Vortrag: Norman Domeier: Der Eulenburg-Skandal (1906–1909) und die wissenschaftliche LGBTTIQ*-Politik heute, 10.11.2016, Wien

Institut für Zeitgeschichte: Vortragsreihe INTERAKTIONEN im Wintersemester 2016/17
Zeit: Do., 10.11.2016, 12:00 Uhr
Ort: Institut für Zeitgeschichte, Spitalgasse 2-4/Hof 1, 1090 Wien
Zu Beginn des 20. Jhds. erschütterte der Sturz von Fürst Philipp Eulenburg, dem besten Freundes und zeitweise wichtigsten Beraters Kaiser Wilhelms II., die Hohenzollernmonarchie und ganz Europa: Der „Eulenburg-Skandal“ (auch: Harden-Eulenburg-Affäre) wurde zum ersten großen Homosexualitäts-Skandal der Moderne. Bereits die Zeitgenoss/innen deuteten ihn wegen seiner nationalen und internationalen Wirkungen als deutsches Gegenstück zur französischen Dreyfus-Affäre.
Der Eulenburg-Skandal führte nicht nur zu politischen und privaten Enthüllungen bis dahin unbekannten Ausmaßes aus dem Arkanbereich der aristokratischen Herrschaftselite, er wurde zum Forum für die deutsche Öffentlichkeit, um über vielfältige politische, gesellschaftliche und kulturelle Streitfragen vor aller Welt zu verhandeln: Ehre, Freundschaft, Ehe, Privatheit, Sexualmoral, Antisemitismus, Spiritismus, Klassenkampf, Obrigkeitsgläubigkeit und Militärbegeisterung wurden kontrovers diskutiert.
Der Vortragende stellt neue Funde seit der Veröffentlichung der Monographie zum Eulenburg-Skandal (Deutsch 2010/Englisch 2015) vor und schlägt zugleich der Bogen zu den geschichtspolitischen Aspekten heutiger LGBTTIQ*-Politik.
Norman Domeier, Dr. phil., geb. 1979, Studium der Geschichts-, Politik- und Medienwissenschaft in Göttingen, Cambridge und am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz, ist Akademischer Rat am Historischen Institut der Universität Stuttgart und bis März 2018 Lise Meitner-Fellow am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien. Sein Forschungsinteresse umfasst die politische Kultur- und Mediengeschichte der europäischen Moderne, insbesondere das Verhältnis von Macht, Sexualität und Öffentlichkeit. Für sein Buch Der Eulenburg-Skandal. Eine politische Kulturgeschichte des Kaiserreichs (2010) hat er den „Geisteswissenschaften International“-Preis des Börsenvereins des deutschen Buch­handels erhalten. Die englische Ausgabe ist im Juni 2015 als The Eulenburg Affair. A Cultural History of Politics in the German Empire bei Camden House erschienen. Aktuell arbeitet er an einer Habilitationsschrift zum Thema Welt­öffentlichkeit und Diktatur. Die ausländischen Journalisten und das Dritte Reich. 1932-1949.