Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 45: Tagebuch von Bernhardine Alma, 9. bis 31. Juni 1915 und 16. August 1915, Wien

NL 09 Alma Bernhardine 1915 06 09 Bernhardine Alma (geb. 1895) war in einer gutbürgerlichen Wiener Familie aufgewachsen. Seit Winter 1915 übernahm sie Schreibarbeiten für das Rote Kreuz. Ihr Tagebuch liegt in 47 Bänden vor, die geschätzt 25.000 Einträge von 1908 bis 1979 enthalten.

9. Juni 1915. Mittwoch, abends.
Heute war es sehr heiß und die Fr. v. P. [die Vorgesetzte im Rot-Kreuz-Dienst] mir sehr unsympathisch. (…) Vom Doktor im R.K. [Roten Kreuz] habe ich „Heimarbeit“ mitgenommen. Anfragen nach Kriegsgefangenen u.s.w. Ich muss aus diesen Karten und Briefen Namen, Regiment, etz. etz. etz. auf eigenen Karten heraus schreiben. Das ist einmal eine Abwechslung. Ich werde morgen wieder etwas zeitlicher aufstehen und es schreiben, es geht ja rasch. Das ist wenigstens ein gutes Werk die Anfragen sind teilweis sehr komisch, aber durchwegs rührend und eigentlich sehr traurig. Heute fuhr ein reizender Ungarischer Militärzug fort. Was wird mir der morgige Tag bringen? –

10. Juni 1915. abends.
Heute war mir sehr schlecht, ich wiedergabte 3x, aß sehr wenig, was jemand andere leicht „nichts“ nennen könnte. Ich ging mit der Tante Lilly ins R.K. Sie war ganz nett. Die Fr. v. P. heute reizend. Der hochgestimmte Doktor gab mir heute wieder Briefe und Karten nach Hause mit. Das tu ich sehr gerne. Ach, wie viel Weh und Leid in diesen Schreiben liegt! Das ist eigentlich unsagbar traurig. Die Fr. v. P. nannte mich dem Hauptmann (Ritter von N.) gegenüber ihrer Stütze. Mir gefällt es, wenn mich der Hauptmann nett grüßt. Ich ging mit der Tante Lilly durch die Wollzeile nach Hause (…). Mama ist mitunter reizend und sehr lieb zu mir. Ganz gut ist mir noch nicht. Für zuhause habe ich sehr viel zu tun.

12. Juni abends. Samstag.
Gestern nichts herein geschrieben, weil zu viel Arbeit vom R.K. zuhause habe. Ich möchte morgen beichten u. zur hl. Communion gehen. Wenn nur der Krieg schon aus wäre. Der Sektionschef scheint mich in günstigem Sinn zu kennen. Gestern war sein Stellvertreter da, während er auf Urlaub geht. Ich möchte, daß sich dieser für mich interessiert. Mich bekümmert die Hitze eigentlich sehr wenig. Ich fürchte nur, daß viele kleine Soldaten Hitzschlag bekommen werden. Daß ich zuhause so viel zu tun habe, ist mir eigentlich nur sehr recht. – Ich will zur Bühne! – Wie es morgen im Spital sein wird? – Mir träumte heute nachts davon. Ich will einen kleinen Hund, einen großen aber noch lieber. Je veuse marier, mais un, quima plait!.

(…)

16.August 1915. abends. Montag.
(…) Jetzt sind schon 3 Übersetzer mit denen ich mich gut stehe. Der Eine ist aus Warschau. Habe ich das schon geschrieben? – In mir ist so eine Unruhe! – Käme nur bald etwas, das mich erbaut! – Was werde ich morgen schreiben? –

Sammlung Frauennachlässe NL 09
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Die Verwendung der Namen der Schreiber/innen und ihrer Familien folgt den vertraglichen Vereinbarungen der Sammlung Frauennachlässe mit den Übergeber/innen. In den Dokumenten genannte Namen dritter Personen werden aus Datenschutzgründen anonymisiert.

  • Zum Tagebuch von Bernhardine Alma im Ersten Weltkrieg siehe auch: Ulrike Seiss, “… ich will keinen Krieg oder als Krankenschwester mit!” Selbstinszenierungen, Kriegsrezeption und Männlichkeitsbilder im Tagebuch einer jungen Frau im Ersten Weltkrieg, Wien, Diplomarbeit, 2002 sowie weiters https://ww1.habsburger.net/de.

Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 45, Tagebuch von Bernhardine Alma, Datum, SFN NL 09, unter: URL