CfP für Heft 02/2008 der Femina Politica: Repräsentation im Wandel, Deadline: 07.01.08

Seit zwei Jahren regiert in Deutschland eine Bundeskanzlerin. Die erste Überraschung darüber ist verflogen und anders als im Wahljahr selbst wird „Geschlecht“ kaum mehr thematisiert, wenn es um Entscheidungen, Regierungsstil oder Auftreten von Frauen in politischen Spitzenfunktionen geht. Hat sich damit das einst zentrale Thema „Frauen in der (institutionellen) Politik“ der alten Frauenbewegung und der politikwissenschaftlichen Frauen- und Geschlechterforschung erledigt? Ganz sicher nicht. Zum einen ist die politische Sphäre noch immer eine männliche Domäne, und es sind überwiegend Männer, die auf nationaler, europäischer und weltweit transnationaler Ebene die politischen Entscheidungen treffen. Zum anderen erfolgt die geschlechterdifferenzierte Verteilung der politischen Positionen zumeist entlang der Achse von „weichen“
Politikfeldern wie Familien-, Gesundheits- und Bildungspolitik einerseits und „harten“ Politikfeldern wie Außen-, Finanz- oder Sicherheitspolitik andererseits.
Jenseits dieser noch immer deutlichen deskriptiven Unterrepräsentation von Frauen in Parteien,
Parlamenten und Regierungen steht das Beispiel Angela Merkel – und anderer exponierter Politikerinnen – stellvertretend für das insbesondere in der feministischen Auseinandersetzung diskutierte Spannungsverhältnis zwischen der (symbolischen) Vertretung einer Gruppe (Frau sein bzw. „standing for“) und dem (substanziellen) Handeln für eine Gruppe (für Frauen handeln bzw. „acting for“). Zugespitzt lautet die Frage, ob Frauen an der politischen Spitze zu einer besseren Repräsentation oder Interessenvertretung von Frauen beitragen. Eine Analyse dieses Spannungsverhältnisses kann z.B. entlang der von Judith Squires vorgeschlagenen vier einfachen
Interrogativpronomen „was, wie, wo und weshalb wird repräsentiert?“ durchgeführt werden. Aus einer feministischen Perspektive geht es somit zum einen darum, wie der Anteil von Frauen in der institutionellen Politik erhöht werden kann. Hierfür ist es erforderlich, die formellen und informellen Barrieren (z.B. Sozialisationsmuster, Rekrutierungs- und Wahlverfahren, männlich geprägte politische Kultur, männerbündische Strukturen) einer gleichberechtigten Teilhabe bzw. Repräsentation von Frauen zu analysieren sowie nach Verknüpfungen zwischen diesen Faktoren zu suchen.
Zum anderen steht die Frage im Raum, ab welcher Schwelle eine numerische Erhöhung von Frauen zu qualitativen Veränderungen führt (z.B. im Rahmen der „Critical-Mass“-Theorie). In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch kritisch zu diskutieren, mit welchen Erwartungen und Inhalten eine verstärkte Repräsentation von Frauen verbunden wird. Die Erkenntnis, dass es sich bei Frauen um keine homogene Gruppe mit kollektiver Identität und kollektivem Interesse handelt sowie die Überschneidung von verschiedenen Ungleichheitsdimensionen, wie sie im Zuge der Auseinandersetzung über Intersektionalität herausgearbeitet wurde, hat die Existenz von Fraueninteressen in Frage gestellt. Die Ersetzung des Begriffes Interesse durch Bedürfnisse – wie sie von Anne Phillips in die Debatte gebracht wurde – knüpft an die Überlegung an, dass es
lebenslaufspezifische geteilte Problemlagen von Frauen gibt (z.B. Kinder und daraus folgend die Herausforderung, Vereinbarkeits- und Careprobleme zu lösen).
