Buchpräsentation und Gespräch: Jörg Zedler und Irene Messinger: Schreiben ins Exil. Briefe der Wiener Jüdin Ella Wenger 1938-1942, 09.11.2023, Wien

Fachbereichsbibliothek (FB) Zeitgeschichte der Univ. Wien; Veranstaltungsreihe *at the Library (Web)

Zeit: 09.11.2023, 18.30 Uhr
Ort: FB Zeitgeschichte, Univ. Campus, 1090 Wien

Programm (PDF)

  • Begrüßung: Markus Stumpf | Leiter der FB Zeitgeschichte und Bertrand Perz | Institut für Zeitgeschichte, Univ. Wien
  • Zum Buch: Jörg Zedler | Ludwig-Maximilians-Univ. München
  • Gespräch mit Irene Messinger | FH Campus Wien und Univ. Wien
  • Im Anschluss wird zu einem Glas Wein geladen

Die als Edition vorgelegten Briefe Ella Wengers offenbaren praktisch alle Facetten, die das Leben jüdischer Bürger:innen in Wien unter den Bedingungen des NS in den Jahren zwischen Anschluss (1938) und dem Beginn der ‚Endlösung‘ 1942 ausgemacht haben: Ausgrenzung und Drangsalierung, Diskriminierung und Entrechtung, den Verlust von Arbeit, Eigentum und Wohnung, das Zusammendrängen auf immer weniger Wohnraum, Verzweiflung und Suizid, schließlich die Deportationen; aber auch die Bemühungen um Selbstbehauptung und Flucht.
Die Nachrichten der rund 70jährigen Frau an ihre bereits emigrierte Familie zeigen, wie das Leben der jüdischen Bevölkerung Wiens zunehmend abgeschnürt wurde; sie zeigen aber auch den Mut und die Lebensbejahung, mit der sich die Schreiberin gegen die immer hoffnungslosere Lage stemmt. Ihre Funktion als Drehscheibe von Auskünften, als Maklerin zwischen Emigrierten, denen, die auf dem Sprung waren und jenen, die zurückblieben, war mehr als familiäre Fürsorge – es war der Versuch, Reste der materiellen Lebensgrundlage zu retten, Informationen zu vermitteln, Beziehungen zu aktivieren und soziale Kontakte zu erhalten. Die Welt, die sie beschreibt, geht weit über die Beziehung von Mutter und Tochter hinaus: Weil die Nationalsozialisten den Alltag politisierten, wurde das Alltägliche politisch. Familiäre Fürsorge und politisches Tun verschmolzen, mitunter bis zur Ununterscheidbarkeit.

Jörg Zedler ist habilitierter Historiker und vertritt im Wintersemester 2023/24 die Professur für Neuere und Neueste Geschichte an der LMU München. Nach Lehramts- und Magisterstudium an den Universitäten Erlangen-Nürnberg und München sowie Tätigkeiten im Ausstellungswesen – u.a. war er für die zweite Wehrmachtsausstellung in München zuständig – wurde er 2012 an der LMU mit einer Arbeit über Bayern und den Vatikan bis 1934 promoviert und hat sich 2019 an der Universität Regensburg mit einer über Monarchenbegräbnisse in Bayern und Belgien (1825–1935) habilitierte. Mit Bezug auf den NS veröffentlichte er u.a. Beiträge zu Rektoratsreden im NS sowie zum juristischen Umgang und der Wahrnehmung von Holocaust-Tätern in der frühen Bundesrepublik Deutschland.

  • Jörg Zedler (Hg.): Schreiben ins Exil. Briefe der Wiener Jüdin Ella Wenger 1938-1942 (Selbstzeugnisse der Neuzeit, Band 029), Böhlau: Köln 2023 (Web)

Eine Kooperation von Fachbereichsbibliothek Zeitgeschichte, Universitätsbibliothek Wien | Institut für Zeitgeschichte, Univ. Wien | Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Univ. München