Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 109: Tagebuch von Bernhardine Alma, 24. Juli 1917, Wien

NL 09 Alma Bernhardine 1917 07 24Bernhardine Alma (geb. 1895) besuchte seit 1916 verwundete Soldaten in Krankenhäusern, um ihnen kleine Geschenke zu bringen und Gesellschaft zu leisten. Dabei hatte sie den aus Mähren stammenden Jaro G. kennengelernt. Nachdem beide – aufgrund von Missverständnissen – über Monate keinen Kontakt gehabt hatten, besuchte er sie im Sommer 1917 überraschend, als er sich in Wien auf Fronturlaub befand. Neben detaillierten Berichten aus dem sozialen Umfeld der Diaristin beschreibt sie immer wieder auch kurz die verschiedenen Strategien, wie sie an Lebensmittel oder Kohlen für den großen Familienhaushalt gelangte.

24. VII. abends. Dienstag.
Folgende 2 Karten erhielt ich heute aus Bad Luhacovic [Wo Jaro G. gerade auf Besuch bei seiner Familie war]: Hochverehrtes Fräulein! Denke wenn Sie’s auch nicht glauben wollen, viel an Sie. Werde noch eine Tage bei meinem Papa verweilen, dann komme ich auf einige Tage nach Wien und dann heißt’s leider wieder an die Front! Mit Handküssen und Empfehlungen zu Hause Ihr ergebener – Hochverehrtes Fräulein! Obwohl Sie mir wenig, sagen wir überhaupt nicht glauben, so sende ich Ihnen die aufrichtigsten Grüße und Handküsse Ihr ergebener – Beide waren vom 21.d. datiert u. gestempelt. Auf einer Adresse schrieb er Hedchen, auf der anderen Hederl. Mir gefällt seine Schrift so gut! Ich glaube, daß er morgen da sein wird. Hoffentlich bestätigt sich dieser Glaube! Ich habe ja wieder so Sehnsucht nach ihm! Seine Eltern müssen riesig stolz auf ihn sein. Ich bin glücklich, daß er nicht irgendwie beleidigt ist.
Samstag beichtete ich bei unserem Pfarrerl, der mir dann gleich die kleine Madonna [ein kleines, christliches Mitbringsel] für Jarerl [Kosename für Jaro] weihte. Sonntag empfing ich die heilige Communion. Nachmittag war die Cora mit der Kleinen da [Cora von St., die 1890 geborene Schwester der Schreiberin, hatte im Sommer 1916 geheiratet und war inzwischen Mutter eines Säuglings]. Co will durchaus wieder zu uns ziehen, aber Ma [ihre gemeinsame Mutter] will natürlich nicht. Dann wollte Cora, daß ich zu ihr ziehe, was Ma aber gar nicht ernst zu nehmen scheint. Ich will auch nicht, obgleich mir die Cora leid tut, wenn sie so sagt, daß ihr der Sergius [Ehemann der Schwester] nie Noten gebracht hat etz. [vermutlich Musiknoten für die Hausmusik]. Die kleine Ilsa [?] wird riesig hübsch und herzig.

Gestern ging ich ins R.K. nachschauen. [Die Schreiberin versah seit eineinhalb Jahren im Roten Kreuz Schreibarbeiten. Derzeit hatte sie Urlaub.] Es waren für mich belanglose Postsachen und dann die Familie Dr. Kellermann retour gekommen. [Ein Fortsetzungsroman, den die Diaristin bei einer Zeitschrift eingereicht hatte.] Der N. [vermutlich ein Kollege beim Roten Kreuz] ist ein netter Junge. Ich glaube aber, daß sich der H. ärgert, wenn ich mir ihm spreche. Er kam aber trotzdem zu mir her. Wie schnell mir das R. K. im Inneren fremd geworden ist. Und wie nahe mir der Jaro bei jeder Trennung steht! – Heute O.F.T. [?]

Gestern bekam ich per Nachnahme 2 ½ kg Kartoffelmehl von der Elsah. Das „Seemannslos“ [Musikstück für Klavier] ist reizend! Ich möchte es gerne recht schön spielen können! – Wenn das Jarerl nur nicht an die Front müßte! D.W.g. [Dein Wille geschehe]! –

Sammlung Frauennachlässe NL 09
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  • Zum Tagebuch von Bernhardine Alma im Ersten Weltkrieg siehe auch: Ulrike Seiss, “… ich will keinen Krieg oder als Krankenschwester mit!” Selbstinszenierungen, Kriegsrezeption und Männlichkeitsbilder im Tagebuch einer jungen Frau im Ersten Weltkrieg, Wien, Diplomarbeit, 2002 sowie weiters https://ww1.habsburger.net/de.

Die Verwendung der Namen der Schreiber/innen und ihrer Familien folgt den vertraglichen Vereinbarungen der Sammlung Frauennachlässe mit den Übergeber/innen. In den Dokumenten genannte Namen dritter Personen werden aus Datenschutzgründen anonymisiert.

Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 109, Tagebuch von Bernhardine Alma, Datum, SFN NL 09, unter: URL