Ausstellungs-Eröffnung: Trachtensaal-Inszenierungen, Graz, 13.11.2022, Graz

Volkskundemuseum am Paulustor (Web)

Zeit: 13.11.2022, ab 11.00 Uhr
Ort: Volkskundemuseum, Paulustorg. 11-13a, 8010 Graz

Programm (PDF)

Die Ausstellung
Das Volkskundemuseum in Graz beherbergt einen der wenigen noch erhaltenen „Trachtensäle“ – ein unbequemes Erbe aus den späten 1930er-Jahren. Der Museumsleiter Viktor Geramb (1884–1958) hatte 1936 mit der konkreten Arbeit am Trachtensaal begonnen. Theoretische Grundlage dafür war das Steirische Trachtenbuch. Dieses war von Konrad Mautner (1884–1924) begründet und begonnen worden. Er war Sohn einer österreichisch-jüdischen Industriellenfamilie und jung verstorbener Forscher und Sammler von Volksliedern und Trachten. Viktor Geramb führte es weiter und verantwortete die Herausgabe der zwei Bände des Trachtenbuches. Wenige Monate nach der Machtübernahme der Nationalsozialist*innen in Österreich begleitete er im Sommer 1938 die ersten Besucher*innen durch die unfertige „Trachtenschau“, an deren musealer Inszenierung er bis 1939/40 arbeitete.
Verändert wurde der Trachtensaal zum ersten Mal in den 1980er-Jahren. 2003 wurde die Inszenierung der 1940er-Jahre weitgehend wiederhergestellt und zum „Museum im Museum“ erklärt, temporäre Interventionen folgten. Deponiert hat den Trachtensaal trotz seiner Verankerung zwischen Deutschnationalismus, Austrofaschismus und NS noch niemand. Was kann der Raum heute vermitteln?

Verschiebungen
Ab November 2022 präsentiert das Volkskundemuseum eine veränderte Lesart für diese ungewöhnliche Zeitkapsel und diesen vielschichtigen volkskundlichen Wissens- und Erfahrungsraum. Die Kuratorin ist Birgit Johler. Über Kleidungsstücke und Figurinen, über deren Anordnung in den Vitrinen und im Raum lassen sich volkskundliche Sichtweisen, Methoden, Interpretationen und Konstruktionen im Kontext ihrer Zeit verständlich machen. Die Suche nach dem „Unverfälschten“ und „Primitiven“ in Zeiten einer rasant fortschreitenden Moderne ist ebenso Thema wie die Konstruktion des „Eigenen“ respektive „Steirischen“ oder die Frage, wozu Tracht in den 1930er-Jahren, also in Zeiten weitreichender ökonomischer, gesellschaftlicher und politischer Krisen, diente. Auch den Figurinen wird Aufmerksamkeit geschenkt, einige von ihnen erzählen von realen historischen Personen und deren Lebenswelten, wie etwa die Figuren des „Ausseers um 1870“ oder der „Grundlseerin“.
Welche Faszination Tracht heute ausübt, welche Formen des Zeigens und Tragens von Tracht heute sichtbar sind, sind Aspekte, die ebenfalls Teil der Neufassung des Trachtensaals sind. Schließlich ist Tracht beides: Kleidung zur Weitertragung traditioneller beziehungsweise fester Identitätskategorien, aber auch Ausdruck gesellschaftlicher Wandlungsprozesse.