Bezirksmuseum Josefstadt (Web)
Zeit: 06.05.2021, 18.00 Uhr
virtueller Ort: Youtube-Kanal der Wiener Bezirksmuseen (Web)
Laufzeit: bis 30.03.2022
Öffnungszeiten: Mi 18–20.00 Uhr, So 10–12.00 Uhr
Ort: Bezirksmuseum, Schmidg. 18, 1080 Wien
Wo heute die Lange Gasse in die Alser Straße mündet, befand sich von 1788 bis 1910 ein stark frequentiertes Gebäude: Das Wiener Findelhaus. Die Einrichtung von Findelhäusern in vielen europäischen Städten sollte dazu beitragen, Kindsmorde zu verhindern und die Kindersterblichkeit zu reduzieren. Gleichzeitig wurden damit bevölkerungspolitische Intentionen verfolgt – so auch in der Alser Vorstadt. Das Wiener Findelhaus wurde 1784 gegründet. Seit 1788 befand es sich in der Alserstraße 23. Im Laufe seines Bestehens nahm es ca. 750.000 Kinder auf und vermittelte sie zu Pflegeplätzen am Land. Der Großteil dieser Kinder war in der Gebäranstalt zur Welt gekommen, die sich auf dem Areal des ehemaligen AKH befand.
Anhand von rund 100 Exponaten aus mehr als 15 wissenschaftlichen Institutionen setzt sich die Ausstellung mit den ehemaligen Einrichtungen im heutigen 8. und 9. Bezirk auseinander. Lebenssituationen von Frauen, die ungewollt Mutter wurden oder keine Möglichkeit hatten, ihr Kind selbst großzuziehen, werden ebenso in einem sozial- und gesellschaftshistorischen Kontext thematisiert, wie Biografien von sogenannten Findelkindern. Weiterlesen … (Web)
Beschreibung auf „Der Achte.at“: „Wo heute die Lange Gasse in die Alser Straße mündet, befand sich von 1788 bis 1910 ein stark frequentiertes Gebäude: das Wiener Findelhaus. Hier wurden Kinder abgegeben, deren ledige Mütter nicht für sie sorgen konnten – dabei handelte es sich um ein Massenphänomen, wie die Historikerin Verena Pawlowsky erklärt: ‚In manchen Jahren des 19. Jhds. ging ein Drittel der in Wien geborenen Kinder diesen Weg: von einer ledigen Frau zur Welt gebracht, im Wiener Findelhaus abgegeben.‘ In weiterer Folge wurden diese Kinder meist aufs Land vermittelt – wo sie ihren Pflegefamilien ein zusätzliches Einkommen brachten und häufig sozial ausgegrenzt wurden.
Das Findelhaus wurde unter Joseph II. 1784 als Teil des Allgemeinen Krankenhauses gegründet, um Kindsmorde und Abtreibungen zu verhindern und die Kinder- und Säuglingssterblichkeit zu reduzieren. Gleichzeitig waren Gebär- und Findelhäuser bevölkerungspolitische Instrumente: Der Staat wollte Arbeitskräfte und Soldaten.
Das Haus in der Alser Straße 23 gibt es nicht mehr, wohl aber jenes der ehemaligen Wiener Gebäranstalt, die sich direkt am Krankenhausgelände befand und eng mit dem Findelhaus verknüpft war. Während reiche Frauen hier gegen Bezahlung anonym gebären konnten, dienten mittellose schwangere Frauen männlichen Studenten als ‚Unterrichtsmaterial‘. Damit verhalfen sie der Anstalt zu ihrem Erfolg. Gefühle von Scham und Intimität wurden ihnen oftmals abgesprochen. Ob jene Frauen ‚vor der Schand und Noth gerettet‘ wurden – wie es in der Gründungsschrift des Allgemeinen Krankenhauses heißt –, ist daher fraglich.
Vor allem arme, ledige und oft auch zugewanderte Frauen nutzten die beiden Institutionen. Ökonomische Zwänge und ein restriktives Eherecht machten es diesen Frauen unmöglich, ihre Kinder selbst großzuziehen. Verhütungsmethoden gab es zu dieser Zeit nur unzureichend, Schwangerschaftsabbrüche standen unter Todesstrafe. Über die Väter der Kinder ist sehr wenig bekannt. Ungewollte Schwangerschaft wurde zu einem ‚Frauenproblem‘ gemacht, die Väter wurdenkaum zur Verantwortung gezogen. Die Frage nach den Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten für Frauen bei ungewollten Schwangerschaften ist hochaktuell – werden doch erkämpfte reproduktive Rechte immer wieder angegriffen.“ Weiterlesen … (Web)