Konferenz: Missionarinnen und Missionare als Akteure der Transformation und des Transfers: Außereuropäische Kontaktzonen und ihre europäischen Resonanzräume (1860-1940), 09/2011, Göttingen

Prof. Dr. Shalini Randeria (Universität Zürich), Prof. Dr. Rebekka
Habermas, Dr. Richard Hölzl (beide Georg-August-Universität Göttingen)
Zeit: 29.09. – 01.10.2011
Ort: Göttingen, Lichtenberg-Kolleg, Historische Sternwarte
Missionarinnen und Missionare vereinig(t)en die Widersprüche der Globalisierungsbewegung – den emanzipatorischen Antrieb von Zivilisierungsmissionen und deren disziplinatorische und aggressive Wirkung ebenso wie die eurozentrische Ausrichtung der Globalisierung und ihre Gegenbewegungen und Hybriditäten. Sie komponierten zahlreiche Narrationen und Bilderwelten des Außereuropäischen und wirkten an der Produktion neuer globaler Räume und Kontaktzonen mit. Durch ihren religiös-missionarischen Impetus, spezifische Netzwerkbildungen innerhalb eines religiösen Feldes über lange Dauer und große Distanz sowie durch besondere Strategien des Kontaktes beziehungsweise des kulturellen Transfers sind sie wichtige Akteure im Prozess der Globalisierung.
Die deutsche historische Forschung hat die beschleunigte Verdichtung persönlicher Kontakte in Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Kultur auf globaler Ebene seit dem frühen 19. Jahrhundert bisher vor allem mit Hilfe von Prozessbegriffen (Globalisierung, Kolonisierung, Amerikanisierung oder auch Verwandlung) und historischen Kategorien jenseits der Akteursebene untersucht (Transfers, Netzwerke oder Übersetzungen). Auch wurden diese Prozesse in der Regel ausschließlich als säkulare Phänomene betrachtet. Die Tagung will eine Erweiterung dieser Zugänge vorschlagen, indem sie das historische Handeln von Missionarinnen und Missionaren in den Blick nimmt. Mission soll dabei als Teil einer entangled history sichtbar gemacht werden, um Missionsgeschichte tatsächlich „jenseits des Eurozentrismus“ zu betrachten. Im Laufe des 20. Jahrhunderts traten im Zuge einer zunehmenden Selbstverantwortung der Kirchen außerhalb Europas stärker afrikanische, asiatische oder amerikanische Missionare in Aktion. Die unterschiedlichen religiösen Richtungen in zunehmend plural strukturierten kolonialen und postkolonialen Räumen, aber auch in Europa lieferten die Sprache für anti-koloniale Protestbewegungen, prägten die Aspirationen der Ausgeschlossenen mit und halfen, Ansprüche auf Partizipation zu formulieren. Es muss gefragt werden, welche Auswirkungen dieser neue nicht primär auf die europäischen Metropolen bezogene Pluralismus missionarischen Handelns hatte bzw. inwieweit christlich-europäische Mission an der Entstehung und Ausformung eines pluralen religiösen Feldes beteiligt waren.
Der Workshop wird von der Fritz-Thyssen-Stiftung für Wissenschaftsförderung unterstützt und findet im Rahmen des Lichtenberg-Kollegs statt. Das Lichtenberg-Kolleg ist im Rahmen des von der DFG geförderten Zukunftskonzepts „Tradition – Innovation – Autonomie“ an der Georg-August-Universität Göttingen gegründet worden.
Der traditionellen Kolleg-Idee folgend schafft das Lichtenberg-Kolleg herausragenden Wissenschaftlern den Freiraum für konzentriertes Forschen, intensiven wissenschaftlichen Austausch sowie für fachliche und fächerübergreifende Kooperationen durch die Möglichkeit des Zusammenwirkens an einem Ort.
Mit Ausnahme des öffentlichen Abendvortrags von Prof. Dr. Patrick Harries am Fr., 30.9.2011, 18.15 bitten wir um Voranmeldung, da Plätze für Gäste nur begrenzt zur Verfügung stehen. Anmeldung an Dr. Dominik Hünniger: Dominik.Huenniger@zvw.uni-goettingen.de
PROGRAMM
Donnerstag, 29. September 2011

