Konferenz: Teilhabe oder Ausgrenzung? Perspektiven der bundesdeutschen Geschlechtergeschichte zwischen Nachkriegszeit und ,Strukturbruch‘ (1949-1989), Hofgeismar 11/2010

Dr. Julia Paulus (Münster), Andreas Schneider, M.A. (Gießen), Dr. Eva-Maria Silies (Lüneburg), Dr. Kerstin Wolff (Kassel); in Kooperation mit der Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung, dem Arbeitskreis historische Frauen- und Geschlechterforschung (AKHFG e.V.) und der Universität Kassel

Zeit: 04.-05.11.2010
Ort: Evangelische Akademie Hofgeismar, Gesundbrunnen 8-11, 34369 Hofgeismar
Anmeldung bis 25.10.2010: ev.akademie.hofgeismar@ekkw.de
www.akademie-hofgeismar.de

In den letzten Jahren ist es merklich ruhig geworden um die Erforschung der Geschlechtergeschichte Westdeutschlands. Groß angelegte Studien, die anhand zentraler Aspekte den Wandel und die Kontinuität bundesdeutscher Geschlechterverhältnisse untersuchen, waren auf dem Buchmarkt der vergangenen fünf bis zehn Jahre äußerst rar gesät. Dieser Befund steht in deutlichem Kontrast zu jener Aufmerksamkeit, die die vorwiegend männlich dominierte Studentenbewegung von „1968“ sowie der sozialrevolutionäre Terrorismus der Roten Armee Fraktion in den Massenmedien wie auch in der zeithistorischen Forschung erhalten hat und nach wie vor erhält. Im Gegensatz hierzu fehlen aktuelle Studien über die Neue Frauenbewegung und allgemeiner über die Geschlechtergeschichte der Protestbewegung der siebziger Jahre. Daneben fällt auf, dass gängige Interpretationsmuster der Geschichte der „alten“ Bundesrepublik wie etwa „Liberalisierung“, „Westernisierung“, „Wertewandel“, „Tendenzwende“, „Bürgersinn“, „Strukturbruch“, „Generationalität“ oder aber „Sicherheit“ die Kategorie Geschlecht kaum oder nur am Rande berücksichtigen.

Die Tagung „Teilhabe oder Ausgrenzung? Perspektiven der bundesdeutschen Geschlechtergeschichte zwischen Nachkriegszeit und ,Strukturbruch‘ (1949-1989)“ will diesen Befund kritisch reflektieren und vor allem der zeithistorischen Geschlechterforschung zu größerer Aufmerksamkeit verhelfen. In Anlehnung, aber auch in Abgrenzung zu den bisherigen Interpretationsmustern werden u.a. folgende Fragestellungen diskutiert:

– „Westernisierung“: In welcher Weise wurden Fragen der Geschlechtergerechtigkeit in einem gemeinsamen Wertekanon eingebunden, wie er vom Konzept der Westernisierung angenommen wird? Wie lassen sich gegensätzliche und konflikthafte Entwicklungen wie die Aufkündigung der geschlechtlichen Sphärentrennung (Berufswelt vs. Privates) in dieses Konzept einbinden?

– „Strukturbrüche“: Lässt sich unter geschlechterhistorischer Perspektive ab den 1970er Jahren tatsächlich ein „Strukturbruch“ in der häuslichen und betrieblichen Ordnung der Geschlechter nachvollziehen, der einen „sozialen Wandel von revolutionärer Qualität“ (Doering-Manteuffel/Raphael) mit sich brachte? Was hielt die stark segregierte Gesellschaft vor dem Strukturbruch zusammen, was führte zu ihrer Erosion?

– „Liberalisierung“: Was waren ambivalente, vielleicht auch negative Folgen der gesellschaftlichen Liberalisierungsprozesse? Weisen diese Folgen geschlechterspezifische Besonderheiten auf?

– „Bürgerlichkeit / Bürgersinn“: Welche Rolle spielten exkludierende Faktoren bei der Ausbreitung von Bürgerlichkeit als ‚Staatsbürgerlichkeit‘? Wie sahen die Vorstellungen vom „männlichen Bürger“, wie die von der „weiblichen Bürgerin“ aus?

– „Tendenzwende seit den 1970er Jahren“: Wie wurde die Erosion überkommener Geschlechterbeziehungen, wie sie von verschiedenen Protestbewegungen seit den späten 1960er Jahren vorangetrieben wurde, von den Zeitgenossinnen und Zeitgenossen wahrgenommen und verarbeitet? Welche Formen, Ausmaße und Auswirkungen gesellschaftlicher Gegenreaktionen auf Emanzipationsbestrebungen und -entwicklungen gab es?

– „Generationelle Ordnungen“: Lassen sich – angesichts einer vermeintlichen Omnipräsenz generationeller Deutungsmuster in der Nachkriegshistoriographie -geschlechtsspezifische generationelle Erfahrungen ausmachen?

