CfP: Engpässe der Überlieferung. Narrative, Dramaturgien und Mythologien der Verschonung, des Bewahrens und des Überlebens (Publikation: kritische berichte); bis: 15.05.2020

kritische berichte. Zeitschrift für Kunst und Kulturwissenschaften (Web)

Einreichfrist: 15.05.2020

Das von Verfall oder Vernichtung bedrohte, aber materiell noch (teil-)präsente Relikt gehört zu den prekären Größen kultureller Überlieferungsprozesse. Denn Erosion beschädigt seine Integrität, Destruktion bedroht seine Identität. Zugleich aber unterliegen tradierte Überbleibsel – allen voran Fragmente wie Torsi, Spolien oder Ruinen – einer starken Auratisierung. Vielfach sind sie regelrecht überkonnotiert.

Gleiches kann für intakte Kunstobjekte gelten, wenn sie als der Annihilierung oder Beschädigung entkommene Objekte oder als aktual in ihrem Bestehen bedrohte Werke erkennbar sind. Wenn zudem quantitative Rarität, aber auch qualitativer Wert ihnen im Horizont der Überlieferung eine Alleinstellung verleiht, kann ihre Existenz den Charakter des Unwahrscheinlichen annehmen.

Aber bereits der puren Präsenz eines aus fernen Zeiten stammenden Objektes kann etwas Mirakulöses anhaften. Anschaulich werden muss nur, dass es von Katastrophischem (wie Kataklysmen, Krieg oder Ikonoklasmen) verschont geblieben ist. Das reine Erhaltensein, so klein das Relikt selbst physisch sein mag, wird dann zur Botschaft: Denn angesichts einer sonst dominanten Zerstörung oder einer – am Ding selbst spurhaft sichtbaren – Versehrung kann das erstaunliche Überleben des Objektes den Eindruck befestigen, es nicht mit dem blinden Wirken der Kontingenz zu tun zu haben, sondern mit einem bewussten Akt der Vorsehung.

Zugespitzt lassen sich dahinter – etwa nach dem Muster der Verschonung von biblischen Personen wie Noah, Isaak oder Lot und seiner Familie – die Intentionen oder Programme höherer Instanzen oder planvoll agierender Mächte vermuten, die sich für die Bewahrung eines paradigmatischen oder repräsentativen Zeugnisses zu engagieren und es durch ein ‚Nadelöhr‘ zu bugsieren scheinen. Weiterlesen und Quelle … (Web)