Bernhardine Alma (geb. 1895) führte von 1908 bis 1979 Tagebuch, das schließlich 47 Bänden umfasste, die geschätzt 25.000 Einträge enthalten. Darin dokumentierte sie u.a. auch sehr detailliert die Organisation ihrer unentgeltlichen Kriegshilfsdienst-Arbeiten als Schreibkraft im Ersten Weltkrieg. Seit Frühling 1915 besuchte sie auch regelmäßig Soldaten in Wiener Spitälern. Im Eintrag vom 20. Mai 1915 schildert sie zudem Unterstellungen, die Frauen gemacht wurden, die als Rot-Kreuz-Schwestern tätig waren.
8. Mai 1915. in the evening.
„Schon zu viel edlen Blutes, Warmen Bauernbluts geflossen!“ [Zitat nach „Dreizehnlinden“ von Friedrich Wilhelm Weber] Der Gedanke an die, die buchstäblich leiden und bluten im Feld oder auf dem Meer, ist fürchterlich. Ach, mög die schmerzhafte Mutter Gottes sich der leidenden Frauen und Mütter, sich die himmlische Marienkönigin all des Lebens auf Erden erbarmen und uns von Gott einen Frieden erbitten.
Die Zahl der gef. Russen in den Karpathen soll auf 70.000 gestiegen und Libau [Liepaja in Lettlant] gefallen sein. Die Fr. v. P. [eine Vorgesetzte im Kriegshilfsdienst] hat gesagt, wenn die Russen im Mai aus Galizien kommen, kann im Juni Frieden sein. – Die Totenliste schreibe ich sehr ungern. Bei den Gefangenen freut mich immer, daß sie nicht gefallen sind. Aber die Toten sind so traurig zu schreiben. – Das eine Frl., sie heißt Klara und ist bald 30 Jahre alt, (sieht aber jünger aus), kann ich sehr gut leiden, weil sie sehr nett zu mir ist. Ich will [als Schauspielerin] zur Bühne! – Ich will es mit einer Macht, als ob kein Krieg wäre.
Nächste Woche gehe ich zur Marienandacht und zu den hl. Sakramenten. Hoffentlich ist es morgen nett im Spital, trotzdem ich mich sehr darauf freue, sehr! –
[…]
17. Mai 1915. abends.
Heute war reizendes Wetter; warm, beinahe heiß. Heute war die Lisi da [beim Schreib-Dienst], was öd war, sie ist aber ganz lieb. Die Fr. v. P. war heute schon da und ganz nett; ich war ja wirklich fleißig, als sie fort war. Aber sie redet so gegen unsere Offiziere, nun, sie ist eben eine Deutsche. Und die Deutschen bilden sich so viel ein! –
Wenn nur mit Rußland schon Friede wäre! – Das wäre wenigstens ein Anfang. Der Frieden ist so etwas Schönes – unsagbar schön und auf einmal ist so ein dumm=öder Krieg gekommen. Die Italiener sind ein grausliches Gesindel, aber kein Krieg ist besser als einer. Man muß sich doch nicht gegenseitig umbringen unter Kulturvölkern; das konnten doch schon die Wilden. – Ich möchte etwas Schönes erleben.
[…]
20.Mai 1915. abends.
Wird Krieg mit Italien sein? Es ist ein unausstehliches Gesindel, diese Italiener mit ihrer [d’Anunzio] – aber ich will doch nicht recht wieder einen neuen Krieg, der fordert wieder neue Menschenopfer. – Jetzt ist eine Extra-Ausgabe. – ist es der italienische Krieg? (…)
Die Lisi hat mir sehr viel Schlechtes von den Roten Kreuz Pflegerinnen erzählt. Im Findelhaus [Institution, wo alleine stehende Frauen ihre Kinder zur Welt bringen konnten] sollen auf einmal 3000 gewesen sein u dgl. Man hört viel Schlechtes von ihnen. Ich will aber noch immer Verwundete pflegen. Ich bin etwas umfangen. Morgen muß ich um Kohle gehen, was öd ist. –
Sammlung Frauennachlässe NL 09
Nächster Eintrag aus dem Tagebuch von Bernhardine Alma am 9. Juni 2015
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- Zum Tagebuch von Bernhardine Alma im Ersten Weltkrieg siehe auch: Ulrike Seiss, “… ich will keinen Krieg oder als Krankenschwester mit!” Selbstinszenierungen, Kriegsrezeption und Männlichkeitsbilder im Tagebuch einer jungen Frau im Ersten Weltkrieg, Wien, Diplomarbeit, 2002 sowie weiters https://ww1.habsburger.net/de.
Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 41, Tagebuch von Bernhardine Alma, Datum, SFN NL 09, unter: URL