Kollektiv „Zwischen Institution und Utopie“: Vortragsreihe „‚Es ist nichts zwischen uns.‘ Über die Produktivität des Konflikts im feministischen Widerstreit“ (Web)
Zeit: Sa., 17.02.2024, 19.00 Uhr
Ort: Frauenhetz, Untere Weißgerberstr. 41, 1030 Wien – und virtueller Raum
Programm (PDF)
- Paula Achenbach: Das Utopische als queer*feministischer Bezugshorizont? Fragmentiertes & (Un-)Mögliches
- Lena Böllinger: Diversity oder Society? Von der Sehnsucht nach einer anderen politischen Praxis
- Birge Krondorfer: Widerstreit: Solidarität in Pluralität
- kleines Buffet
Feministische Bestrebungen sind immer auch in die Zukunft gerichtet. Es geht um Kämpfe für eine Gesellschaft abseits von Herrschaft, um Anerkennung oder um die Auflösung geschlechtlicher Positionen. Die Verinselung aktueller feministischer Ausrichtungen, Perspektiven und Bemühungen scheint das Projekt eines solidarischen feministischen Kampfes heute jedoch vor neue Probleme zu stellen: Wie ist ein gemeinsames Kämpfen trotz unterschiedlicher Utopien in einer feministischen Bewegung heute möglich? Die Organisatorinnen möchten anhand dreier unterschiedlicher feministischer Perspektiven zu den Themen Gemeinsamkeit, Angewiesen-Sein, Differenz und Solidarität eine Standortbestimmung aktueller Möglichkeiten feministischer Kämpfe machen und fragen, in welche utopischen Zukünfte diese jeweils führen können und sollen. Der Link für die online Teilnahme findet sich zeitnah auf der Website (Web).
Paula Achenbach: Das Utopische als queer*feministischer Bezugshorizont? Fragmentiertes & (Un-)Mögliches
Von Utopie zu sprechen, gestaltet sich ambivalent. In den Begriff der Utopie sind mitunter bestimmte Schließungen und Homogenisierungen eingeschrieben. Gleichzeitig kann das Utopische eine bestimmte Kraft und ein transformatives Gefühl entfalten – als Antrieb, um innerhalb von Praktiken im Hier und Jetzt etwas ‚Anderes‘ zu erproben. Der Beitrag erkundet in einer Suchbewegung Fragmente verschiedener queer*feministischer Bewegungskontexte in Geschichte und Gegenwart mit Blick auf Bedeutungen, Ambivalenzen, Imaginationen und Erprobungen des Utopischen sowie einer (Un-)Möglichkeit des Gemeinsamen.
- Paula Achenbach ist Erziehungs- und Bildungswissenschaftlerin. In ihrem Dissertationsprojekt an der Philipps-Univ. Marburg mit dem Titel „Erkundungen im ‚offenen Archiv‘ feministischer Raumutopien“ beschäftigt sie sich mit dem Zusammenspiel von Körper, Gefühl und Raum im Hinblick auf das Utopische in queer*feministischen Bewegungen.
Lena Böllinger: Diversity oder Society? Von der Sehnsucht nach einer anderen politischen Praxis
Wer streiten will, braucht einen Gegenstand, um den sie kämpft. Im Falle eines politischen Streits, ist dieser Gegenstand die Gesellschaft selbst. Die feministischen Debatten beschäftigen sich derzeit aber in erster Linie mit Identitäten. In einer immer kleinteiligeren Nabelschau wird bereits die Sichtbarmachung von Vielfalt und Intersektionalität zum politischen Akt erhoben. Leider wirkt das oft wie eine unheimliche Modernisierung von Margaret Thatchers neoliberaler Parole aus den 1980er Jahren – nach dem Motto: „Wer ist die Gesellschaft? So etwas gibt es nicht. Es gibt nur individuelle Personen und es gibt Communities“. Wenn wir als Feministinnen mehr von der Welt wollen, als uns im Kampf der Identitäten und Communities um Anerkennung zu bekämpfen, sollten anfangen um etwas zu kämpfen. Denn da ist etwas zwischen uns. Etwas Gesellschaftliches. Etwas, das uns trennt und verbindet, entfremdet und verführt, ausbeutet und belohnt. Wie genau tut „es“ das? Warum so und nicht anders? Und soll „es“ so bleiben?
- Lena Böllinger arbeitet als freie Autorin und Dozentin. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten zählen die Kritik der Politischen Ökonomie, Psychoanalyse sowie Geschichte und Gegenwart der feministischen Theorie und Praxis.
Birge Krondorfer: Widerstreit: Solidarität in Pluralität
Wenn wir – bei allen internen feministischen Unterschieden – Geschlechterdemokratie einfordern, so muss auch zwischen uns bedingungslose Pluralität gültig sein. Widerstreit verstanden als Ablehnung von Machtbesetzungen wäre eine Abweisung aller totalisierenden Inhalte und die Wahrnehmung der partikulären Situiertheit einer jeder Position – auch der eigenen. Wenn Widerstreit nicht der Verfestigung (schein-)souveräner Identitäten dienen soll, dann würde es um die politische Ethik einer Solidarität gehen, die nicht auf eine Homogenisierung der Unterschiedlichen aus ist. Gilt Solidarität zunächst den Eigenen, so wäre gerade in der heutigen Weltlage zu betonen, dass sie den Anderen gehört, was vorbehaltloses Hinhören impliziert. Gar so eine utopische Vorstellung von bedingungsloser Pluralität ist das ja nicht: Respekt und Anerkennung der Anderen. Nur so geht wahrhaftig Demokratie.
- Birge Krondorfer: Politische Philosophin und feministisch engagiert. Immer zwischen Stühlen von universitärer externer Lehre und selbstorganisierter feministischer Frauenbildung; zwischen Theorie- und Praxisbildung; zwischen temporärer Erwerbsarbeit und kontinuierlichen ehrenamtlichen Engagement; zwischen immer wieder Mitgründungen und Selbstinstitutionalisierung; zwischen individueller Denk/Textproduktion und kollektivem Tun.
Die Veranstaltung wird durch die Kulturabteilung der Stadt Wien (MA7) gefördert.