CfP: Feministische Kritik und Widerstand (Event: Rauischholzhausen, 01/2012); DL: 15.09.2011

Tagung des AK Politik und Geschlecht

Zeit: 12.- 14.01. 2012
Ort: Rauischholzhausen
Deadline: 15.09.2011
Über die Annahme des Vortrags werden alle BewerberInnen bis zum 15. Oktober 2011 benachrichtigt.

Die Herausbildung feministischer Wissenschaft ist genuin verwoben mit feministischer Kritikund Widerstand: Die Frauen- und später Geschlechterforschung (nicht nur) in Westeuropa ging aus politischen Zusammenhängen der Frauenbewegung der 1970er und 1980er Jahre hervor und inspirierte diese zugleich in vielfältiger Weise. Kritisches Erkenntnisinteresse, wissenschaftliche Interventionen, politische Kritik und Widerstand wurden in einem wechselseitigen Bedingungsverhältnis verstanden.

Zugleich aber waren diesem wechselseitigen Bedingungsverhältnis von Anbeginn Spannungen eingeschrieben: So verlangte das Bestreben, als Wissenschaft anerkannt zu werden, andere Wege, Taktiken und Strategien einzuschlagen als allein die Formulierung radikal-widerständiger Kritik. Dies wiederum führte oftmals zu dem Vorwurf, dass die Integration von feministischer Wissenschaft in die Institutionen des Main- und Malestreams nur um den Preis der Ent-Radikalisierung möglich sei. Zudem wurde bald deutlich, dass die Übersetzungen von politisch-praktischem Wissen in wissenschaftliche Debatten und umgekehrt Hierarchisierungen und Ausschlüsse fortschrieben. Und schließlich brachten praktische Erfahrungen und theoretische Einsichten die Beschränktheit jenes praktisch-politischen ebenso wie theoretischen Kritikverständnisses zum Vorschein, das nicht auch die heterogene Positioniertheit von Frauen entlang nationaler, ökonomischer, heteronormativer Grenzziehungen reflektiert.

Diese geradezu paradoxen Anforderungen spiegeln sich auch in der Professionalisierung der feministischen Politikwissenschaft: Während erstens feministische Wissenschaft einerseits durch die Etablierung von Gender Studies darauf abzielt, Teil des politikwissenschaftlichen Kanons zu werden, verebbt andererseits „die“ Frauenbewegung als große soziale Bewegung. Und während zweitens auf der einen Seite globale kapitalistische Anforderungen eine Flexibilisierung der Arbeitszeit und biographischer Mobilität, ungeachtet von Partnerschaften, Kinderplanung und Freundschaften verlangen, verfestigen sich Geschlechterverhältnisse in neuen Unterdrückungs-, Ausbeutungs- und Diskriminierungsverhältnissen. Drittens werden feministische Forderungen in neuen Regierungstechniken kooptiert, meistens jedoch mit durchaus ambivalenten Auswirkungen auf die Lebensplanung von Frauen. Viertens etablieren sich einerseits Erkenntnisse aus Forschungen im Bereich von Intersektionalität, postkolonialer Theorie, Queer und Sexuality Studies zunehmend, was aber andererseits unvermeidlich zu einer immer komplexer werdenden, und damit womöglich weniger „griffigeren“ Kritik an bestehenden Verhältnissen führt. Und fünftens schließlich steht nicht zuletzt auch die feministische Wissenschaft vor der Frage, wie Kritik an globalen kapitalistischen Verhältnissen und Widerstand reflektiert werden kann.

Vor diesem Hintergrund sollen auf der Tagung Vorstellungen, Konzeptionen und Erfahrungen von feministischer Kritik und Widerstand sowie das Verhältnis von kritischer Wissensproduktion und widerständigen lokalen sowie globalen Praxen reflektiert werden. Die Tagung verfolgt das Ziel, feministische Politikwissenschaft als kritische Gesellschaftswissenschaft zu stärken. Daher sind theoretische Ansätze und Konzeptualisierungsvorschläge ebenso erwünscht wie empirische Studien, Analysen von Praktiken, Imaginationen von Kritik und Widerstand sowie ihre jeweilige Verbindung zueinander. Im Dialog von feministischer Theorie und Praxis sollen Potentiale einer feministisch-gesellschaftskritischen Politikwissenschaft ausgelotet werden, die eine Überwindung von ethnischer, klassen- und geschlechtsspezifischer Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Ausgrenzung in globaler Perspektive anstreben.

Die folgenden Fragen können Gegenstand der Tagung sein:

  • Welche Formen nimmt feministischer Widerstand in verschiedenen sozialen, politischen und historischen Kontexten an?
  • Wie reagieren verschiedene Positionen (Intersektionalität, postkoloniale Theorie, Queer und Sexuality Studies) auf neue/alte Formen von (globaler) Beherrschung, Unterdrückung, Ausbeutung und was folgt daraus für die feministische Kritik?
  • Welcher Zusammenhang besteht zwischen Theorie und Praxis feministischen Widerstands und wie wird darüber in feministischer Wissenschaft reflektiert?
  • Was heißt feministische Kritik angesichts globaler kapitalistischer, privatrechtlicher Machtverhältnisse und neuer Formen des Regierens (z.B. Global Governance)?

Die Organisatorinnen würden sich über Abstracts zu folgenden Themen freuen:

  • Formen feministischen Widerstands (politisch, ästhetisch, moralisch) in verschiedenen sozio-kulturellen und historischen Kontexten und deren weitere Rezeption in der feministischen Wissenschaft
  • Erkenntnistheorie und verschiedene Formen feministischer Kritik (speziell in der Politikwissenschaft)
  • Theorie-Praxis-Problem: Zusammenhang von Gesellschaftstheorie und normativer Theorie mit Blick auf Formen des Widerstands
  • neue Ansätze feministischer Erkenntnistheorie
  • Zusammenhang von Widerstandspraxen und Kritik angesichts globaler Machtverhältnisse

Abstracts (max. 500 Wörter), die sich auf eines oder mehrere dieser Themen beziehen, bitte bis 15. September 2011 an den Sprecherinnenrat des AK Politik und Geschlecht – Brigitte Bargetz, Andrea Fleschenberg dos Ramos Pinéu, Ina Kerner, Regina Kreide, Gundula Ludwig – schicken: politik-geschlecht@gmx.net. Über die Annahme des Vortrags werden wir alle BewerberInnen bis zum 15. Oktober 2011 benachrichtigen.

Die Tagung findet von Donnerstag Nachmittag (12. Januar 2012) bis Samstag Nachmittag (14. Januar 2012) im Tagungshaus Schloss Rauischholzhausen statt, das zwischen Marburg und Gießen liegt.

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