Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 81: Kriegsgefangenenkarten von Georg M. an seine Verlobte in Wien, 30. August 1916, und an Bekannte in Wien, 17. November 1917, Astrachan/RUS

1916 08 30Der Wiener Georg M. (geb. 1884) war als Mannschafts-Soldat an der Front in Russland eingesetzt gewesen, als er im Juni 1916 angeschossen, gefangen genommen und in ein Kriegsgefangenen-Spital in der Stadt Astrachan an der Wolga-Mündung eingeliefert wurde. In den folgenden Monaten schrieb er wiederholt Postkarten an seine Verlobte Juli G. (geb. 1881). Erst Ende August 1916 erhielt er die erste Antwortpost aus Wien. In seinem Schreiben wird auch angesprochen, dass Soldaten oft den Angehörigen von anderen Kriegsteilnehmern informelle Informationen über deren derzeitigen Aufenthalt zukommen haben lassen. (Dazu auch die Postkarte an Familie Hahn aus 1915). Auch werden wieder Geldsendungen genannt, die Kriegsgefangene – wie auch Soldaten – offenbar von zu Hause erhalten haben, und es gibt Hinweise auf Verdienstmöglichkeiten in der Kriegsgefangenschaft.

Karte von Georg M. an die Verlobte Juli G. in Wien

Astrachan, 30. August, 1916     21
Mein liebes Julei!
Heute mit großer Freude Deine Karte erhalten, habe selbe schon mit Sehnsucht erwartet. Herzlichen Dank dafür. Freut mich, alles bei Gesundheit zu wissen, was ich auch fernerhin wünsche. Auch freut mich die Freundlichkeit von P. und K. [zwei Männer aus der Einheit des Schreibers], dass sie Dich verständigten, für das ich ihnen sehr danke, – wäre lieber beim Baon. [Battalion] geblieben. K. war unser Dienstführender und wird wahrscheinlich über höheren Auftrag gehandelt haben. Geld habe ich noch keines erhalten. Telegrafisch dauert unter Umständen länger als der gewöhnliche Postweg, welcher noch der Beste ist. Wenn’s was Neues gibt, teile es mir mit. Auch die Adresse von Franz und Kathi. Hat P. oder K. etwa besonderes geschrieben?
Herzliche Grüsse an Mutter, alle Verwandten u. Bekannten.
Innigste Küsse sendet Dir
Dein Schurlei

Karte von Georg M. an Familie S. in Wien

Astrachan, 17. November 1916
Liebe Freunde!
Von meinem Schicksal werdet Ihr wohl schon benachrichtet sein, nicht wahr. Bin nun schon ganz ausgeheilt, nur bei einiger Anstrengung werde ich leicht noch ermüdet, werde hier in meinem Berufe [als Friseur] verwendet, verdiene mir dadurch auch etwas, was ich zu meiner Aufbesserung verwenden kann, wodurch es mir, den Verhältnissen angemessen gut geht. Leidlich. Mit der Post geht es mir schlecht. Habe erst eine einzige Karte von Julie erhalten und zwar am 29. August. Hoffentlich treffen meine Zeilen alle bei Gesundheit. –
Herzlichste Grüsse an alle welche zur Familie gehören und Bekannte, vom
Hausfreund
Georg

Sammlung Frauennachlässe NL 74
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Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 81, Karten von Georg M. an seine Verlobte Julie M., Datum, SFN NL 74, unter: URL