Vortrag: Anton Tantner: ‚Schlurfs‘ und die internationale Jazz-Jugendsubkultur, 22.05.2014, Wien

Vortrag zur Rauminstallation „Schlurfs in der Tanzschule Schwarzer Panther“ von Alfred Burzler und Irma Denk bei SOHO in Ottakring (Infos)
Zeit: Donnerstag 22.5.2014, 19 Uhr
Ort: Gomperzgasse 1-3, Souterrain, 1160 Wien (Straßenbahnlinie 44, Station Liebknechtgasse)
Die Jahre 1933 bis 1945 markieren die goldene Ära der großen amerikanischen Swingbands. Genau im selben Zeitraum regierte in Deutschland – und während der Kriegsjahre fast in ganz Europa – der Faschismus. So waren Jazzmusik und die dazugehörigen Tänze Lindy Hop bzw. Jitterbug – gerade am Höhepunkt ihrer Bedeutung als amerikanische Populärkultur – in weiten Teilen Europas offiziell als ‚entartet‘ diffamiert. Aber Jazz ließ sich nicht einfach abstellen. Es scheint fast als wären die amerikanische Kulturprodukte durch ihre Ächtung für junge Menschen noch anziehender geworden. Jedenfalls entwickelten sich in größeren deutschen Städten, aber auch im besetzten Frankreich oder im Gebiet des heutigen Tschechien Jugendsubkulturen, die im Hinblick auf die NS-Propaganda resistent blieben und ihre Haltung mit der demonstrativen Begeisterung für die anglo-amerikanische Musik- und Tanzkultur befestigten. In Wien hießen diese Jugendlichen Schlurfs. Die Schlurfs waren Teenager aus den Arbeiterbezirken, die in den Jahren des Zweiten Weltkriegs einen hedonistisch geprägten Dandy-Stil etablieren wollten.
 
Durch diese Lebensart gerieten sie mehr und mehr in Opposition zum NS-Regime, das seinerseits besonders rigide Jugendschutz-Verordnungen erlassen hatte. Als Stil-Vorbilder dienten den männlichen Schlurfs amerikanische Jazz- Jugendkulturen wie z. B. die ‚Zoot-Suiters‘, die das Haar lang trugen, im Nacken zum ‚Ducktail‘ frisiert und dazu überlange Sakkos. Die Mädchen – die ‚Schlurfkatzen‘ bzw. die ‚Modepuppen‘ – gaben sich dazu so amerikanisch wie möglich. Die Schlurfs verweigerten sich weitgehend den NS-Jugendorganisationen und erklärten die Lokale im Prater quasi zu ihrem Hoheitsgebiet. Dabei scheuten sie auch wiederholte Raufhändel mit HJ-Angehörigen nicht, die dann in größeren Gruppen wiederum Jagd auf Schlurfs machten. Aber auch unter den verschiedenen ‚Platten‘ (Gangs der Schlurfs) gab es Revierkämpfe, die mit Springmessern und Schlagringen ausgetragen wurden. Gegen Kriegsende spitzte sich die Lage zu und kurz vor seinem Zusammenbruch verschärfte das Nazi-Regime seine Gangart: Im Herbst 1944 wurden Jugendliche in einer Tanzschule von der Gestapo aufgegriffen und in Lagerhaft verbracht. Tanzschulen waren typische Schlurf-Treffs. Trotz des generellen Tanzverbots blieben die ‚Lehreinrichtungen für Tanz‘ bis Kriegsende geöffnet und besonders bei den sogenannten ‚Perfektionen‘ am Wochenende konnten Schlurfs auf amerikanische Tanzmusik hoffen. Auf einer HJ-Arbeitstagung im Jahr 1942 wurde daraufhin diskutiert, wie man ‚Schlurfs und Modepuppen‘ von den Tanzschulen fernhalten könne. Die auf derselben Veranstaltung geforderte ‚Tanzschule der Hitlerjugend‘ gelangte aber nie zur Ausführung.
Die Rauminstallation ‚Schlurfs in der Tanzschule Schwarzer Panther‘. (‚Schwarzer Panther‘ ist der deutsche Titel der Jazznummer und Schlurf-Hymne ‚Tiger Rag‘) versucht mit Musik und Tanz an diese Wiener Jugendsubkultur der 1940er Jahre zu erinnern. Im fingierten Ambiente von damals tanzen ‚Schlurf‘ und ‚Schlurfkatz‘ den Lindy Hop und sind bereit interessierten BesucherInnen ein paar Grundschritte des Swing-Tanzes beizubringen. Und wer sich noch an die Schlurfs von Ottakring erinnern kann oder wer sonst Geschichten über die Schlurfs zu erzählen weiß, ist herzlich eingeladen, diese mitzuteilen.“
Weitere Informationen: http://www.sohoinottakring.at/de/2014/04/schlurfs/

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