CfP: Von Liebe und Fremde(n). Xenophilie aus der Sicht der Geistes- und Sozialwissenschaften (Event), Deadline: 29.02.08

DFG-Graduiertenkolleg 619 „Kontaktzone Mare Balticum: Fremdheit und Integration im Ostseeraum“, Website

Zeit: 25.-26.09.2008
Ort: Greifswald
Deadline: 29.02.2008

Die Begegnung mit dem Fremden wird gemeinhin als eine irritierende Erfahrung betrachtet, die den Menschen in seiner Totalität erfasst und dabei auch seine Emotionen anspricht. So kann der oder das Fremde zum Objekt von Abneigung, Antipathie oder gar Hass werden, bereits vorhandene Abgrenzungstendenzen verschärfen oder solche von Neuem legitimieren. Andererseits wird in verschiedenen Kontexten aber oft auch von der Liebe des oder zum Fremden (Xenophilie) gesprochen. Diese kann man als ein Grenzen überschreitendes Phänomen oder als eine Art des Sichaufeinanderzubewegens – ausgehend von unterschiedlichen kulturell wie individuell bedingten Standpunkten – verstehen. Beide Positionierungen zum Fremden eint, dass sie Veränderungen mit sich bringen, die sich sowohl emotional als auch im Denken und Handeln der jeweiligen Akteure abbilden können. Das Greifswalder Graduiertenkolleg „Kontaktzone Mare Balticum“ setzt sich daher mit dieser interdisziplinären Tagung das Ziel, die vielfältigen Facetten dieser Prozesse, die sich zwischen den Polen von Liebe und Fremdheit abspielen, zu untersuchen.

Der Begriff des Fremden lässt sich allgemein auf Grund der Überlegungen von Bernhard Waldenfels fassbarer machen; dieser bemerkt hierzu: „Fremd ist erstens, was außerhalb des eigenen Bereiches vorkommt […] und was in der Form von ‚Fremdling’ […] personifiziert wird. Fremd ist zweitens, was einem Anderen gehört […]. Als fremd erscheint [aber auch] drittens, was von fremder Art ist und als fremdartig gilt […]. Es sind also die drei Aspekte des Ortes, des Besitzes und der Art, die das Fremde gegenüber dem Eigenen auszeichnen.“ (aus: Topographie des Fremden, Frankfurt am Main 1997, S. 20.)

Aus diesem Standpunkt wird das Fremde zum einen als Abstraktum, Idee oder auch als Realität (die Fremde) betrachtet. Zugleich findet sich hierin auch ein Verweis auf die personelle Ebene. Die Konferenz soll ein Podium bieten, um die Rolle der Liebe im Kontext von Kontakt und Austausch zwischen fremden Kulturen und ihren Repräsentanten aus der Sicht unterschiedlicher geistes- und sozialwissenschaftlicher Disziplinen zu beleuchten.

Thematischer Aufriss:
In der Literatur wird die Liebe zu etwas Fernem oder Fremdem als Thema, Topos, Idee, Mythos oder Tabu beschrieben und diskutiert. Wissenschaftliche Untersuchungen beziehen sich darauf, was die Liebe zu den fremden Personen, Sprachen, Kulturen, Ideen etc. bewirkt, wie sie in literarischen Texten dargestellt wird und welche Folgen aus diesen Darstellungen resultieren. Ferner stellen sich Fragen, welche Bedeutung kulturelle Mythen im Problemfeld von Liebe und Fremdheit erwerben und wie Liebe zu Fremde(n) zur Überwindung der Xenophobie beitragen kann. Außerdem ist von Interesse, was man erstens in einer solchen Liebe des Fremden liebt und zweitens, ob die Überwindung der Fremdheit durch die Aneignung des Fremden nicht der Erfahrung der Liebe selbst widerspricht. Wenn die Liebe immer die Erfahrung des Kontakts mit einem Anderen braucht, muss dieser Andere nämlich immer ein solcher bleiben, d. h. er kann nicht in seiner Individualität verleugnet werden, damit man noch von Liebe sprechen kann. Diese Überlegung evoziert die Fragen, wie viel Fremdheit die Liebe zu ertragen vermag und ob nicht jede Erfahrung der Liebe eines Fremden immer eine Form von Aneignung des Fremden voraussetzt. Diese Problematik eröffnet ein Forschungsfeld, in dem ein Bezug zwischen dem Begriff der Liebe zu der für die Philosophie grundlegenden Unterscheidung des Eigenen und des Fremden aufgebaut und so die philosophische Dimension interkultureller Kontakte zum Ausdruck gebracht wird. Zu diesem Zweck können aus verschiedenen Perspektiven des gegenwärtigen philosophischen Diskurses, von der Phänomenologie bis zur Kulturphilosophie, Beiträge geliefert werden.

Beziehungen zwischen Fremden beschreiben aber stets auch kommunikative Verhältnisse. Außerdem werden die Grenzen zwischen Kulturen vor allem durch die Verschiedenheit der Sprachen wahrnehmbar. Deshalb kann die Linguistik ihrerseits einen wissenschaftlichen Beitrag zur Erörterung des hier vorgeschlagenen Themas liefern. So lassen sich etwa die Charakteristika der Sprache der Liebe, wie zum Beispiel bei Roland Barthes „Fragments d’un discours amoureux“, fruchtbar untersuchen. Von einem kontaktlinguistischen Standpunkt aus kann man auf die Spannung zwischen der „Liebe“ zur Muttersprache und der „Liebe“ zu fremden Sprachen, d. h. auf die progressive Veränderung und mögliche Verfremdung von Sprachen durch Kontakt und Verschmelzung mit anderen Sprachen, fokussieren. Es wird beispielsweise thematisiert, welche konkreten Ergebnisse Sprachkontakte mit sich bringen können und wie sie gesellschaftlich bewertet werden.

Eine zusätzliche Perspektive bietet die Sozialpsychologie, mit der Analyse der Entstehung und Bedeutung von Empathie, Vertrauen und Zuneigung gegenüber dem Fremden, aber auch der Ursachen von Intergruppenkonflikten und Fremdenfeindlichkeit sowie deren Überwindung. Wie kann aus Antipathie und Hass Akzeptanz, Zuneigung oder gar Liebe entstehen? Welche Rolle spielt hierbei der Intergruppenkontakt? Wie können Freundschaften oder Liebesbeziehungen zwischen Angehörigen verschiedener Gruppen zum Abbau von Intergruppenkonflikten beitragen?

Diese Problemaufrisse der geplanten interdisziplinären Graduiertenkollegstagung dienen als Ausgangspunkt für weitere wissenschaftliche Zugriffe auf das übergeordnete Tagungsthema. Neben der interdisziplinären Diskussion aktuellster Forschungsergebnisse soll ebenso die Möglichkeit zu deren Publikation gegeben werden.

Die Auswahl der Themen durch die Mitglieder des Graduiertenkollegs erfolgt bis zum 31.03.2008.

Bitte bewerben Sie sich mit einem kurzen CV und einem Abstract (ca. 200 Wörter) bis zum 29.02.2008 elektronisch oder auch postalisch unter den folgenden Kontaktdaten:

Marebalt[at]uni-greifswald.de

oder

Kathleen Jandausch, M.A., Graduiertenkolleg 619
Dr. Alexander Drost, Koordinator des Graduiertenkollegs 619
„Kontaktzone Mare Balticum“
Historisches Institut
Ernst-Moritz-Arndt-Universität
Domstraße 9a, 17487 Greifswald. Münster)

URL des CfP: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=8475

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