Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 126: Tagebuch von Bernhardine Alma, 20. Februar bis 18. April 1918, Wien

Bernhardine Alma (geb. 1895) war Wienerin. In ihrem regelmäßig und ausführlich geführten Tagebuch dokumentierte die junge Frau ihr soziales Umfeld in einer gutbürgerlichen Familie, ihre Tätigkeiten im Kriegshilfsdienst des Roten Kreuzes, wo sie inzwischen eine gewisse Position erreicht hatte, die Arbeiten im elterlichen Haushalt, die Schwierigkeiten, Lebensmittel zu besorgen und sie gab ihre Einschätzungen der politischen Lage ab. Im Winter 1918 beschäftigten sie zudem der Umzug ihrer älteren Schwester Cora von S. nach Rumänien sowie die Sorgen um ihren Geliebten Jaro S., der an die Front eingezogen war und von dem sie seit Wochen kein Lebenszeichen mehr erhalten hatte.

20. II. 1918, abends Mittwoch
„Nun muß sich alles, alles wenden!“
Heut‘ hab ich [von Jaro G.] ein reizendes Karterl und ein noch reizenderes Brieferl bekommen – er ist in Italien, I. R. 32/IV, Fp. 648. Gott sei Dank ist er wieder Adjutant. Er durfte bisher nicht schreiben, auch seinen Eltern nicht. Den Brief ließ er durch einen Kollegen in Pest aufgeben. Er bat mich nicht böse zu sein, der dumme Krieg sei Schuld – er ist nach 2 Tagen damals von Wien telegrafisch abberufen worden und ich solle ihm so lieb schreiben, wie ich es könne! – U.s.w.
Ich danke Gott vom ganzen Herzen! –
Und mit Rußland wird doch wieder Friede! Und manchmal scheint die Sonne so hoffnungsvoll. – Wenn nur Friede würde! – […]

26. Februar 1918, abends Montag
[…] Am Donnerstag gab ich meinen Antwortbrief an Jaro auf. Muß nachtmahlrichten. – […] Gestern wieder R. K. [Dienst im Roten Kreuz] Jetzt ist’s nur mehr 3 x wöchentlich und zwar Montag, Mittwoch u. Freitag.

1. März 1918 abends. Freitag
Jetzt fangt wieder ein neuer Monat an – was wird er bringen? Was wird die Zukunft überhaupt bringen? […] Mittwoch St. E. G. [vermutlich eine bestimmte Lebensmittelverkaufsstelle?] Zahnarzt, R. K. Das R. K. ist mir so fremd geworden, ich wollt es wäre schon ganz aus. Für zuhause hab ich viel zu tun, das ist aber selbstverständlich. Ich kann mich doch nicht umsonst ganz erhalten lassen! – Heute St. E. G. Heute ist die Co [die ältere Schwester Cora von S., geb. 1890] mit dem Mädi schon vor Mittag gekommen und da geblieben, weil sie abends fort fährt. [Cora von S. hatte im Sommer 1916 geheiratet. Ihr Ehemann Sergius von S. stammte aus Rumänien, wo sie nun mit ihrer kleinen Tochter hinzog.] Die Eltern und Marius [der jüngere Bruder, geb. 1902] sind mit ihr am Bahnhof und noch nicht zurück. Mir hat’s sehr leid getan, wie die Co weg ist – und ich wünsche ihr nur Glück und Freude zu ihrem neuen Leben. Die Fahrt wird für sie ödartig sein, aber dort wartete dann schon der Sergius. Und sie fährt ja zu dem, den sie gerne und lieb hat! Ich weiß nicht, warum mir diesmal so leid um sie war! Die Kleine ist auch riesig herzig. Gott schütze und segne sie! – – […]

