Der Wiener Georg „Schurlei“ M. (geb. 1884) war im Juni 1916 mit drei Schussverletzungen an den Beinen in ein Kriegsgefangenen-Spital in Astrachan an der Wolga eingeliefert worden. Ohne bisher selbst Post erhalten zu haben, schrieb er seit damals regelmäßig an seine Verlobte Juli „Julei“ G. (geb. 1881), verbunden mit der Sorge um die Gesundheit der Freundin und Grüßen an das soziale Umfeld. Er schilderte seine gute Genesung, die sonst zum Teil wörtlichen Wiederholungen der Inhalte deuten darauf hin, dass Georg M. davon ausgegangen ist, dass nicht jedes Poststück ankommen würde. Im August beschreibt er zudem, sich im Kriegsgefangenen-Lager in seinem Beruf als Friseur verdienen zu können.
Astrachan, 22. Juli, 1916 7
Mein liebes Julei!
Teile Dir höfl. mit, dass ich nunmehr schon ohne Krücken langsam gehen kann. Bin sonst gesund und geht es mir gut. Werde nicht mehr lange im Spital bleiben, verwende daher jetzt unten stehende Adresse. Gerne hoffe ich, dass Dich meine Zeilen bei Gesundheit treffen. Ebenso alle unsere lieben Verwandten und Bekannten. Herzliche Grüsse an Mutterl, alle Verwandte und Bekannte.
Innigste Küsse von Deinem Schurlei
% in Astrachan
Kriegsgefangenen-Lager am Bahnhof
Astrachan, 25. Juli, 1916 8
Mein liebes Julei!
Teile Dir höfl. mit, dass ich ohne Krücken schon leidlich gut gehen kann. Bin sonst gesund und wohlauf. Hoffentlich wirst Du nun doch schon eine Karte von mir erhalten haben. Bleibe mir gesund, mein Julei.
Herzlichste Grüsse an Mutter alle Verwandte und Bekannte.
Innigste Küsse von
Deinem Schurlei
Astrachan, 29. Juli, 1916 9
Mein liebes Julei!
Teile Dir höfl. mit, dass es mir mit dem Gehen täglich besser geht. Bin froh, dass ich die Krücken nicht mehr brauche. Sonst bin ich gesund, was ich auch gerne von meinem Julei hoffen möchte. Wenn nur schon ein Ende abzusehen wäre. Meine erste Karte wirst Du nun doch schon erhalten haben.
Viele Grüsse an Mutter, alle Verwandten und Bekannten.
Innigste Küsse von
Deinem Schurlei
Astrachan, 4. August, 1916 10
Mein liebes Julei!
Teile Dir höfl. mit, dass ich nun schon ganz gut gehen kann. Werde jetzt nur mehr jeden vierten Tag frisch verbunden und daher das Spital bald verlassen und in das hierortige Lager abgehen. Sonst bin ich gesund, was ich auch gerne von meinen lieben Julei hoffen möchte. Bin froh, dass ich meine Glieder wieder in Ordnung gebrauchen kann und kein Rückfall eingetreten ist.
Herzlichste Grüsse an Mutter, alle Verwandten und Bekannten.
Es küsst Dich innigst,
Dein Schurlei
Astrachan, 27. August, 1916 20
Mein liebes Julei!
Teile Dir höfl. mit, dass ich gesund und wohlauf bin. Mit den Füssen geht es immer besser. Von morgen ab werde ich hier in meinem Fache arbeiten und zwar mit hiesigen Werkzeug. Wenn ich von meinem Werkzeug wenigstens nur ein Stück erhalten hätte können, würde ich mir schon öfters etwas verdient haben. So aber habe ich alles eingebüsst, alles. Nun, vielleicht komme ich auch so zu ein paar Kopeken. Vergesse nicht, Julei, alles in Lateinschrift und auf die Doppelkarten gleich die Retour-Adresse drauf zu schreiben. Hoffe gerne auf Deine Gesundheit. Nun werde ich doch bald eine Karte von meinem Julie bekommen.
Herzliche Grüsse an Mutter, alle Verwandten und Bekannten.
Innigste Küsse sendet Dir
Dein Schurlei
Sammlung Frauennachlässe NL 74
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Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 79, Kriegsgefangenenkarten von Georg M. an seine Verlobte Julie M., Datum, SFN NL 74, unter: URL