Kathrin Janzen: Institut für Zeitgeschichte der Univ. Wien (Web)
Zeit: 03.-04.03.2022
Ort: Wien
Einreichfrist: 30.09.2021
Politische Biographien von NS-Täter:innen untersuchen in der Regel neben dem Wirken des einzelnen Täters: oder der einzelnen Täterin: in der Zeit des NS auch deren Werdegang im späten Kaiserreich, dem Ersten Weltkrieg und der Weimarer Republik, wobei diesbezügliche Studien oftmals der Konstruktion von organisationsbezogenen Kollektivbiographien dienen. Im Zentrum der Neueren Täter:innenforschung stehen dabei Fragen nach Sozialisation, Milieubildung, generationeller Prägung, Karriereverläufen, Gewalträumen und -milieus, mitunter auch nach Geschlecht und Regionalität. So entstehen vielschichtige Täter:innenprofile und -typologien, die Beteiligung und Teilhabe, Mitmachen und proaktives Handeln zu bestimmen helfen. Dieser Fokus der Neueren Täter:innenforschung seit den 1990er Jahren führt immer wieder zu den gleichen, kontrovers diskutierten Fragen: Wer waren die Täter:innen? Welche Handlungsoptionen besaßen sie und unter welchen Bedingungen wurden sie zu Täter:innen? Welche Rahmenbedingungen (Handlungsräume) ermöglichten die Beteiligung an Täter:innschaft und wie lässt sich daher Täter:innenschaft definieren?
Das weitere Wirken der Täter:innen nach dem Zusammenbruch des „Dritten Reiches“ hingegen findet lediglich als Nachgeschichte des NS, in der „Vergangenheitspolitik“ Erwähnung und wird eher selten als Vorgeschichte der post-NS Gesellschaften interpretiert. Zwar sind in den letzten Jahren eine Reihe von Forschungsarbeiten zu Transformationsprozessen um die makrohistorische Zäsur des Jahres 1945 zum Beispiel in Bundesministerien entstanden, allerdings rückt hier das einzelne Individuum durch den strukturgeschichtlichen Ansatz dieser Studien in den Hintergrund. Durch die fixe Markierung von 1945, von Zusammenbruch und Neuanfang, die sich in den Biographien konstituiert, werden die individuellen Perspektiven des biographischen Subjekts verdeckt. Trotz zahlreicher bekannter Biographien über NS-Täter:innen ist die Biographik als Methode jedoch bisher nicht zu einem zentralen Bestandteil der NS-Täter:innenforschung avanciert, der ‚cultural turn‘ in der Geschichtswissenschaft ermöglichte allerdings neue biographiehistorische Zugänge. Denn ein strukturalistischer Ansatz birgt in sich die Gefahr, in der Analyse zu undifferenzierten Generalisierungen zu gelangen, hinter denen sich die tatsächlich deutlich kontingenteren Möglichkeiten, wie die Biographien … weiterlesen und Quelle (Web).