Szenischen Lesung von Petra Unger zu Eugenie Schwarzwald, 16.04.2009, Wien

Zeit: 16. April 2009, 19.30 Uhr
Ort: Kolpinghaus, 1060 Wien, Gumpendorferstr. 39
Unkostenbeitrag pro Person beträgt € 10.-
Ist es nicht ergreifend, was für einen Aktionsradius diese bewundernswerte Frau hat? Nur in Österreich ist möglich, dass ein Mensch von Begabung und Tatkraft nicht schon längst Bundespräsidentin, Rektorin der Universität, Erzbischöfin und Herausgeberin der Fackel ist.“, schreibt Robert Musil 1924 über Eugenie Schwarzwald.
Die Anzahl ihrer Gründungen, Aktivitäten und Initiativen ist tatsächlich fast unüberschaubar. Die korpulente „Frau Doktor“ ist eine der bedeutendsten Schulgründerinnen Österreichs, deren reformpädagogische Ansätze in die berühmte Schulreform Otto Glöckels eingegangen sind. Mit ihrer Mädchenschule in der Wallnerstrasse 9, später Herrengasse 10 ermöglicht sie erstmals in Österreich Mädchen die Möglichkeit zu maturieren. Es gelingt ihr namhafte Lehrer an ihrer Schule zu beschäftigen: Hans Kelsen unterrichtet Soziologie, Arnold Schönberg und Egon Wellesz vermitteln Musik und der junge Adolf Loos richtet nicht nur die Schulräumlichkeiten ein, sondern lehrt Architektur. Während des ersten Weltkrieges initiiert Eugenie Schwarzwald die Aktion „Wiener Kinder aufs Land“ underrichtet die erste Gemeinschaftsküche „Akazienhof“ in Wien. Ab 1918 beginnt sie mit der Gründung einer Reihe von Erholungsheimen. Um all diese Projekte (und viele mehr) finanzieren zu können, führt sie kommerzielle Unternehmen, wie z.B. eine Gemüsefarm und ein Taxiunternehmen.
An ihren Schulen wird nach ihrem Hauptprinzip unterrichtet: „Die Schule muss versuchen, eine Künstlereigenschaft, die alle Kinder besitzen, die Vitalität, zu erwecken und zu erhalten.” Kreativitätsförderung, vor allem bei Mädchen ist ihr wichtig in der Methode beeinflusst durch den Kontakt mit Maria Montessori. Bewegungsfreiheit für ihre Schülerinnen ist ebenfalls von Bedeutung. So gilt an ihren Schulen Korsettverbot und die Mädchen turnen im Freien am Dach der Schule. Eugenie Schwarzwald engagiert sich auch für die Zulassung von Frauen zum Hochschulstudium in Österreich. Ihr ist es als eine der ersten Frauen ermöglicht worden in Zürich Germanistik studieren und mit einem Doktortitel abschließen, der in Österreich jedoch nie anerkannt wird. Oft muss sie um die Anerkennung ihrer Lehrer kämpfen. Die Vertragsverlängerung für einen ihrer Zeichenlehrer, den jungen Oskar Kokoschka, wird mit der Bemerkung verweigert: „Genies sind im Lehrplan nicht vorgesehen.“ Dennoch gelingt es Eugenie Schwarzwald viele Genies in ihren Schulen oder in ihrem Haus in der Wiener Josefstädterstrasse 68 zu versammeln. Zu Berühmtheiten werden auch einige ihrer Schülerinnen wie die Schriftstellerinnen Hilde Spiel und Vicky Baum, die Kunsttherapeutin Edith Kramer oder die Psychoanalytikerin Else Pappenheim. Eugenie Schwarzwald befindet sich 1938 auf einer Vortragsreise in Dänemark, von der sie aufgrund des Anschlusses Österreichs an Hitlerdeutschland nicht mehr zurückkehrt. Sie stirbt ein Jahr nach ihrem Mann Hermann Schwarzwald, der ihr ins Schweizer Exil gefolgt ist, 1940 in Zürich. Ihre Schulen werden von den Nationalsozialisten geschlossen, ihr Vermögen liquidiert und viele ihrer Schülerinnen verfolgt und vertrieben.
Literatur: Hans Deichmann, Leben mit provisorischer Genehmigung. Leben, Werk und Exil von Dr. Eugenie Schwarzwald (1872 – 1940), Verlag Wolf Peterson, Wien, 1988

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