CfP: Szenen von Widerspenstigkeit (Publikation); DL: 17. Mai 2009

Geschlecht zwischen Affirmation, Subversion und Verweigerung Widerspenstigkeit gegenüber sozialen und kulturellen Ausformungen von Geschlecht, wie sie im geplanten Sammelband thematisiert werden soll, kann Irritationen und Unbehagen auslösen, indem sie Geschlechtszuschreibungen offen legt. So wird das Spektrum möglicher Geschlechterkategorien unter Umständen erweitert, sei es durch die Intention, die Geschlechterordnung bewusst infragezustellen, sei es als unbewusster Akt. Widerspenstigkeit lässt sich als das beschreiben, „was sich nicht fügt, was sich nicht glätten läßt. Eine dumme Haarsträhne oder eine Falte, die sich unerwünscht aufgeworfen hat und nur mit besonderen Mitteln, mit technischem Aufwand oder mit Desinteresse zu bewältigen ist. Oder aber mit Humor“ (Ute Vorkoeper, 2000).

Widerspenstigkeit manifestiert sich in verschiedenen historischen Situationen und kulturellen Räumen. Das Interesse dieses Bandes liegt in der Analyse desjenigen Moments, in dem „Szenen von Widerspenstigkeit“ in Affirmation, Subversion oder in eine spielerische Verweigerung von Geschlecht umschlagen. Wie lässt sich dieses Kippen theoretisch fassen und welche Kriterien sind für den jeweiligen Effekt ausschlaggebend?

Verschiedene theoretische Konzepte bieten sich für die Analyse der Szenen von Widerspenstigkeit an, um insbesondere im inter- und transdisziplinären Austausch Kriterien zu benennen, die zu Affirmation, Subversion oder spielerischer Verweigerung führen. In Anlehnung an Michel Foucaults Konzept der Genealogie kann z.B. nach der jeweiligen historischen Konstitution von Subjekten und Machtstrukturen gefragt werden. Dabei geht es nicht um einen totalen Zugriff auf Individuen, sondern um ein „sich ständig verlagerndes Machtspiel von Bewegungen und Gegenbewegungen, von Zugriffsversuchen und Widerspenstigkeiten“ (Reiner Keller, 2008, 97).

Die folgenden Ansätze aus der Geschlechterforschung teilen die genealogische Idee Foucaults und können sich daher als fruchtbar für die Untersuchung von Widerspenstigkeit erweisen.

Performanz
Voraussetzung einer gesellschaftlich anerkannten und lesbaren Geschlechtsidentität ist nach Judith Butler die Orientierung an der heterosexuellen Matrix mit ihren eindeutigen Zuordnungen von sex, gender und desire. Da sich die Herstellung dieser Geschlechtsidentität performativ vollzieht, also zitathaft und kontinuierlich, interessieren im Rahmen dieses Konzepts die Beschreibung und Analyse einzelner performativer Akte von Geschlechtsidentität sowie ihr Gelingen oder Verfehlen: Wo verläuft der Grat zwischen gesellschaftlich anerkannter und nicht-anerkannter Performanz von Geschlechtsidentität? Welche Inszenierungen führen zu Irritationen? Kann man beobachten, an welchen Punkten die Performanz aus der Lesbarkeit herausfällt und an welchen Punkten sie wieder verständlich wird?

Mimesis
Das Spiel der Mimesis, wie es Luce Irigaray als Strategie der subversiven Wiederholung, der parodistischen Verschiebung und Vervielfältigung vorschlägt, ist ein weiteres Konzept, das verschiedene Szenen von Widerspenstigkeit zu verknüpfen vermag. Nach Irigaray ist Mimesis eine systemimmanente Möglichkeit des Widerstands. Grundlagen der geltenden symbolischen Ordnung können mit ihrer Hilfe als kontingente Setzungen ausgestellt und in Frage gestellt werden: In welchen Szenen werden hegemoniale Repräsentationsmuster durch offensichtliche Nachahmung so wiederholt, dass sie parodiert und verschoben werden? Wie
gestaltet sich die Gratwanderung zwischen Erfüllung und Verschiebung der Norm? Sind Bedingungen benennbar, unter denen die Differenz zwischen Norm und nachahmender Aktualisierung dieser Norm aufrechterhalten werden kann, so dass es nicht zur Affirmation des herrschenden Systems kommt?

Mimikry
Weiter interessiert die Differenz zwischen Bild und Abbild, Vorbild und Nachbildung, Original und Kopie etc., welche Mimikry nach Homi Bhaba ausmacht: Es ist „fast dasselbe, aber nicht ganz“ (Homi K. Bhaba, 2007, 132). Die Verschiebung liesse sich beispielsweise beschreiben als Unterschied zwischen Engländern und Anglisierten im kolonialen Kontext. Das Aufheben dieser Differenz erscheint zugleich begehrenswert und bedrohlich. So, wie Dekonstruktionen und Rekonstruktionen von Geschlechterdifferenz zugleich wünschenswert, ambivalent oder gefährlich erscheinen können.

Struktur und Aufbau der Publikation
Das Erkenntnisinteresse der Publikation besteht darin, die Vielfalt der genannten Konzeptionen aufzuzeigen und die verschiedenen Facetten und Anwendungen der Begriffe miteinander ins Gespräch zu bringen. Ziel ist es, den interdisziplinären Austausch auch mittels Struktur und Aufbau der Publikation zu fördern: Die Aufsätze werden zu thematischen Einheiten zusammengefasst. Die gemeinsame Bewerbung mehrerer Verfasser_innen zu einem übergeordneten Thema wird begrüsst. Ebenso ist der Dialog zwischen den Autor_innen innerhalb eines Panels erwünscht, beispielsweise in Form einer gemeinsamen Zwischenbilanz.

Wenn das Buchprojekt Ihr Interesse geweckt hat, senden Sie bis zum 17. Mai 2009 ein Kurzexposé (höchstens 2500 Zeichen) zu Ihrem Artikel an: sammelband-genderstudies#unibas.ch. Die Herausgeberinnen freuen sich auf zahlreiche interessante Eingaben.

Zitierte Quellen

Ute Vorkoeper, 2000, „Als ob es möglich wäre. Make dreams come true“, 24.03.09.; Reiner Keller, 2008, Michel Foucault, Konstanz; Homi K. Bhaba, 2007, Die Verortung der Kultur, Tübingen.

Quelle: FEMALE-L@JKU.AT

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