CfP: Die Homosexualitäten im deutschsprachigen Raum (19.–21. Jdh.) (Revue d’Allemagne et des pays de langue allemande); bis: 13.12.2020

Revue d’Allemagne et des pays de langue allemande (Web)

Einreichfrist: 13.12.2020

Wegen der psychopathologischen Erklärung des gleichgeschlechtlichen Begehrens sowie der Entwicklung der ersten homosexuellen Bewegung der Welt am Ende des 19. Jdhs. wurde Deutschland als Ort der „Erfindung der Homosexualität“ beschrieben – um den Titel des Bestsellers von Robert Beachy zu übernehmen. Zumindest jene im „modernen“ Sinn von Michel Foucault. Gleichzeitig war Deutschland aber auch ein Ort der Verfolgung der Homosexualität, dessen Höhepunkt in der NS-Zeit erreicht wurde. Diese beiden Merkmale sind nicht widersprüchlich. Im Gegenteil: sie sind miteinander verknüpft und ihre Verbindung kann als Muster der Homosexualitäten deutschsprachiger Länder in der ersten Hälfte des 20. Jdhs. betrachtet werden. Dasselbe galt in Österreich und in der deutschsprachigen Schweiz, während es im französischsprachigen Raum in dieser Zeit weder Gesetzgebung gegen die Homosexualität noch organisierte Strukturen von Homosexuellen gab. Die Auswirkung dieser sonderlichen Vergangenheit dehnt sich bis zur heutigen Zeit aus.

Einerseits hat die Geschichtsschreibung der Homosexualitäten – insbesondere über die Zeit vor 1945 – im deutschsprachigen Raum ein Integrationsniveau im universitären Feld ohne Vergleich im Kontinentaleuropa erreicht. Die Vermehrung der Forschungsprojekte und wissenschaftlichen Veröffentlichungen beweisen sogar eine Beschleunigung dieser Tendenz und zeigen wie vielseitige und komplexere Themen und Interpretationen sowie theoretische und methodische Perspektiven dieses Forschungsbereichs seit den ersten Studien der 1970er- und -80er-Jahren geworden sind. Der besonders starke Einsatz der englischen und nordamerikanischen Forscher/innen für die Geschichte der Homosexualitäten im deutschsprachigen Raum trägt zu dieser Erneuerung der Geschichtsschreibung und ihrer wissenschaftlichen Anerkennung bei.

Andererseits beeinflusst die einheimische Geschichte der Homosexualitäten vor 1945 – oder vielmehr ihre Verwendung – die Weiterentwicklung der Homosexualitäten im deutschsprachigen Raum ständig: Fortsetzung der alten Gesetzgebung in der frühen BRD, Anrufung des Opferbilds der „Rosa Winkel“ von der zweiten homosexuellen Bewegung, Entwicklung des Gedächtnisses der NS-Verfolgung der Homosexualität als Komponente der heutigen staatlichen Politik gegen … weiterlesen und Quelle (Web).