09.00 – 09.15 Registierung/Registration
09.15 – 09:30 Begrüßung und Einführung/Welcome and Introduction
09:30 – 11.00 Panel 1 Wissensproduktion/Generation of Knowledge
Chair und Kommentar: Prof. Dr. Reinhard Wendt (Hagen)
Dr. Albert Gouaffo (Dschang), Über das Gesehene und das Erlebte berichten. Heinrich Norden als Träger des Wissens- und Kulturtransfers zwischen dem kamerunischen Küstenhinterland und Deutschland
Dr. Gilbert Dotsé Yigbe (Lomé), Von Gewährsmännern zu Gehilfen und Gelehrigen: Der Beitrag afrikanischer Mitarbeiter zur Entstehung einer verschriftlichten Kultur in Deutsch-Togo
11.00 – 11.30 Kaffee/Coffee
11.30 – 13.20 Panel 2 AgentInnen sozialen Wandels/Agents of Social Change
Chair und Kommentar: PD Dr. Ulrich van der Heyden (Berlin)
PD Dr. Ulrike Schmieder (Hannover), Katholische Mission, Sklaverei und Emanzipation in der frankophonen Karibik
Marcel Dreier (Basel), Missionsmedizin, -ärzte und -schwestern in Tanganyika, ca. 1920-1960
13.20 – 14.30 Mittagessen/Lunch
14.30 – 16.00 Panel 3 Emotion
Chair und Kommentar: PD Dr. Alexandra Przyrembel
Prof. Dr. Rainer Alsheimer (Bremen), Heimsuchungen und Leiden: Körpererfahrungen protestantischer Missionare und ihrer „Gehilfen“ in Westafrika
Dr. Richard Hölzl (Göttingen), Mitleid über große Distanz. Zur Herstellung globaler Gefühle in der katholischen Mission im frühen 20. Jahrhundert
16.00 – 16:30 Kaffee/Coffee
16.30 – 18:00 Panel 4 Gender
Chair und Kommentar: Dr. Bettina Brockmeyer (Bielefeld)
Dr. Silke Strickrodt (London), Christliche Bildung und weibliche Eliten in West Afrika: Mädchenschulen in Freetown, 1840 – ca. 1900
Dr. Katharina Stornig, (Mainz), „…denn die ganze Sorge der Schwestern war darauf gerichtet, die Lage des weiblichen Geschlechts zu verbessern.“ Geschlecht, Religion und Differenz in der Missionspraxis deutscher Ordensfrauen in Togo, 1896-1918
18.15 – 19.15 Vortrag
Thomas Schiffelmann, Dipl.-Kfm. (Missio e.V.; München), Marketing für Moderne Missionen
Freitag, 30. September 2011
09:30 – 10.45 Panel 5 Medialität und europäische Resonanzräume  /Media and European Spaces of Resonance
Chair und Kommentar: Prof. Dr. Siegfried Weichlein (Fribourg)
PD Dr. Kirsten Rüther (Hannover), Mission, Medien und die wechselseitige Repräsentation Europas und Afrikas
Linda Ratschiller, M.A. (Fribourg), Kamerun in Basel. Wissenstransfer und Mission um 1900
10.45 – 11.15 Kaffee/Coffee
11.15 – 12.15
Dr. Judith Becker (Mainz), Die Heimat oder Europa. Perspektiven
englisch- und deutschsprachiger Missionare aus den 1830er Jahren
Diskussion des Panels 5 /Discussion of Panel 5
12.15 – 13.30 Mittagessen/Lunch
13.30 – 15.45 Panel 6 Missionare in hybriden Räumen/Conversions and Third Spaces
Chair und Kommentar: Dr. Richard Hölzl (Göttingen)
Dr. Heike Liebau (Berlin), „Von gemeinschaftlicher Beyhilfe ausgeschlossen“. Reaktionen auf protestantische Konversionsbestrebungen in Südindien im 18. Jahrhundert
Prof. Dr. Adjai Paulin Oloukpona-Yinnon (Lomé), Togolesische ‚Missionare‘ zwischen Angleichung und Dissidenz (1884-1914)
PD Dr. Katja Füllberg-Stolberg (Hannover): „Ein Sauerteig christlichen Lebens in der Masse afrikanischen Heidentums“ – Westindische Konvertiten an der Goldküste (1843-1855)
15.45 – 16.15 Kaffee/Coffee
16.15 – 17.45 Panel 7 Zwischen Religionen/Between Religions
Chair und Kommentar: Prof. Dr. Martin Tamcke (Göttingen)
Prof. Dr. Roman Loimeier (Göttingen), Gibt es eine „islamische“ Mission?
Julia Hauser, M.A. (Göttingen), Doppelt indirekte Mission. Raum, Geschlecht und ihr Einfluss auf die Wissensproduktion in der Mission am Beispiel der Kaiserswerther Diakonissen in Beirut
18.15- 19.45 Öffentlicher Abendvortrag/ key note: Prof. Dr. Patrick Harries (Basel), The Secular & the Spiritual: Missionary Intellectuals and New Knowledge
19.45 Empfang
Samstag, 1. Oktober 2011
09.00 – 11.00 Panel 8: Religiöse Netzwerke/ Religious Networks
Chair und Kommentar: Prof. Dr. Rebekka Habermas (Göttingen)
Dr. Vibha Joshi Parkin (Göttingen), The reverberative nature of the global network of Christianity among the Naga of northeast India
Dr. Katrin Langewiesche (Mainz), Transnationale Religion: Netzwerke katholischer afrikanischer Kongregationen. Fallstudien aus Burkina Faso
Dr. Kokou Azamede (Lomé), Ewe-Christen zwischen Deutschland und Westafrika
11.00 – 11.30 Kaffee/ Coffee
11.30 – 12.30
Abschlussdiskussion/ Comment and Debate
Prof. Dr. Patrick Harries,
Prof. Dr. Adjai Paulin Oloukpona-Yinnon,
Prof. Dr. Shalini Randeria
Prof. Dr. Michael Sievernich SJ

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