Femina Politica. Zeitschrift für Feministische Politikwissenschaft (Web)
Einreichfrist: 30.11.2024
Im Juni 2024 fanden die letzten Europawahlen statt, die wie erwartet mit einem Rechtsruck endeten. Sowohl die Fraktionen im Europäischen Parlament (EP) als auch die Positionen in der Europäischen Kommission sind insgesamt mehr von konservativen, rechtsgerichteten und rechtsextremen Parteien dominiert. Diese Ausgangslage ist – verglichen mit dem Ergebnis nach den Europawahlen 2019 – deutlich ungünstiger für Gleichstellungs- und Anti-Diskriminierungs-Politiken. Die damals von der ersten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ausgerufene „Union der Gleichheit“ umfasste die Verabschiedung von fünf miteinander verbundenen Strategien („Schwesterstrategien“) zu den Themen Geschlechtergleichstellung, Anti-Rassismus, Sinti/Roma, LGBTQI sowie Behinderung, die neben Gender Mainstreaming auch eine Intersektionalitätsperspektive verfolgen sollen.
Insbesondere die Geschlechtergleichstellungs- und LGBTQI-Strategien wurden durch ein ganzes Paket an Maßnahmen und Richtlinien untermauert. Diese Erfolge stehen mit dem Rechtsruck nicht nur unter Druck, sondern sind ernsthaft gefährdet, gerade in Bezug auf die weitere Implementierung europäischer Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsvorgaben in den Mitgliedsstaaten. Denn das EP-Wahlergebnis spiegelt auch den kontinuierlichen Rechtsruck in vielen Mitgliedsstaaten wider, die im Rat – der dritten Kerninstitution im Bunde – vertreten sind.
Mit dem Schwerpunktheft soll zum einen die letzte Legislaturperiode (2019-2024) aus einer feministischen Perspektive bilanziert werden. Zum anderen sollen auch (vergleichende) Analysen der Inhalte der verschiedenen Strategien und ihrer Implementierung in den Mitgliedsstaaten erfolgen. Wie diese aus intersektionaler Perspektive zu bewerten sind und was bei der nationalen Umsetzung geschieht, wird bisher in der Forschung nur wenig beleuchtet. Ob zudem die Ziele von Gender Mainstreaming und Intersektionalität übergreifend in diesen und anderen Politiken umgesetzt wurden, ist eine Black Box, nicht zuletzt auch die Frage danach, welches Verständnis diese Ansätze überhaupt leitet.
Bilanz und Ausblick können aus verschiedenen theoretischen sowie methodologischen Perspektiven erfolgen. Neben politikfeldanalytischen, repräsentationsfokussierten (deskriptiv, substanziell, symbolisch) können auch diskursanalytische und institutionalistische Ansätze genutzt werden. Dabei können – je nach Ansatzpunkt – sowohl das EP als auch die Kommission sowie deren Zusammenspiel (im Sinne der These einer Parlamentarisierung der EU), die Beziehungen zum Rat der Europäischen Union, zu Parteien, Sozialpartner*innen sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen und sozialen Bewegungen, einschließlich oppositioneller Kräfte, im Mittelpunkt stehen. Weiterlesen … (PDF)