Hervé Joly, CNRS, LARHRA, université Lumière Lyon 2; Jörg Requate, Universität Bielefeld mit Unterstütung von Sylvie Schweitzer, LARHRA, université Lyon 2
Zeit: 27.-28.05.2010
Ort: Frankreich (Paris oder Lyon)
Deadline: 15.09.2009
Die Bedeutung von Netzwerken ist in der Migrationsforschung seit langem betont und in vielen Kontexten empirisch belegt worden. Verwandtschaft und gemeinsame lokale Herkunft bilden in der Regel die wichtigsten Grundlagen für soziale Beziehungen, denen bei Wanderungsbewegungen oft eine wichtige Rolle zukommt: Informationen, aber auch konkrete Hilfe und Unterstützung konnten über weit gespannter Netzwerke aktiviert werden und wichtige Hilfestellungen bieten. Allerdings hat sich die historische Forschung vielfach damit begnügt, die Netzwerke vor allem zu beschreiben und dabei explizit oder implizit ihren Nutzen zu unterstellen.
Die geplante Tagung möchte dagegen offener danach fragen, inwiefern und in welchen konkreten Situationen Beziehungsnetzwerke nützlich und inwiefern sie eher belastend sein können. Ein besonderes Augenmerk soll dabei auf Bereiche gelegt werden, die über die klassische Arbeitsmigration hinausweisen. Zwar suchte sich seit dem 19. Jahrhundert der ganz überwiegende Teil von Migranten – Frauen wie Männer – zunächst einmal Arbeit in der Landwirtschaft, in der Industrie, in den Bergwerken und im Bereich der Dienstleistungen. Der Traum vieler Migranten war es jedoch, entweder selbst diesen Formen der abhängigen Arbeit zu entkommen oder zumindest die Grundlagen für einen gesellschaftlichen Aufstieg der nächsten Generation zu legen. Welche Chancen bestanden hier für die eigene oder die nächste Generation? Welche Chancen bot eine wirtschaftliche Selbständigkeit als Händler, Ladenbesitzer, spezialisierter Handwerker oder in der Gastronomie? Gab es besondere Möglichkeiten für Frauen, sich selbständig zu machen?
Welches waren die Bedingungen, unter denen sich Migranten erfolgreich geschäftlich selbstständig machen konnten? Welche Rolle spielten ihre Netzwerke? In welchem Maße bedienten Migranten etwa als Kleinhändler oder Gastronomen ihre eigene community und in welchem Maß und unter welchen Bedingungen gelang es, mit Konsumartikeln oder Dienstleistungen in den Aufnahmegesellschaften erfolgreich zu sein? Welche Bedeutung kam hier der Familie zu und welche Konsequenzen hatte dies für das Geschlechterverhältnis?
Welche Möglichkeiten gab es jenseits des Schritts in die Selbständigkeit für den gesellschaftlichen Aufstieg von Migranten? Wie veränderten sich die Bedingungen für die zweite oder dritte Generation? Welche Rolle spielten die Netzwerke innerhalb der Migrationscommunity für gesellschaftlichen Aufstieg? Waren sie durchweg hilfreich, oder musste man sich eher von den Verpflichtungen des Netzwerkes freimachen?
Auf dieser Basis sind Vorschläge zu folgenden Themenbereichen sind besonders willkommen.
- Nutzen und Belastungen familialer Netzwerke
- Erfolgsbedingungen einer ethnic economy
- Selbständige Migranten und ihre Rolle im Wirtschaftssystem des Aufnahmelandes
- Möglichkeiten und Grenzen sozialen Aufstiegs von Migranten
- Sozialer Aufstieg und familiale Netzwerke
Zeitlich wird das 19. und 20. Jahrhundert bis in die jüngste Vergangenheit ins Auge gefasst. Eine grundsätzliche räumliche Einschränkung wird nicht vorgenommen. Der CFP wendet sich an Historiker ebenso wie an historisch arbeitende Sozialwissenschaftler.
Mit Unterstützung der „Fondation Maison des Sciences de l’homme“, des „Centre national de la recherche scientifique“ und der „Deutschen Forschungsgemeinschaft“ organisiert eine Gruppe deutscher und französischer Sozialhistoriker des 19. und 20. Jahrhundert seit 1987 Workshops deutscher und französischer Historiker. Wie bei den vergangenen Treffen zielt die „table ronde“ darauf, vor allem Doktoranden und Postdoktoranden beider Länder zusammenzuführen und die Ergebnisse ihrer Forschungen zu diskutieren. Die Arbeitssprachen der Treffen sind deutsch und französisch, wobei – falls nötig – jeweils eine zusammenfassende Übersetzung in die andere Sprache vorgesehen ist.
Vorschläge in deutscher oder französischer Sprache von maximal einer Seite werden bis zum 15. September 2009 erbeten. Da die Texte im Rahmen des Workshops jeweils von einem Kommentar vorgestellt und kommentiert werden, ist es notwendig, dass die Beiträge bis zum 15. April bei den Veranstaltern eingehen. Vorschläge können in deutscher oder französischer Sprache eingereicht werden. Mail-Adresse: joerg.requate#uni-bielefeld.de
Mitglieder der Gruppe deutsch-französischer Sozialhistoriker:
Hinnerk Bruhns, CNRS, CRH, EHESS
Alain Chatriot, CNRS, CRH-AHMOC, EHESS, Paris
Christoph Conrad, université de Genève
Marie-Bénédicte Daviet-Vincent, université d’Angers
Andreas Eckert, Humboldt Universität, Berlin
Patrick Fridenson, CRH, EHESS, Paris
Dieter Gosewinkel, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung
Heinz-Gerhard Haupt, European University Institute, Florence
Hervé Joly, CNRS, LARHRA, université Lumière Lyon 2
Hartmut Kaelble, Humboldt Universität, Berlin
Sandrine Kott, université de Genève
Jörg Requate, Universität Bielefeld
Kontakt:
Jörg Requate
Universität Bielefeld
joerg.requate#uni-bielefeld.de
URL zur Zitation dieses Beitrages: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=11870