Zeit: donnerstag, wtl 09.45-11.15 Uhr
Ort: Universität Wien, Hörsaal III NIG Erdgeschoß
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Geschlechterverhältnissen im nationalsozialistischen Herrschaftssystem, wie sie inzwischen seit über 30 Jahren stattfindet, hat wesentliche Innovationen sowohl für die Frauen- und Geschlechterforschung als auch für die NS-Forschung erbracht. Sie hat nicht nur den Bruch mit einer eindimensionalen Kategorie Geschlecht und mit einer totalisierenden eurozentristischen Perspektive mit vorbereitet, sondern war auch eng mit der Reformulierung zentraler Fragestellungen der NS-Forschung gekoppelt. Das innovative Potential der Frauen- und Geschlechtergeschichte des Nationalsozialismus ist in mehreren Forschungs- und Publikationswellen – zuletzt in der Auseinandersetzung mit dem Themenfeld Gedächtnis und Geschlecht zum Tragen gekommen. Gerade die Schwerpunktverlagerung auf die Nachgeschichte des Nationalsozialismus hat allerdings auch deutlich gemacht, dass im Hinblick auf die Geschichte des Nationalsozialismus als Herrschaftssystem eine Reihe von Forschungsdesiderata gibt, die der vorliegende Band zu benennen versucht. Die Vorträge der Ringvorlesung führen in Fragestellungen der Frauen- und Geschlechtergeschichte des Nationalsozialismus ein und geben einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand. Sie reflektieren Schwerpunktsetzungen der Forschung vor dem Hintergrund der Geschichte des Themenfeldes und machen mögliche Forschungsperspektiven sichtbar. In mehreren thematischen Blöcken werden zuerst historiographie- und gedächtnisgeschichtliche Fragen diskutiert, in der Folge Arbeit und Alltag in ländlichen Regionen, Verfolgung und Ausgrenzung, Widerstand, Kollaboration und projektive Politisierung sowie schließlich der Zugriff einer gewalttätigen Medizin auf die Körper von Frauen.
Programm
- 15.03.2012: Johanna Gehmacher und Gabriella Hauch: Einführung
- 22.03.2012: Johanna Gehmacher und Gabriella Hauch: Frauen- und Geschlechterforschung zum Nationalsozialismus – Forschungsüberblick
- 29.03.2012: Gabriele Czarnowski: „Die Eigenart des jetzt zu behandelnden Materials.“ „Erbkranke“ und „Ostarbeiterinnen“ im Fadenkreuz nationalsozialistischer Politik und gynäkologischer Forschung
- 19.04.2012: Claudia Spring: Diffamiert – zwangssterilisiert – ignoriert: Hermine B. und die Folgen ihrer Verfolgung als „Asoziale“ von der NS-Zeit bis in die Gegenwart
- 26.04.2012: Gabriella Hauch: Nationalsozialistische Geschlechterpolitik und bäuerliche Lebenswelten. Frauenspezifische Organisation – Arbeitsteilungen – Besitzverhältnisse
- 03.05.2012: Ernst Langthaler und Sabine Schweitzer: Das Geschlecht der landwirtschaftlichen Zwangsarbeit – am Beispiel des Reichsgaues Niederdonau 1939 – 1945
- 10.05.2012: Jeanette Toussaint: Nichts gesehen – nichts gewusst. Die juristische Verfolgung ehemaliger SS-Aufseherinnen durch die Volksgerichte Wien und Linz
- 24.05.2012: Albert Knoll: Verfolgung von Homosexuellen am Beispiel Oberösterreich in der NS-Zeit
- 31.05.2012: Regina Thumser: Jüdische Frauen in Oberösterreich. Beispiele der Ausgrenzung und Verfolgung
- 14.06.2012: Martina Gugglberger: „Das hätte ich nicht gekonnt: nichts tun.“ Widerstand und Verfolgung von Frauen am Beispiel Oberösterreich in der NS-Zeit
- 21.06.2012: Johanna Gehmacher: Frauen, Männer, Untergänge. Geschlechterbilder und Gedächtnispolitiken in Darstellungen zum Ende des „Dritten Reiches“