Vortrag: Petra Bopp: Blick: Gegenblick: Private Kriegsfotografie im Europa des Zweiten Weltkriegs, 03.02.2017, Wien

0x08B5B67ACFE49FCDEAE4FBBD61359EE2Vortrag im Rahmen der Ausstellung „Fremde im Visier. Fotoalben aus dem Zweiten Weltkrieg“, bis 19.02.2017 Österreichisches Museum für Volkskunde (Web)
Zeit: Fr, 03.02.2017, 18:30
Ort: Volkskundemuseum Wien, Laudongasse 15-19, 1080 Wien
Konstitutiv für die Erarbeitung der verschiedenen Bildbestände von Soldaten und Zivilisten in den europäischen Ländern im Zweiten Weltkrieg ist die Differenzierung nach ihren Entstehungsbedingungen. Wehrmachtsoldaten fotografierten – ermutigt und angehalten von der staatlich indoktrinierten Bildpolitik des NS – in ungeahntem Ausmaß an der Front und in der Etappe. In den besetzten Ländern kontrollierten die NS-Besatzungsorgane die Bildjournalisten und Presseorgane und verboten jegliches private Fotografieren. Dennoch entstanden vielfache Fotokonvolute innerhalb der Widerstandsbewegungen, um die Zerstörungen und den Terror der Besatzungsherrschaft als Beweismittel festzuhalten. Aber auch die Kollaboration forcierte die visuelle Dokumentation nach dem Vorbild der deutschen Propaganda.
Lag der Fokus bislang jeweils auf den einseitig national von deutscher und österreichischer Seite aus aufgenommenen Fotos der Menschen und Kriegsschauplätze in den besetzten Gebieten, so werden in einer weiterführenden Perspektive die privaten Kriegsfotos der Soldaten und Zivilisten mit ihrem Blick auf die Wehrmacht erforscht und analysiert. Im Kontext von vergleichenden europäischen Studien und transnationalen Untersuchungen ermöglicht die Methode der histoire croisée eine differenzierende Betrachtung der visuellen Erinnerungskonstruktionen in den einzelnen Ländern.
Petra Bopp studierte Kunstgeschichte in Hamburg und Paris. Sie arbeitet als freie Kunsthistorikerin und Kuratorin in Hamburg und Berlin.
Ausstellung „Fremde im Visier. Fotoalben aus dem Zweiten Weltkrieg“ (Web)
Ort: Volkskundemuseum Wien, Laudongasse 15-19, 1080 Wien
Laufzeit: bis So, 19.02.2017
Die Ausstellung hält nach Orten in Deutschland und den Niederlanden sowie in Graz ihre nunmehr 8. Station in Wien. Lokale Erweiterungen kommen aus der der Sammlung Frauennachlässe an der Universität Wien sowie aus privaten Beständen. Es wurde zudem ein Aufruf zum Sammeln weiterer Alben gestartet.
Private Kriegsalben sind individuell konstruierte Erinnerungsräume einer ganzen Generation. Sie geben den Blick frei auf die visuellen Zeugnisse der Soldaten, ihre Sicht auf den Krieg. Die Vielschichtigkeit im Hinblick auf fotografische Intention, Motiv und Bedeutung unterscheidet die private Fotografie von den Einzelmotiven professioneller Propaganda-Kompaniefotografen, die ideologisch eindeutige Aufträge zu erfüllen hatten.
Vorgefertigte Alben mit den Insignien des Nationalsozialismus – Hakenkreuz, Eichenlaub und Adler – sollten mit den Fotos von Hitler, Göring und anderen Generälen auf Vorsatzblättern die Ideologisierung dieses militarisierten Teils der „Volksgemeinschaft“ in den „Erinnerungen an meine Dienstzeit“ vorantreiben. In den letzten Kriegs- und frühen Nachkriegsjahren entstanden aber auch Konvolute, häufig in schlechter Papierqualität und als einfache Hefte, die von dem dringenden Bedürfnis zeugen, Fotos der traumatischen Kriegsjahre zu bewahren.
Was lässt sich aus der medialen Aneignung mittels Fotografie zwischen Kommunikation, Distanz und Unterwerfung schließen? Inwieweit wird die ideologische Rhetorik des NS-Regimes, werden die verbalen und visuellen Feindbilder der Propaganda reproduziert? Wie sehen die unterschiedlichen räumlichen Ordnungssysteme im Album aus? Was lässt sich aus der oft chaotischen Montage der Bilder und ihrer Beschriftung erschließen? Was sagen die Text-Bild-Kombinationen über die Selbstvergewisserung der Soldaten aus? Wie lässt sich die Zerrissenheit zwischen subjektivem Erleben und repräsentativer Darstellung erfassen? Welche Rolle spielen die Bilder und ihre Narration im großen Verschweigen der Nachkriegsjahre?
Kuratorinnen:
Dr. Petra Bopp studierte Kunstgeschichte in Hamburg und Paris. Sie arbeitet als freie Kunsthistorikerin und Kuratorin in Hamburg und Berlin.
Sandra Starke M.A. studierte Geschichte und Europäische Ethnologie an der Humboldt-Universität Berlin. Sie arbeitet als Fotohistorikerin und Kuratorin in Berlin.