– „Suche nach Sicherheit“: Welche Bedeutung spielte die Kategorie Geschlecht in dem Streben nach Sicherheit und Absicherung in der Geschichte der Bundesrepublik?

PROGRAMM
Donnerstag, 04.05.2010
13.30h – 14.00h:
Mechthild Bereswill (Kassel): Grußwort
Andreas Schneider (Gießen): Einführung

13.30h – 15.30h: Panel I: Nachkrieg und GeschlechterordnungAngela Pitzschke (Kassel): Gegen den politischen Trend. Die SPD-Frauen und die Gleichberechtigung in den 1950er Jahren

Lu Seegers (Hannover): Kriegerwitwen und ,Töchter ohne Väter‘ in der Bundesrepublik

Irene Stoehr (Berlin): Staatsbürgerinnen im Kalten Krieg. Das antikommunistische Frauennetzwerk in der Gründungsphase der Bundesrepublik.

Kirsten Heinsohn (Hamburg/Bielefeld): Kommentar

16.00h – 18.00h: Panel II: Segregierte BerufsweltenChristine v. Oertzen (Berlin): „Was ist Diskriminierung?“ – Professorinnen der Bundesrepublik ringen um ein hochschulpolitisches Konzept, 1949-1989.

Christiane Eifert (Berlin): Bundesdeutsche Unternehmerinnen und der Weltverband der Unternehmerinnen – Teilhabe und Ausgrenzung in transnationaler Perspektive, 1945-1989.

Julia Paulus (Münster): „Berufene Arbeit“. Berufsausbildung von weiblichen Jugendlichen in der Bundesrepublik.

Wiebke Kolbe (Hamburg): Kommentar

Abendvortrag: Erwin In het Panhuis (Köln): Aufklärung und Aufregung – 50 Jahre Schwule und Lesben in der BRAVO.

Freitag, 05.11.2010
9.00h – 11.00h: Panel III: Vereinbarkeit von Familie und BerufAnja Liv Niephaus (Berlin): Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandeln. Zur Ausgestaltung und Wirkungsweise gesetzlicher Regelungen von Elternschaft im Beruf (1919-1964).

Sarah Summers (North Carolina at Chapel Hill): Mehr Wahlfreiheit für Mütter? Die westdeutsche Erziehungsgelddiskussion, die Emanzipation der Frau und die Arbeitsteilung nach Geschlecht in den 1970er und 1980er Jahren.

Monika Matthes (Potsdam): Reformen und Krisen: Ganztagsschule und Frauenerwerbstätigkeit in der Bundesrepublik der 1960/70er Jahre.

Mechthild Bereswill (Kassel): Kommentar

11.30h – 13.30h: Panel IV: Sexualitäten und KörperPascal Eitler (Berlin): „Lust“ zwischen Gewalt und Gegengewalt. Politisierung und Brutalisierung der Pornographie in der Bundesrepublik Deutschland 1968-1988.

Eva-Maria Silies (Lüneburg): Die Pille als „Geschenk für den Mann“? Gendervorstellungen in der Debatte um hormonelle Verhütung in den 60er
und 70er Jahren.

Benno Gammerl (Berlin): Butch und Bengel. Männlichkeiten und Weiblichkeiten im Kontext der Homosexualitäten.

Petra Terhoeven (Göttingen): Kommentar

14.30h – 16.30h: Panel V: „Das Private ist politisch“? Partizipation und ProtestKerstin Wolff (Kassel): Erika Wisselinck und die Korrespondenz die frau. Begegnung zwischen ,alter‘ und ,neuer‘ Frauenbewegung.

Elisabeth Zellmer (München): Protestieren und Polarisieren. Die Frauenbewegung der 1970er Jahre in München.

Nina Verheyen (Wien): Wer ist das geschwätzige Geschlecht? Genderkonstruktionen in linksalternativen Diskussionsgruppen der 70er Jahre.

Kristina Schulz (Cambridge, UK): Kommentar

ab 16.30h: Abschlussdiskussion

Bei Eingang einer Abmeldung später als sieben Tage vor Tagungsbeginn müssen wir 50 % der Gesamtkosten in Rechnung stellen. Der Abschluss einer Reiserücktrittsversicherung wird empfohlen.

Auskunft:
Inhaltliche Fragen: 05671/881-108
Unterkunft und Verpflegung: 05671/881-0

Tagungskosten:
Einzelzimmer: EUR 92; Doppelzimmer: EUR 98 (einschl. Tagungsbeitrag EUR 50,00 sowie Verpflegung und Unterkunft). Die Tagungskosten sind bei der Ankunft zu begleichen (EC-Karte möglich). Ermäßigung: SchülerInnen, Auszubildende und Studierende bis 35 Jahre 50%. Alle Preise werden aus kirchlichen Mitteln subventioniert, daher können weitere Ermäßigungen aus sozialen Gründen nur in Ausnahmefällen gewährt werden.

Quelle: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=14891

Schreibe einen Kommentar