Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 55: Tagebuch von Bernhardine Alma, 12. bis 14. September 1915, Wien

NL 09 Alma Bernhardine 1915 09 12Die junge Wienerin Bernhardine Alma (geb. 1895) leistete seit Winter 1915 mehrmals in der Woche unbezahlte Schreibarbeiten für das Rote Kreuz. Im Sommer plante sie, dafür Russisch zu lernen. Seit einigen Monaten besuchte sie zudem regelmäßig Soldaten in mehreren Spitälern. Hier hatte sie den Offizier Jaro G. kennengelernt. Nachdem sie sich im Juli 1915 nähergekommen waren, war der Kontakt derzeit abgebrochen. Bernhardine Almas ältere Schwester Cora (geb. 1890) war bereits mit einem Offizier verheiratet. Da er im Kriegsdienst war, wohnte Cora Alma weiterhin bei den Eltern.

12. September 1915, abends
Wenn nur der Krieg einmal ein Ende nehmen wollte. Es ist doch alles auf Erden vergänglich, warum dann der Krieg nicht auf einmal! Ich habe Schwielen an den Händen, weil diesmal der Teig zum Auswalken so hart war wegen des diesmaligen Mehles. –
Heute war ich beim Pfarrer beichten; er war nämlich richtig lieb und ernst und sprach mir so lieb zu. – (…) Dann empfing ich die heilige Communion und einen Anlaß habe ich auch. Aber das gehört für die gefallenen Soldaten (aller Nationen!), für unsere aber am meisten. Der Pfarrer war so herzig. –
Vom S. [einem Soldaten, den die Schreiberin regelmäßig im Krankenhaus besucht hatte] bekam ich einen Dankbrief, er wird mich in seinem ganzen Leben nicht vergessen! Heute war ich nicht im Spital (…) aber heute in 8 Tagen werde ich gewesen sein! – dafür habe ich Marius [jüngerer Bruder, geb. 1902] in Gebrauch stehendes Leintuch geflickt etz. Die Katze von unten war viel heroben. Die ist sehr herzig und kommt gerne. Morgen muß ich zeitlicher ins R.K. [Rotes Kreuz] gehen. Heute badete ich (…) Unten ruft einer mit Extra Ausgaben einen Hindenburgsieg aus! – Ach, der Hindenburg!

13. September 1915, abends
Ich möchte so gerne einmal ins Theater gehen, zu den Meistersingern oder zu einem klassischen Drama. Und dann möchte ich Theaterspielen. Die Marianne möchte mir sehr liegen – oder die Hera:
Ja, denn, du schöner Jüngling, still und fromm
Ich denke dein zu dieser Stunde. –
Das hab‘ ich – ohne dem schönen Jüngling – aber weiter – einmal dem Jaro geschrieben. Aber ich denke schon viel weniger darüber. Ich möchte bloß wissen, wie er darüber denkt.
Der Sergius [der Ehemann der älteren Schwester Cora] bekommt 8 Wochen Urlaub und kommt wahrscheinlich am Donnerstag. Dann ziehen er und Cora hier in die Nähe. Ohne die Cora wird es eine nette Abwechslung sein. Heute war es warm. (…)

14. September 1915, abends
Es wird Herbst. Wann wird endlich Frieden sein? – (…) Im R.K. war es sehr nett. Die Anny P. (…) ist ein sehr liebes Mädel zu mir. (…) In der Übersetzung war ich auch und sie unten sehr schnell. Mit mir sind die meisten Leute nett. –
Cora hat ein sehr nettes Zimmer in der Hedwiggasse 4 aufgenommen. Ich bin neugierig, wann das Glück zu mir kommt! Dein Wille geschehe!

Sammlung Frauennachlässe NL 09
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  • Zum Tagebuch von Bernhardine Alma im Ersten Weltkrieg siehe auch: Ulrike Seiss, „… ich will keinen Krieg oder als Krankenschwester mit!” Selbstinszenierungen, Kriegsrezeption und Männlichkeitsbilder im Tagebuch einer jungen Frau im Ersten Weltkrieg, Wien, Diplomarbeit, 2002 sowie weiters https://ww1.habsburger.net/de.

Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 55: Tagebuch von Bernhardine Alma, Datum, SFN NL 09, unter: URL.