Buchpräsentation: Maria Prieler-Woldan: Das Selbstverständliche tun. Die Salzburger Bäuerin Maria Etzer und ihr verbotener Einsatz für Fremde im NS, 22.05.2018, Wien

Kulturzentrum Amerlinghaus
Zeit: 22.05.2018, 19.00 Uhr
Ort: Amerlinghaus, Stiftgasse 8, 1070 Wien
Die 53-jährige Witwe, Bergbäuerin, Mutter und Pflegemutter Maria Etzer wird 1943 bei der Gestapo denunziert. Sie sei männersüchtig, vernachlässige ihre Wirtschaft und unterhalte ein intimes Verhältnis zu drei Kriegsgefangenen. Maria Etzer wird wegen „verbotenen Umgangs“ mit Kriegsgefangenen zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Wer hat sie denunziert? Ein Nachbar oder gar jemand aus der Familie?
Nach ihrer Entlassung 1945 konnte sie jahrelang nicht in ihren Heimatort zurückkehren. Die katholische Bergbäuerin und Hitlergegnerin bemühte sich nach Kriegsende erfolglos um eine Opferfürsorgerente: Der bei ihr eingesetzte Kriegsgefangene sei ein fleißiger und williger Arbeiter gewesen, und so habe sie ihn auch behandelt. Die „Schande“ blieb jedoch an ihr haften, bis heute – wie auch an anderen Frauen aus dem Salzburgerland, die ähnlichen Vorwürfen ausgesetzt waren.
Aus Erinnerungen der Enkelinnengeneration und Akten von Zuchthaus und Opferfürsorge wird die Geschichte von Maria Etzers nachgezeichnet. Das Buch entwirft dabei ein neues Konzept von weiblichem Widerstand als „Lebenssorge“ und rückt eine bislang kaum untersuchte Opfergruppe des NS, die noch auf Rehabilitierung wartet, in den Fokus.
Detailreich werden Verrat und Verfolgung durch den NS beschrieben und dieser Fall mit ähnlichen, anderen ,Bettpolitischen‘ verglichen.“ Das Thema wurde nicht nur von staatliche Behörden, sondern auch in der Wissenschaft lange Zeit nicht behandelt: „Erst 2001 taucht das Thema der ,Geschlechtsverkehrsverbrechen‘ am Österreichischen Zeitgeschichtetag auf.“ (Augustin, 456, April 2018)
„Lebenssorge fängt dort an, wo eine(r) sich selbst Mitgefühl erlaubt, obwohl es von einem totalitären Regime verboten ist (…) Der Blick der Liebe im weitesten Sinn gilt einem Individuum, (…) – auch wenn ihn oder sie eine willkürlich gesetzte Norm als minderen Menschen definiert, dem kein Ansehen, keine Sorge und Fürsorge zusteht – und auch keine Sorglosigkeit: keine Freizeit, kein Fest und (…) kein sexuelles Glück, kein Leben, kein Überleben.“
(Maria Prieler-Woldan)
Maria Prieler-Woldan (Hg.): Das Selbstverständliche tun. Die Salzburger Bäuerin Maria Etzer und ihr verbotener Einsatz für Fremde im Nationalsozialismus. Mit einem Nachwort der Enkelin Brigitte Menne, StudienVerlag 2018. (Verlagsankündigung)
Die Autorinnen sind anwesend. Eintritt frei.