4.III. 1918 abends.
Gestern wurde der Friedensvertrag mit Rußland unterzeichnet! „Das Höchste, Schönste, wie es nun erscheint, indem es anders kommt, als wir gedacht, Erfolg beinah‘, wie alles Große schreckt!“ Ich weiß nicht, daß ich nicht mehr Freude über den Frieden hab‘, vielleicht faß‘ ich’s noch nicht ganz! Jedenfalls danke ich Gott unendlich dafür! Gott ist so gut! Nun möge Er uns auch den allgemeinen Frieden schenken! Hoffentlich recht, recht bald! – Samstag war ich beim Prof. B. [vermutlich ein Lehrer des Bruders], nach Marius nachfragen. Er ist nicht gar zufrieden, war aber sonst sehr nett. […] Heute war ich beim Prof. O. nachfragen; er ist ganz zufrieden. Dann war ich auf der Brotkommission und dann im Spital bei den Schwestern Haveria u. Karolina, ihnen Wein bringen. Sie hatten sehr viel Freude darüber und waren sehr herzig. Die Schwester Karolina gab mir ein herziges Heiligenbild. Vielleicht gebe ichs da herein. [Seit 1915 besuchte die Schreiberin regelmäßig Wiener Krankenhäuser, um dort verwundeten Soldaten kleine Geschenke zu bringen und Gesellschaft zu leisten.] Im R. K. war ein Zirkular, daß Mittwoch der letzte Nachmittagsdienst ist weil wir keine Arbeit mehr haben! Die erste Wirkung des Friedens! Der H. war dann so reizend; ich solle eventuell zuhause arbeiten und vormittags liefern und holen, oder ihn so manchmal Vormittag besuchen. Er will mich sehen, daran wird er gesund, dann redete er von meiner Jugend, dankte mir so lieb – (wirklich seh‘ ich ihn Mittwoch noch – ich gehe da früher fort und er kommt oft spät!) sagte brav „gnädiges Fräulein“ u.s.w. – Mir ist’s doch sehr schwer geworden – ich hab’s doch so lange mitgemacht, es ist mir lieb und vertraut geworden – eine wunderschöne Zeit hab ich erlebt, während ich gleichzeitig ins R. K. ging – und ich kann Abschied nehmen u. dgl. nicht leiden. Aber lange dauert so was bei mir nicht – Heut kam schon Cora Nachricht. – Die Zukunft liegt dunkel da – langsam fällt ein Lichtstrahl hinein, immer weiter – immer weiter – was zieht er aus der Finsternis? – D.W.g.! – […]

18. IV. abends, Donnerstag.
Das Wetter ist so schön mild, man wird glücklicher und dem zu Folge besser in dieser Zeit. – – – Sonntag war der O. Rudolf v. M. [Onkel Rudolf] da; ich glaub‘, es ist ihm nicht recht, wenn ich im Schachspiel gegen ihn gewinne. Montag Nachmittag R. K. […] Ich wollte, unser kleiner Kaiser möchte den Frieden durchsetzten – und dann muß er sich von der Zita scheiden lassen! Im R. K. war es sehr öd; ich kann die Leute dort nicht leiden und ginge am liebsten nicht mehr hin. Montag, Mittwoch St. E. G. Morgen wird’s auch sein, da hab‘ ich dann Waschtag auch. […]

Sammlung Frauennachlässe NL 09
Nächster Eintrag aus dem Tagebuch von Bernhardine Alma am 24. Oktober 2018
Voriger Eintrag aus dem Tagebuch von Bernhardine Alma am 7. Februar 2018

Die Verwendung der Namen der Schreiber/innen und ihrer Familien folgt den vertraglichen Vereinbarungen der Sammlung Frauennachlässe mit den Übergeber/innen. In den Dokumenten genannte Namen dritter Personen werden aus Datenschutzgründen anonymisiert.

  • Zum Tagebuch von Bernhardine Alma im Ersten Weltkrieg siehe auch: Ulrike Seiss, “… ich will keinen Krieg oder als Krankenschwester mit!” Selbstinszenierungen, Kriegsrezeption und Männlichkeitsbilder im Tagebuch einer jungen Frau im Ersten Weltkrieg, Wien, Diplomarbeit, 2002 sowie weiters https://ww1.habsburger.net/de.

Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 126, Tagebuch von Bernhardine Alma, Datum, SFN NL 09, unter: URL