CfP: Hat Strafrecht ein Geschlecht? (Event: Oldenburg), Deadline: 30.11.08

Sektion „Genderperspektiven“ der GiwK in Kooperation mit dem Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Universität Oldenburg, 12.-13.06.2009

Dass Recht kein geschlechtsneutraler Diskurs ist, sondern gewissermaßen ein „Geschlecht“ hat, wurde sowohl von Seiten einer feministischen als auch von einer gendertheoretisch ausgerichteten Rechtswissenschaft (Legal Gender Studies) und Kriminologie längst festgestellt und auf unterschiedlichen Ebenen diskutiert. Dabei ist Recht nach Susanne Baer nicht nur eine wesentliche Ressource, die zur Konstruktion von Geschlechterverhältnissen dient, sondern Recht kann wiederum zur Dekonstruktion der Geschlechterverhältnisse genutzt werden. Ein Blick auf die metaphorischen Subtexte lässt erkennen, dass das Weibliche aus dem Recht als einem der zentralen sozialen Diskurse der Moderne am stärksten ausgeschlossen ist. Jedoch findet sich das Geschlecht in der Form des Weiblichen als Metapher in Texten und Verfahren wieder und steht in diesem Sinne als „Analogie für die gefürchtete Kontamination des Rechts durch das, was es ausschließen soll“ (Helga Geyer-Ryan) nämlich für Unrecht, Schwäche, Zweideutigkeit, Gewalt.

Insbesondere abweichendes, kriminelles Verhalten ist in historischer Perspektive geschlechtsspezifisch aufgeladen bzw. markiert (vgl. u. a. Begriffe wie „der Lustmörder“, „die Giftmörderin“, „der Kinderschänder“, „die Kindsmörderin“). Deshalb wäre in einem weiteren Schritt zu fragen, wie es sich mit der Kategorie des Geschlechts im Bezug auf das Strafrecht verhält. Hat auch das Strafrecht ein Geschlecht?

Bei einer näheren Betrachtung ergeben sich im Rahmen einer solchen Fragestellung verschiedene Probleme, die anlässlich der Tagung näher beleuchtet und diskutiert werden sollen. Mädchen und Frauen treten als Tatverdächtige, Angeklagte und Verurteilte in der Strafjustiz (Hellfeld) rein zahlenmäßig betrachtet in einem wesentlich geringeren Maße in Erscheinung als Jungen und Männer. Auch die Kriminalitätsbelastung von Mädchen und Frauen im Dunkelfeld ist niedriger als die der Jungen und Männer. Männer sind in der Strafjustiz auf allen Ebenen überproportional vertreten: als handelnde Justizpersonen, z. B. als Polizisten, Richter, Staatsanwälte, Strafverteidiger, Justizvollzugsbeamte.

Aufgrund dieser Konstellation stellen sich mehrere Fragen: Werden nur solche Handlungen durch das Strafrecht erfasst, die im Alltag mehr von Männern ausgeführt werden als von Frauen? Werden Frauen in einem Strafverfahren anders behandelt als Männer? Inwiefern haben bestimmte Geschlechterstereotypen in einem Strafprozess Auswirkungen auf den Ausgang eines Verfahrens, sprich: auf Verurteilung und Strafmaß. Zementiert das Strafrecht die traditionellen Geschlechterrollen oder setzt es sich auch zuweilen über diese hinweg?

Der Begriff des Strafrechts wird in diesem Rahmen in einem eher weiten Sinne verstanden. Es handelt sich nicht nur um eine Auseinandersetzung mit dem materiellen Strafrecht. Ebenso sollen das Strafprozessrecht und die mit dem Strafrecht verbundenen Institutionen betrachtet werden. Ausgangspunkt ist die These, dass – sollte dem Strafrecht ein bestimmtes Geschlecht zugeschrieben werden können – sich dieses Geschlecht auf der Ebene des materiellen, prozessualen Rechts und zugleich durch seine Institutionen manifestiert. Insofern spielen auch Sprache, Kommunikation und Interaktion eine entscheidende Rolle innerhalb dieser Konstruktionsprozesse im Strafrechtsdiskurs.

Ziel der Tagung ist es, einen multiperspektivisch-interdisziplinären Blick auf das Thema zu werfen. Dementsprechend sind Beiträge mit dem oben beschriebenen Fokus aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Bereichen willkommen, die sich mit einem der folgenden Aspekte zu möglichen Konstruktionsmechanismen von Geschlecht im Strafrechtssystem näher auseinandersetzen: Rechtswissenschaft, Kriminologie, (Rechts-) Geschichte, Soziologie, Psychologie, Literatur- und Kulturwissenschaften und Medienwissenschaften.

Leitend sollen folgende Fragen sein:

  • Inwiefern war und/oder ist dem Strafrecht in seiner gesetzlich festgelegten Form ein Geschlecht bzw. eine Geschlechterdifferenz eingeschrieben?
  • Ist aus der Anwendungspraxis des Strafrechts eine Relevanz der Kategorie Geschlecht erkennbar?
  • Produzieren bzw. verstärken oder vermindern Akteure in Strafrechtsinstitutionen oder mit dem Strafrecht verbundenen Institutionen das Moment einer Geschlechtsspezifik des Strafrechts?
  • Gibt es bestimmte Delikte, die (immer noch) geschlechtsspezifisch aufgeladen sind?
  • Bei der Strafrechtsreform 1997/98 wurde bei bestimmten Delikten (u.a. Vergewaltigung) eine geschlechtsneutrale Formulierung (Person) eingeführt. Wie sind derartige Neutralisierungsversuche zu bewerten?

Vorschläge für Beiträge sollten bitte in Form eines aussagekräftigen Abstracts von höchstens 300 Wörtern zusammen mit einer knappen Biobibliographie bis zum 30.11.2008 an Christine Künzel (ch.kuenzel#freenet.de) und Gaby Temme (GabyTemme#gmx.de) gesendet werden.

Momentan ist noch nicht absehbar, welche Fördermittel uns für die Tagung zur Verfügung stehen werden. Deshalb können wir einen Zuschuss zu Reise- und Übernachtungskosten derzeit lediglich in Aussicht stellen. Wir werden alle Vortragenden rechtzeitig über mögliche Zuschüsse informieren.

URL zur Zitation dieses Beitrageshttp://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=9712

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