CfP: Biographie und Recht (Event, 04/2010, Göttingen); DL: 30.11.2009

Sektion Biographieforschung und Sektion Rechtssoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS); Vorbereitet von: Thomas Scheffer, Christine Müller-Botsch, Rixta Wundrak, Michaela Köttig, Martina Schiebel und Gerhard Riemann, Göttingen

Zeit: 23.-24.04.2010
Ort: Methodenzentrum der Georg-August-Universität
Deadline: 30.11.2009

Die weitgehende und wechselseitige Durchdringung von Recht und Biographie in modernen, individualisierten Gesellschaften wird selten explizit zum Thema gemacht. Der Workshop möchte Gelegenheit bieten, diese Beziehung in ihren verschiedenen Facetten zu beleuchten und in ihren Wirkungsweisen zu diskutieren.

Aus bürokratischen und gerichtlichen Kontexten wissen wir: Recht stellt besondere Anforderungen an biographische Darstellungen sowie an die Biographiearbeit des Einzelnen. Es müssen exakte Daten verbindlich aufgeführt, Belege beigebracht und Irrtümer ausgeschlossen werden. Gleichzeitig hinterlassen rechtförmige Prüfungen, Verfahren und Urteilssprüche selbst wiederum Spuren in Biographien, etwa indem Strafen ausgesprochen oder Rechtstitel vergeben werden. Recht und Biographie sind außerdemdort eng verwoben, wo Normalbiographien definiert sind und Abweichungen mindestens unter Rechtfertigungszwang stehen. In juristischen Kontexten werden Rechtssubjekte konstituiert, die offizielle Biographien benötigen; der Rechtsverkehr knüpft mitlaufend an eine Auswahl biographischer Daten an; Rechtskonflikte nutzen eigene biographische Repräsentationen.

Aus den Verschränkungen von Recht und Biographie ergeben sich relevante Fragen, z.B.:

  • Welche Bedeutung hat Recht in biographischen Verläufen?
  • Wie tritt Biographie in der Rechtspraxis in Erscheinung?
  • Oder pointierter: Wie findet eine ‚Verrechtlichung‘ biographischer Erfahrung statt?
  • Wie erfolgt die biographische Verarbeitung von Rechtskonflikten oder erfahrenem Unrecht?
  • Wie lernen die sog. ‚kleinen Leute‘ die Anforderungen des Rechts in ihren biographischen Darstellungen – auch zum eigenen Nutzen – zu bedienen?

Die Verschränkungen reichen von der Gestaltung und Wandelbarkeit von Biographien für rechtliche Anforderungen, über die Standardisierung von Biographien durch Recht, über die Zirkulation und Übersetzung von Biographien in Rechtsdiskursen bis hin zur Verarbeitung von Verhör- und Verurteilungserfahrungen in biographischen Erzählungen.

Im Rahmen des gemeinsamen Workshops der Sektionen Biographieforschung und Rechtssoziologie der DGS sind Forscherinnen und Forscher aus unterschiedlichen Disziplinen eingeladen, ihre Arbeiten zum Themenkomplex vorzustellen.

Willkommen sind dabei Beiträge aus allen sozialwissenschaftlichen Forschungsfeldern, die sich mit Recht und Biographie theoretisch inspiriert oder empirisch fundiert befassen: etwa auch aus professionssoziologischer Sicht (z.B. zu Richterbiographien), aus kriminologischer Sicht (z.B. zu „repeat offenders“), in der Migrationsforschung (z.B. zu Fluchtgeschichten), in der Konversationsanalyse und ethnographischen Soziolinguistik (z.B. biographisches Erzählen in Verhörsituationen).

Neben der Vorstellung von Forschungsarbeiten im Plenum besteht die Möglichkeit, Daten in kleineren Arbeitsgruppen zu diskutieren. Die Basis für Diskussionen am Material können Dokumente (Formulare, Personalakten), Interviews (insbesondere biographisch-narrative), ethnographische Feldprotokolle (etwa zum Gebrauch von Biographie) oder auch Gerichtsprotokolle, Anklageschriften, Urteile und Ermittlungsakten oder audio/visuelle Aufzeichnungen sein.

Vorschläge mit kurzen Abstracts (max. 2000 Zeichen) bitten wir bis zum 30.11.2009 sowohl an Christine Müller-Botsch (mueller-botsch#gmx.de) für die Sektion Biographieforschung als auch an Thomas Scheffer (scheffer#law-in-action.org) für die Sektion Rechtssoziologie zu senden.

URL zur Zitation dieses Beitrages: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=12131

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