Christine Wolf (geb. Lang, geb. 1891) aus Wien war verheiratet mit dem Architekten Leopold Wolf (geb. 1891). Als Soldat hatte der 27-Jährige inzwischen den Rang eines Oberleutnants bei der Artillerie inne, wo er im Frühling 1918 als „Autooffizier“ an Kriegsschauplätzen im Osten eingesetzt war. Christine Wolf hatte seit längerem darauf gehofft, dass ihr Ehemann nach Wien versetzt werden könnte, was sie bei anderen Paaren in ihrem Umfeld offenbar beobachtet hatte. Im März 1918 wendete sich die hochschwangere junge Frau deswegen selbst direkt an einen Beamten in der Kriegsverwaltung, was sie Leopold Wolf im Brief vom 3. März 1918 schilderte.
Wien, 5. III. 1918.
Liebster Poldi!
Also recht schön sitzen wir diesmal in der Patsche drinnen! Heute ist bereits der 5. und von Dir noch keine Spur, wie soll ich mir das erklären.
Ich glaube ich vermute leider nur zu richtig. Ich hörte jetzt schon von mehreren Seiten, daß Urlaubsperre ist, das hat noch gefehlt. Du glaubtest schlechtesten Falles mit einem 14tätigen Urlaub rechnen zu müssen, und nun ist mir scheint kaum das möglich. Ich beschwör Dich liebster Poldi um meiner Gesundheit willen, laß kein Mittel unversucht, von dort wegzukommen, sag wegen dringender Familienangelegenheiten, oder wegen Krankheit Deiner Frau etc., schwatz das Blaue vom Himmel herunter, nur komm. Vielleicht gelingt es Dir dienstlich irgendwie. Erklär das Deinem Hptm. der wird doch hoffentlich kein Barbar sein.
Wenn er Dich dienstlich nach Wien schickt kannst Du kommen. Übrigens hat mir die Oberst B. [vermutlich die Ehefrau eines Oberst namens B.] der ich heute mein Leid geklagt hab, gesagt, wenn Du sagst Deine Frau bedarf Deiner Anwesenenheit wegen dem u. dem müssen sie Dich fortlassen, auch wenn der Pabst nein sagt, Du mußt nur recht energisch sein und nicht nachgeben. Es ist ja nicht einmal eine Lüge, von Deiner Anwesenheit hängt bestimmt sehr viel ab. Ich bin jetzt schon von einer solchen Unruhe u. Unrast erfüllt, daß ich nichts ordentliches zusammen bring. Es regt mich alles derart auf, daß ich mich kaum beherrschen kann. Wie schön wäre es gewesen, wenn Du gestern gekommen wärest, wie es Deine Absicht war und nun bin ich trostloser als je. Mein Gott wann wird denn der Jammer ein Ende nehmen?
Verzeih wenn ich Dir wieder soviel lamentiert hab, liebster Poldi, Dir wird’s zwar auch nicht viel besser gehen gelt, aber in meiner Einsamkeit ist mir gar manchmal so schrecklich zu Mute. Gebe Gott, daß wieder glücklichere Zeiten kommen für uns beide.
Ich weiß nicht schrieb ich Dir schon, daß der Oblt. P. in Wien ist? Er ist vorige Woche gekommen 14 Tage Urlaub, und dann [wird er] Lehrer in der Art.-Auto Schule in Simmering. Seine Frau hat irgendeine Protektion im K. M. [Kriegsministerium] die das durch gestzt hat, u. zwar auch mit der Begründung, daß seine Frau leidend ist (was garnicht wahr ist). Nun, ich gönne es ihnen wirklich, nur frage ich mich warum das auch bei uns nicht möglich ist? Siehst Du, Du darfst Dich nicht so unbedingt drauf steifen, daß bei uns alles anders sein muß, wie bei andern, überhaupt wenns uns zum Guten wäre. Glaubst Du nicht auch? Ich glaub ja! […]
Weißt Du daß ich schon entschlossen war heute ins K. M. zum H. zu gehen? Du staunst über Dein freches Weibi, es tut mir aber nur leid, daß ich mich abhalten hab lassen. Nämlich, Continue reading →