Darüber hinaus fokussiert die (feministische) Repräsentationsforschung bislang die institutionelle
Politik, insbesondere Parteien und Parlamente. Es ist allerdings zu beachten, dass bestimmte Themen auf ganz anderen Ebenen verhandelt werden (supra-national, regional und lokal). Zugleich bleibt möglicherweise eine substantielle Repräsentation von Frauen in den demokratisch legitimierten Arenen insofern ohne substantielle Einflussnahme, weil diese selbst an Bedeutung verlieren („Entmachtung der Parlamente“) gegenüber Lobbygruppen, Wirtschaftsverbänden, der Ministerialbürokratie etc. Dies betrifft auch eine verstärkte
Demokratisierung von Entscheidungsprozessen: Einerseits wird mit der Governance-Diskussion Hoffnung auf eine weitere Demokratisierung gesetzt, da damit häufig inklusive, partizipatorische Verhandlungsregime und die
Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Akteure verbunden werden. Damit können sich potenziell die Einflusschancen von Frauen verbessern. Andererseits ist jedoch zu beobachten, dass zunehmend politische Entscheidungen faktisch von ökonomischen Interessen und Interessengruppen beeinflusst werden, deren Repräsentanten nicht nur nicht demokratisch legitimiert sind, sondern die sich darüber hinaus vielfach als elitärer Männerclub beschreiben lassen.
Wir bitten deshalb um die Einreichung von Abstracts zu den folgenden
Themenfeldern:
I. Deskriptive Repräsentation
Empirische, auch international vergleichende Beiträge, die sich mit den kulturellen, institutionellen und sozialstrukturellen Determinanten der (Unter-)Repräsentation von Frauen in der Politik auseinandersetzen. Darüber hinaus von Interesse sind Beiträge, die sich mit der medialen Darstellung von Politikerinnen und ihrer inhaltlichen Politik auseinandersetzen.
II. Substanzielle Repräsentation
Die Auseinandersetzung über Repräsentation ist eng verbunden mit der Frage, welche inhaltlichen Erwartungen mit einer stärkeren Repräsentation von Frauen verbunden werden. Gibt es so etwas wie eine Politik für Frauen? Und wenn ja, wie sähe diese aus? Bedarf es eines „strategischen Essentialismus“ (Benhabib)? Was zeichnet eine Politik aus, die mehr Geschlechtergerechtigkeit herstellt? Verändert sich durch die Teilhabe an Macht die Haltung gegenüber tendenziell eher machtlosen Gruppen?
III. Politik als Beruf ? Professionalisierung und Selbstverständnis Max Webers Konzept „Politik als Beruf“ ist kein geschlechtsneutrales Konzept, sondern ist zum einen von männlich geprägten Begriffen und Kategorien bestimmt (z.B. Führer, Held, Brüderlichkeit), zum anderen wird Weiblichkeit mit Unfähigkeit gleichgesetzt. Wie könnte eine Reformulierung dieses Konzeptes aussehen? Hat sich das Berufsbild von PolitikerInnen
insgesamt gewandelt und wenn ja, mit welchen Attributen ist es versehen? Unterscheiden sich die Berufsbilder oder das Selbstverständnis von Politikerinnen und Politikern? Und welcher Zusammenhang besteht zwischen Politik und Persönlichkeit?
IV. Macht und Einfluss jenseits der institutionellen Politik Welche Gruppen bzw. Organisationen sind neben Parteien und Parlamenten am politischen Entscheidungsprozess beteiligt? Auf welchen Ebenen agieren sie, und wie sehen die Politikformen aus? Nach welchen Verfahren erfolgt ihre Zusammensetzung, und wie sind
Frauen darin vertreten? Welche Chancen bzw. Barrieren bestehen für die Umsetzung von Geschlechterpolitiken?
Der Schwerpunkt wird inhaltlich von PD Dr. Beate Hoecker (Gastherausgeberin) und Dr. des. Alexandra Scheele (Redaktion) verantwortet.
Wir bitten um ein- bis zweiseitige Abstracts (per mail) bis zum _7. Januar 2008_ an
PD Dr. Beate Hoecker (b.hoecker#ipw.uni-hannover.de) oder an
Dr. des. Alexandra Scheele (ascheele#unipotsdam.de)
Die Femina Politica versteht sich als feministische Fachzeitschrift und fördert Frauen in der Wissenschaft. Deshalb werden inhaltlich qualifizierte Abstracts von Frauen bevorzugt.
Die Herausgeberinnen werden auf der Basis der eingereichten Vorschläge Beiträge auswählen und die AutorInnen benachrichtigen. Der Abgabetermin für die fertigen Beiträge im Umfang von 25.000 bis max. 30.000 Zeichen (inklusive Leerzeichen) ist der 15. Mai 2008.
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Redaktion der Femina Politica
Zeitschrift für feministische Politik – Wissenschaft
c/o Humboldt Universität Berlin
Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät
Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaus
Luisenstr. 56, 10099 Berlin
E-Mail: redaktion#femina-politica.de
Web: http://www.femina-politica.de

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