschaften.
Die Biografien einiger dieser sukzessive aus den Institutionen verdrängten und schlussendlich vertriebenen Naturwissenschafterinnen sollen dem Vergessen entrissen werden.
Brigitte BISCHOF, Mag., hat ursprünglich Physik studiert und mehrere Jahre im Bereich Physikgeschichte und zu Frauen in Naturwissenschaft und Technik geforscht, u. a. hat sie für biografiA das Modul Naturwissenschafterinnen an der Universität Wien bearbeitet und ihre biografischen Recherchen zu Physikerinnen, Mathematikerinnen, Chemikerinnen und anderen Naturwissenschafterinnen im Lauf der Jahre fortgesetzt. Sie ist seit mehreren Jahren als Lektorin für Genderstudies im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich in die universitäre Lehre eingebunden. Zudem ist sie als Trainerin und Lektorin für wissenschaftliches Schreiben am writers’studio Wien und an verschiedenen Wiener Fachhochschulen tätig.