CfP: Normierungen, Normalisierungen und neue Ambivalenzen im Sozialstaat (ZS Femina Politica); bis: 30.11.2023

Femina Politica. Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft; Herausgeberinnen: Agnes Blome und Julia Lepperhoff (Web)

Einreichfrist: 30.11.2022

Die industrialisierten Sozialstaaten des Globalen Nordens institutionalisieren durch Rechte und Leistungsansprüche und durch funktional ausdifferenzierte Organisationen der Umverteilung Macht- und Herrschaftsverhältnisse, die zu Ein- und Ausschlüssen entlang von Geschlecht, Klasse, Race, Behinderung, Sexualität und Nationalität führen. Darin eingeschrieben sind sozialstaatliche Leitbilder, die gesellschaftliche Vorstellungen über Geschlechtlichkeit und intersektionale Ungleichheiten repräsentieren und in ihrer normativen Wirkmächtigkeit hierarchisierend und lebenslaufstrukturierend soziale Verhältnisse beeinflussen.
So prägen die Norm und Normalität des Ernährermodells die in der Wohlfahrtsstaats-Forschung häufig als „konservativ“ beschriebenen Sozialstaaten, wie z.B. Westdeutschland oder auch Österreich, bis heute maßgeblich. Diese Ordnung ist inzwischen allerdings durch Erosionsprozesse gekennzeichnet und von widersprüchlichen sozialpolitischen Entwicklungen überformt. Insbesondere das Hinzutreten der Leitidee eines Zweiverdienermodells in einem sozialen Investitionsstaat, der die allgemeine Erwerbstätigkeit für alle Geschlechter in den Mittelpunkt rückt, hat hierzu maßgeblich beigetragen. Die forcierte Ausrichtung auf eine Erwerbsbürger*innengesellschaft schreibt nicht nur die Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt als zentrale Bedingung für daran geknüpfte Rechte und Leistungen fest, sondern knüpft auch den sozialen Status an die Idee eines eigenverantwortlichen, unabhängig handelnden und flexibilisierten Subjekts.
Dieser sozialstaatliche wie gesellschaftliche Wandel führt z.B. in Deutschland zu ambivalenten Entwicklungen: So steht die gewachsene Teilhabe am Arbeitsmarkt und damit verbundene Autonomiegewinne von Frauen* und anderen geschlechtlich marginalisierten Menschen anhaltenden geschlechterbezogenen Ungleichheiten am Arbeitsmarkt gegenüber, die durch die Verwobenheit verschiedener Ungleichheitsverhältnisse innerhalb der Gruppe der Frauen* weitere Achsen der Ungleichheit zum Tragen bringen. Einige Reformen der Familienpolitik, des Rentensystems oder der Arbeitsmarktpolitik läuten einerseits den Abschied vom normativen Leitbild des Ernährermodells ein, während andere die ausgeprägte Erwerbszentrierung des Sozialstaats verschärfen. Weiterlesen … (PDF)