Wissenschaftlerinnen im Film – Votivkino Wien, 2008-11-20

Filmschau „Wissenschafterinnen im Film“
im Votivkino Wien
20. – 27. November 2008
Eine gemeinsame Veranstaltung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung und dem Votivkino in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Filmmuseum
Kuratorin: Wilbirg Brainin-Donnenberg (Wien)
Die Filmreihe „Wissenschafterinnen im Film“ bildet den Abschluss der Visibility Maßnahmen für Wissenschafterinnen, die das BMWF auf Empfehlung des frauenpolitischen Beirats durchgeführt hat.
Diese Vorhaben sind eine Ergänzung zu den schon existierenden Frauenförderungsprogrammen mit dem Ziel „Wissenschafterinnen ins Rampenlicht zu stellen und den Stellenwert der Frauen in der Wissenschaft mehr ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken.“ (BM Johannes Hahn)
Ab 20. November gibt es eine Woche lang ausgewählte Spielfilme und Dokumentarfilme (insgesamt 14 Programme) im Votivkino, die sich mit der Darstellung und der Wahrnehmung von Wissenschafterinnen im Film beschäftigen. Verschiedene Frauenfiguren werden in ihren filmischen Rollenstereotypien erkennbar und entlarven so Klischees, die Situationen von Wissenschafterinnen nicht nur auf der Leinwand nachvollziehen lassen. Von der sprichwörtlichen „alten Jungfrau“, zur naiven Expertin, von der einsamen Kämpferin, der gehorsamen Tochter, die das Werk des Vaters zu Ende bringt, bis zur devoten Assistentin. Die häufige Marginalisierung und Sexualisierung wissenschaftlicher Kompetenz von Frauen werden in manchen bekannten und vielen unbekannten Filmen aufs Neue sichtbar.
Die Kuratorin der Filmreihe, Wilbirg Brainin-Donnenberg, berücksichtigt eine große Bandbreite der Genres. Spielfilme – von historisch bis zeitgenössisch, vom Hollywoodkino zu Independentproduktionen, vom B-Picture zum Blockbuster, von Biopic zum Science-Fiction Thriller. Bei allen wird erstaunlich rasch sichtbar, dass es nur wenige, unbefangene Darstellungen von Wissenschafterinnen gibt.
Natürlich darf eine Verfilmung Marie Curies Leben nicht fehlen. Im MGM-Klassiker Madame Curie (USA 1943, Regie Mervyn LeRoy), basierend auf der von ihrer Tochter Eve Curie verfassten Biographie, brilliert Greer Garson als Marie Curie. Eine weitere Biopic Verfilmung, Gorillas in the Mist (Gorillas im Nebel, USA 1988, Regie: Michael Apted) zeigt Sigourney Weaver als die Zoologin und Verhaltensforscherin Dian Fossey, die ihr Leben der Erforschung von Berggorillas gewidmet hat.
Aber auch cineastische Kostbarkeiten erwarten das Publikum. So etwa wird der russische Musikkomödien-Kultfilm Vesna (Frühling) des Eisenstein-Schülers Grigoriy Alexandrov (UdSSR 1947) zu sehen sein, eine üppig inszenierte Verwechslungskomödie um eine Wissenschafterin und eine Schauspielerin. Der bis in die kleinste Nebenrolle fabelhaft besetzte Film erhielt 1947 bei den Filmfestspielen von Venedig den Preis für das originellste Drehbuch und wurde vor kurzem in Retrospektiven in Paris, Venedig und Locarno neuerlich begeistert aufgenommen.
Wird die Darstellung einer Wissenschafterin im Film in Vesna zum zentralen Thema, so geht es in dem Science-Fiction Drama Contact (USA 1997 Robert Zemecki) um die Schwierigkeiten der Astronomin Dr. Ellie Arroway (Jodie Foster), sich – so wie zahllose ihrer Kolleginnen in Film und Realität – in einer männerdominierten Wissenschaftswelt durchzusetzen. Hitchcocks Spellbound handelt ebenfalls von der männlich fantasierten Unglaubwürdigkeit einer Psychoanalytikerin als Wissenschafterin, sobald sie eine Liebesbeziehung eingeht.
In Conceiving Ada (USA 1997) zeigt die amerikanische Multimediakünstlerin Lynn Hershman Leeson eine feministische Perspektive auf eine weibliche Wissenschaftskarriere im 19.Jh, in der sie ihre schwangere Protagonistin so nah an die Forschung zum Leben der frühen Softwareingenieurin Ada Lovelace (Tilda Swinton), Tochter von Lord Byron und der Mathematikerin (!) Anne Isabella Milbanke, heranführt, bis schließlich eine neue, DNA-Code-manipulierte Ada das Licht der Welt erblickt.
In einer Nachmittagsvorstellung, speziell für Kinder und Jugendliche, läuft der mehrfach preisgekrönte Kinderfilm Ikke Naken (Die Farbe der Milch) der norwegischen Regisseurin Torun Lian (N 2004), in dem ein junges Mädchen Nobelpreisträgerin werden will, wissenschaftliche Fachzeitschriften liest, Experimente macht und mit den Wirrnissen des ersten Verliebtseins kämpft.
Ein Wochenschaubericht zur berühmten, in Wien geborenen und später aus Deutschland nach Schweden vertriebenen Physikerin Lise Meitner, weitere Spielfilme und Dokumentarfilme ergänzen ein spannendes Programm, das sich so offenkundig dieser gläsernen Decke weiblicher Wissenschaftskarrieren widmet, dass es erstaunlich ist, wie spät dies im Zeitalter der Gleichberechtigungsanstrengungen geschieht.
Im Sinne einer Vertiefung des Vermittlungsaspekts unterstützen thematisch passende Impulsreferate österreichischer Wissenschafterinnen vor den jeweiligen Spielfilmen die kritische Reflexion der Rollerbilder im Film und in der Realität. So etwa wird die Psychoanalytikerin und Filmwissenschafterin Beate Hofstadler zu Hitchcocks Thriller Spellbound in einem kurzen Einleitungsreferat humorvoll zum Spiel mit der Brille von Ingrid Bergmans Psychoanalytikerin referieren. Die renommierte Wiener Soziologin Univ. Prof. Eva Flicker, deren Forschungsgebiet seit vielen Jahren die Darstellung von Wissenschafterinnen im Film ist, veranschaulicht in einem einstündigen Vortrag – mit zahlreichen Filmbeispielen – verschiedene Rollenstereotypen und spricht allgemein zur Rolle der Wissenschafterin in den Medien und der Realität.
Die Filmschau „Wissenschafterinnen im Film“ ist ein relevantes Abschlussstatement des Wissenschaftsministeriums zu einem Jahr „Visibility Maßnahmen“, das nicht nur viele Filme, sondern auch unsere eigene, jahrezehntelang trainierte Perzeption kritisch hinterfragt.

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