OE1-Reihe „Moment-Leben-Heute“
Gestaltung: Alexandra Faber
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Fragmente aus vielen Leben. Ein Museum der Frauen
Das erste und einzige Frauenmuseum in Österreich befindet sich in der kleinen Gemeinde Hittisau im Bregenzerwald in Vorarlberg. Seit April dieses Jahres wird diese Vorarlberger Kulturinstitution von einer neuen Direktorin geleitet. Stefania Pitscheider-Soraperra hat das Museum im neunten Jahr seines Bestehens von Elisabeth Stöckler übernommen.
Frauenleben nachgezeichnet
Die von Christa Hämmerle, Li Gerhalter und Nikola Langreiter kuratierte Ausstellung „Frauennachlässe – Fragmente aus vielen Leben“ gibt auf behutsame Weise Einblicke in das Leben verschiedener Frauen. Gezeigt werden Fotografien, Haushaltsbücher mit persönlichen Notizen, Tagebücher sowie Feldpostbriefe. Auch amtliche Dokumente, Schulhefte und literarische Manuskripte dokumentieren das Leben von Frauen aus verschiedensten Regionen Österreichs. Die Dokumente stammen aus der Sammlung Frauennachlässe, die seit 1991 am Institut für Geschichte der Universität Wien aufgebaut wird. Jetzt sind in Hittisau Teile daraus das erste Mal außerhalb des universitären Kontexts zu sehen.
Berührende Schicksale und kuriose Aufzeichnungen
Ein besonders erschütterndes Schicksal hat die Bregenzer Geschäftsfrau Karoline Redler erlitten, die 1943 von der Gestapo verhaftet und 1944 in Wien hingerichtet wurde. In der Ausstellung ist das Gnadengesuch zu sehen, das die 60-Jährige zwei Monate vor der Hinrichtung gestellt hat. Besucher und Besucherinne können auf einem Audiogerät auch die Briefe anhören, die Karoline Redler in der Todeszelle schrieb.
Neben diesen berührenden Dokumenten aus den letzten Lebenstagen einer starken Frau gibt es auch alltäglichere Themen, die präsentiert werden. So etwa ein Filmverzeichnis, in dem eine Wienerin in den 1930er Jahren des vorigen Jahrhunderts penibel ihre Kinobesuche samt Filmtiteln aufgelistet hat.
Die Schau wird ergänzt durch Exponate aus der Region rund um Hittisau. Eine Kulturvermittlerin des Museums, Ida Bals, hat etwa den Mondkalender ihrer Großmutter beigesteuert, auf dem sie die Mondphasen eingezeichnet und danach ihre Tätigkeiten im Haushalt ausgerichtet hat.
Frauenmuseum in Frauenhand
Starke und selbstständige Frauen sind nicht nur Thema in der Ausstellung, ebensolche Frauen prägen das gesamte Erscheinungsbild des Museums. 13 Bregenzerwälderinnen unterschiedlichen Alters bringen ihre Anregungen ein: „Im Moment sind wir Frauen in einem Alter von Mitte 20 bis 80. Gerade wenn man sich auf eine Ausstellung vorbereitet, diskutieren wir ganz intensiv in der Gruppe – und das generationenübergreifend. Natürlich bringt das auch Konfrontationen mit sich, aber insgesamt ist das sehr bereichernd für die Gruppe.“ so Ida Bals.
In den Führungen durch das Museum präsentiert jede der Kulturvermittlerinnen auch ein bisschen ihren Zugang zum Thema.
Vergessene Kinderbuchillustratorin neu entdeckt
Synergieeffekte nutzen, das ist das Ziel der neuen Leiterin Stefania Pitscheider-Soraperra. Sie möchte, so wie bei der aktuellen Ausstellung, mit anderen Kulturinstitutionen kooperieren: „Es gibt rund 30 Frauenmuseen weltweit, da suchen wir sehr stark die Zusammenarbeit. Wir sind aber auch offen für andere Kooperationen.“ Für das Jubiläumsjahr 2010, in dem das Museum sein zehnjähriges Bestehen feiert, wird schon geplant.
Die nächste Ausstellung ist einer sehr bekannten Trickfilmzeichnerin, Graphikerin und Kinderbuchillustratorin gewidmet, die die Vorstellungswelt einer Generation von Kindern geprägt hat. Susi Weigel war es, die die zauberhaften Illustrationen zu „Bärli Hupf“, „Die Omama im Apfelbaum“ und dem „Kleinen Ich bin Ich“ geschaffen hat.
Für Stefania Pitscheider-Soraperra und ihre Mitarbeiterinnen wird das Projekt eine neue Herausforderung, eine Brücke zwischen den Generationen zu schlagen. Eine Herausforderung, die die selbstständigen Frauen aus dem Bregenzerwald gerne annehmen.
Text: Alexandra Faber, http://oe1.orf.at/highlights/143730.html