Bernhardine Alma (geb. 1895) war in einer gutbürgerlichen Wiener Familie aufgewachsen. Von 1908 bis 1979 führte sie ihr Tagebuch, das schließlich 47 Bänden umfasste, die geschätzt 25.000 Einträge enthalten. Im Sommer 1917 war die 22jährige in Jaro G. verliebt. Sie hatte den jungen Mann in einem Krankenhaus kennengelernt, wo sie regelmäßig Soldaten besuchte. Vor einigen Wochen war er wieder zum Frontdienst eingezogen worden. Nun hoffte die Schreiberin um so mehr auf ein baldiges Kriegsende.
16. IX. 17. Nachmittag, Sonntag.
Manchmal war’s mir, als könnte die Trennung vom Jaro auf mich ernüchternd wirken, als könnte das Hofmachen vom H. und L. [vermutlich zwei Kollegen beim Roten Kreuz] (der übrigens nach Milos Erkundigung Millionär sein soll) jenes Interesse und jene Bewunderung, die sich nicht in Worten, sondern im ganzen Wesen mir gegenüber ausdrückt, mich vom Jaro ablenken. Diese Gedanken sind ein Unsinn, vielleicht wär’s mir besser, wenn ich ihn nicht so gerne hätte, aber ich habe ihn sehr, sehr gerne; und ich wollte, er wäre da und ich dürfte ihn küssen! Ich habe ihn tief und aufrichtig gerne – wirklich und echt – und immer! – Ich glaube beinahe, daß heuer noch Frieden wird! – – Die Großeltern sind da und die Cora mit der Kleinen [die ältere Schwester der Schreiberin mit ihrer neugeborenen Tochter]. Das Kind ist riesig herzig, aber ich hab lieber, wenn sie nicht da sind. Cora kommt auch so zeitlich und muß doch merken, daß Ma [die gemeinsame Mutter] nicht entzückt ist davon. – Gestern bekam ich einen Brief von der Elsa [?]. Meine Jaro-Antwort habe ich schon aufgegeben, gestern. Heute empfing ich das Wunder der hl. Communion nach vorheriger Beichte. Was los ist, wenn ich wieder Zwetschkenknödel mache? Heute machte ichs. Gestern St.E.G. [vermutlich eine bestimmte Pfarrkirche] (…)
19. September 1917. abends.
Heute bekam ich eine liebe, sehr liebe Karte „Hochverehrtes Fräulein Hedy! Endlich erhielt ich die von Ihnen lang ersehnten Zeilen, die mir eine große Freude bereiteten und wofür ich mich herzlich bedanke. Gott schützt mich und läßt mich leben. Habe jetzt viel Arbeit – doch geht’s noch – Brief folgt! Mit Handküssen und herzlichen Grüßen ihr ergebener[“] – Ich bin Gott sehr dankbar dafür und möchte den Brief schon haben! Ich habe ihn ja doch so unsagbar gerne! – – Das Wetter ist sehr heiß, aber schön dabei. Die Luft ist wie eine warme Liebkosung – wie ein schwüles Küssen! – Gestern war ich wieder beim H. drinnen und er wieder sehr nett. Der Dr. L. kam heute und gestern zu meinem Tisch. Er konnte diesmal doch nicht finden, daß ich schlecht ausschau. Heute ging ich früher fort und ein Stückerl mit der Frl. P. Heute St.E.G. Gestern vorm R.K. [Rotes Kreuz] O.F.T. [?] – Ich glaube so sehr, daß der Krieg heuer noch ein Ende nimmt. – Das steht auch häufig in der Zeitung und man hört es so viel! – Ich habe den Jaro so sehr lieb! D.W.g.! –
Sammlung Frauennachlässe NL 09
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Die Verwendung der Namen der Schreiber/innen und ihrer Familien folgt den vertraglichen Vereinbarungen der Sammlung Frauennachlässe mit den Übergeber/innen. In den Dokumenten genannte Namen dritter Personen werden aus Datenschutzgründen anonymisiert.
- Zum Tagebuch von Bernhardine Alma im Ersten Weltkrieg siehe auch: Ulrike Seiss, “… ich will keinen Krieg oder als Krankenschwester mit!” Selbstinszenierungen, Kriegsrezeption und Männlichkeitsbilder im Tagebuch einer jungen Frau im Ersten Weltkrieg, Wien, Diplomarbeit, 2002 sowie weiters https://ww1.habsburger.net/de.
Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 114, Tagebuch von Bernhardine Alma, Datum, SFN NL 09, unter: URL