Femina Politica – Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft; Andrea Genest und Silke Schneider (Web)
Einreichfrist: 31.05.2024
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Geschichts- und Erinnerungspolitik sind Politikfelder, in denen es unter Bezug auf Vergangenes um die Legitimation gegenwärtiger Politiken und politischer Positionierungen geht – dies betrifft staatliche Politikstrategien ebenso wie gesellschaftliche Aushandlungsprozesse. Die Relevanz dieses Feldes ist für feministische Politiken und Wissenschaft offensichtlich. So ist der Bezug auf historische, traditionelle Rollenbilder und vermeintlich natürliche binäre Geschlechterverhältnisse zentraler Bestandteil rechtsautoritärer, völkischer Diskurse. Der Bezug auf Geschichte und Erinnerung ist aber ebenfalls konstitutive Grundlage des Ringens um unterschiedliche Kontextualisierungen aktueller politischer Konflikte – etwa die Rolle des Gedenkens an die Shoah und die historischen Kontinuitäten rassistischer Ausgrenzungspolitik, in denen es immer auch um vergeschlechtlichte Zuschreibungen von Verantwortlichkeiten, geschlechtsspezifische Verfolgungen und (De-)Thematisierung sexualisierter Gewalt geht. Über die legitimatorische Kraft in Bezug auf gegenwärtige politische Positionierungen und die Analyse aktueller Konflikte in ihrem historischen Entstehungsprozess hinaus zeigt sich aber auch immer wieder das enorme Mobilisierungspotenzial von Geschichte und Erinnerung.
Das Schwerpunktheft fragt nach geschlechtsspezifischen Ausprägungen von Geschichts- und Erinnerungspolitiken sowie feministischen Perspektiven auf die Thematisierung von Geschichte in (gesellschafts-)politischen Auseinandersetzungen. Auf welche Weise historische Ereignisse und Akteur_innen auch von feministischen Bewegungen als Sinnstiftung und Legitimation genutzt worden sind, welche Konflikte oder Leerstellen zu konstatieren sind, welche Narrative wirkmächtig werden, ist hier von Bedeutung. Welche in offiziellen historisch-politischen Narrativen verschwiegenen oder marginalisierten Personen, Ereignisse oder Geschichten, auf die sich etwa widerständige Traditionen gründen lassen, auf welche Archive überhaupt zurückgegriffen werden kann, ist ein weiterer wichtiger Aspekt. Dies betrifft auch die Frage nach geschlechterdifferenten Strategien und Ausgrenzungen in Debatten um historische Schuld und Entschädigung, z.B. wenn es um die Frage von Restitutionen und die rechtliche Aufarbeitung und Entschädigung geschlechtsspezifischer Verfolgungen oder sexualisierter Gewalt geht. Weiterlesen … (PDF)