Dissertationsprojekt von Corinna Oesch zu Yella Hertzka

Yella Hertzka (1873-1948). Handlungsräume und Vernetzungen in der österreichischen und internationalen Frauen- und Friedensbewegung
Yella Hertzka (geb. Fuchs 1873 in Wien – gest. 1948 in Wien) war eine der wichtigsten Protagonistinnen der österreichischen und internationalen(1) Frauenbewegung und Friedensbewegung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dennoch liegt bis dato keine Monografie über ihre frauenpolitische und pazifistische Arbeit vor. Auch fehlen bislang biografische Rekonstruktionen zu Personen aus ihrem Umfeld und eine Untersuchung der frauen- und friedensbewegten Netzwerke, in denen Yella Hertzka ihr Engagement umsetzen konnte.(2) Ebenso ausständig ist die Aufarbeitung der Geschichte des österreichischen Zweiges der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF)(3), in der Yella Hertzka seit ihrer Gründung eine führende Position einnahm. Nicht zuletzt durch ihre mehrfache Stigmatisierung als Frauen- und Friedensrechtlerin, Jüdin und Emigrantin geriet Yella Hertzka im Nachkriegsösterreich in Vergessenheit.
Ziel meiner Arbeit bildet einerseits eine biografische Annäherung an Yella Hertzka und andererseits eine Rekonstruktion ihrer Vernetzungen, die Einsichten in Bewegungskulturen und Bewegungsöffentlichkeiten vermitteln sollen. Der von mir gewählte biografietheoretische Zugang zu Yella Hertzka basiert auf einer Analyse ihrer wichtigsten Handlungsräume. Meine Auswahl der Handlungsräume – es sind dies: 1. Ein Frauenklub in Wien, 2. Der Bund Österreichischer Frauenvereine (BÖFV), 3. Gartenbau und Schulgründung, 4. Eine Kolonie am Kaasgraben, 5. Die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF), 6. Der Musikverlag Universal Edition, 7. Emigration – stützt sich auf einen Vergleich von Lexikonartikeln und bisher getätigter weiterführender Recherchen.(4)
In der Rekonstruktion von Vernetzungen ist mein Fokus auf frauen- und friedensbewegte Zusammenhänge im Umfeld Yella Hertzkas gerichtet, wobei auch Personen und Institutionen jenseits der organisierten Frauenbewegung – wie z.B. andere Friedensorganisationen(5) oder der Völkerbund(6) – , die einzelne Handlungen mitgetragen, unterstützt oder auch behindert haben, in den Blick genommen werden sollen. Ein Schwerpunkt meiner Arbeit liegt in der Erforschung und Darstellung der transnationalen Beziehungen von Yella Hertzka, die in besonderem Maße in ihrer Funktion als gewählte Vertreterin des Exekutivkomitees der Internationalen Frauenliga und des österreichischen Zweiges der Frauenliga Ausdruck fanden.
Während im ersten Teil meiner Dissertation die vielfältigen Handlungsräume von Yella Hertzka untersucht werden sollen, analysiere ich im zweiten Teil die Verbindungen zwischen Personen, Vereinen und Organisationen der Frauenbewegung in ihrem Umfeld. Im Übergang vom ersten zum zweiten Teil findet ein Perspektivenwechsel statt. Nach einer Fokussierung auf Yella Hertzkas vielfältige Handlungsräume ist mein Interesse im zweiten Teil auf die Erforschung von Frauenbewegungszusammenhängen gerichtet. Genauer beleuchtet werden sollen jene Unterstützungsnetzwerke, die den Hintergrund von Yella Hertzkas Engagement bildeten. Nicht mehr die Aktivitäten und Handlungsweisen einer einzelnen Person, sondern eines breiten Personenspektrums, das eine Vielzahl an Stimmen, Kontexten und Themen impliziert, sind Ziel meiner Analyse von Bewegungskulturen und Bewegungsöffentlichkeiten. Im Spannungsbogen zwischen einer subjektzentrierten und einer subjektkritisch-dezentrierten Perspektive(7) möchte ich Fragen nach biografischen De/Konstruktionen auf der einen und Darstellungsweisen von Frauenbewegungsgeschichte auf der anderen Seite aufwerfen und diskutieren.
Fussnoten:
1) Da der Begriff „international“ vielfach in der Bedeutung von „weltweit“ verwendet wird, ergeben sich Probleme durch die Nicht-Repräsentation zahlreicher Bevölkerungsgruppen in „internationalen“ Vereinigungen. Zur Frage der Internationalität der Women’s International League for Peace and Freedom vgl. Joyce Blackwell, No Peace without Freedom. Race and the Women’s International League for Peace and Freedom, 1915-1975, Carbondale 2004.
2) Brigitte Rath arbeitet derzeit an einer Biografie zu Olga Misar, mit der Yella Hertzka im österreichischen Zweig der IFFF eng zusammenarbeitete.
3) Engl. „Women’s International League for Peace and Freedom“ (WILPF). Eine Ausnahme bilden die Forschungen von Elisabeth Malleier: Vgl. insbesondere: „Yella Hertzka und Leopoldine Kulka in der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit in Österreich“ in: Elisabeth Malleier, Jüdische Frauen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung 1890-1938. (unveröffentlichter Forschungsbericht), Wien 2001, 108-114.
4) Für alle weiteren Lexikonbeiträge grundlegend ist das ÖBL: Österreichisches Biographisches Lexikon (ÖBL), II. Bd., Graz/Köln 1959, S. 293-294. Ebenfalls Einträge zu Yella Hertzka finden sich in: Felix Czeike, Historisches Lexikon Wien, Bd. 3., Wien 1994, S. 161-162; Rudolf Flotzinger, Österreichisches Musiklexikon, Bd. 2, Wien 2003, S. 743; Ariadne-Datenbank der Österreichischen Nationalbibliothek. Zum ersten Mal (?) in einem Lexikonartikel erwähnt wurde Yella Hertzka 1954 im „Lexikon der Frau“ in einem Beitrag zum Stichwort „Pazifismus“. Vgl. Lexikon der Frau, Bd. 2, Zürich 1954, Spalte 866. In weiteren Lexika wird Yella Hertzka unter dem Namen ihres Ehemannes Emil Hertzka abgehandelt. Vgl. Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG). Personenteil, Bd. 16, Kassel/Basel (u.a.) 1979, S. 673-674; Maria und Richard Bamberger/Ernst Bruckmüller/Karl Gutkas, Österreich Lexikon, Bd. I, Wien 1995, S. 502.
5) Überschneidungen zwischen der Frauenfriedensbewegung und anderen Friedensorganisationen gab es etwa durch Mehrfach-Mitgliedschaften: Olga Misar war nicht nur in der IFFF führend vertreten, sondern auch seit 1923 Vorsitzende des Bundes der Kriegsdienstgegner und Herausgeberin des Mitgliedsblattes des Bundes. Vgl. Gütermann, Die Geschichte der österreichischen Friedensbewegung, S. 67.
6) Vgl. Gertrude Bussey/Margaret Tims, Women’s International League for Peace and Freedom, 1915-1965. A Record of 50 Years‘ Work, London 1965, S. 73-76.
7) Vgl. Sabine Brombach/Bettina Wahrig, LebensBilder: Vorüberlegungen zu einer notwendigen interdisziplinären Debatte, in: Sabine Brombach/Bettina Wahrig (Hg), LebensBilder. Leben und Subjektivität in neueren Ansätzen der Gender Studies, Bielefeld 2006, S. 7-22.

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