Im November 1918 übereschlugen sich die Ereignisse für Bernhardine Alma (geb. 1895). Während sich ringsum große politische Veränderungen abzeichneten, erfüllte sich mit der Rückkehr ihres Geliebten Jaro G. für sie ein großer persönlicher Wunsch. Im Tagebuch hat dieses Thema jedenfalls mehr Gewicht. Gleich beim ersten Treffen der Verliebten kam es aber offenbar zu politischen Unstimmigkeiten.
12. November 1918. Abends
Ich bin, muß Gott so, so, so dankbar sein. Und mein Jarerl hab ich ganz sinnlos gerne. Und nun endlich darf ich die Angst um ihn los sein, muß nicht mehr um sein süßes Leben zittern! Der Krieg ist ja aus und er ist in Wien – ist da! – Gott ist so gut! Könnte ich Seine unendliche Gnade nur verdienen! – es kommt mir direkt unglaubhaft vor, daß mein süßes Jarerl nun wirklich aus aller Gefahr ist – daß er da, daß ihm nichts geschehen ist. Denn die leichte Fußwunde, die er hat, zählt ja nicht. Vorläufig bleibt er in Wien. Das andre gibt sich dann, entweder kommt er nach Böhmen (ich hab ihm schon England & Frankreich eingegeben) oder so etwas. [Jaro G. war gebürtiger Tscheche.] Ich hab ihn ja so gerne! – – – – –
Übrigens waren Sonntag der Onkelrudolf v. M. da & die Lislhauser, die ganz begeistert von meinem Haar war, da, von dem sie nicht glauben wollt‘, daß Natur sei.
Heute Donau [vermutlich eine Verkaufsstelle für Lebensmittel]; ich hatte sehr viel in der Küche zu tun. Nachher ist mein Jarerl gekommen. Er hat kein Barterl mehr, ist rasiert wie ein Schauspieler. Er geht mit dem Stock. Wir saßen im Speiszimmer, er politisierte, wodurch er mich zwang, die Partei der Deutschen zu nehmen.
Dann fragte er, was das Klavier macht, ich sagte, daß es drinnen steht. Dann kam der Pa [Vater der Schreiberin], der mit ihm sehr nett war, obwohl er ihn ja nicht leiden mag. Er küßte mir natürlich beim Gehen & Kommen trotz meines Weigerns die Hand und sagte, daß er Freitag käme, wenn er dürfe. Ich mächt‘ ja so gerne, daß er kommt! Wenn er nur bald kommen möchte, recht bald! – Hoffentlich am Freitag oder eher. […] Ich bin neugierig, wie’s morgen sein wird. – […] – –
Mein Jarerl ist so, so, so, so lieb! D.W.g.!
Leopoldi 1918 ab 15./XI. Nachmittag
Heute beichtete ich beim Pfarrerl, der wieder sehr herzig war, empfing vom Unterl die heiligste Communion. [Die Schreiberin verwendete für verschiedene katholische Geistliche, die sie konsultierte, Kosenamen, jeweils mit einer Endung auf -erl.]
Das war etwas Schönes, sehr Schönes – wenngleich ich sonst sehr traurig bin. Es gibt Augenblick, da ist es, als Continue reading →