Organisation: Fachgruppe „Medien und Geschlechterverhältnisse“ der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK), Fachgruppe „Medienpädagogik“ der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft (DGPuK), Institut für Medienforschung und Medienpädagogik der FH Köln (IMM)
Zeit: 28. bis 30. Oktober 2010
Ort: FH Köln
Deadline: 20.06.2010
Mit dem Begriff Pornografisierung versuchen wir ein Phänomen zu fassen, das sich in unterschiedlichen gesellschaftlichen und kulturellen Bereichen zeigt. Gesellschaftliche Themen und Bedeutungen und auch Alltags- und Lebensfragen werden offenbar zunehmend über freizügige Körperdarstellungen, eine sexualisierte Sprache und ein lustbetontes Miteinander verhandelt. Es treten immer neue Phänomene hinzu, z.B. „Cybersex“ oder „Sexting“.
Pornografische Anleihen und Bezüge finden wir dabei in allen gesellschaftlichen und kulturellen Bereichen, so auch im Kinofilm, Musikvideo, in den Printmedien, im Fernsehen oder im Internet. Die Medien- und Popkultur setzt auf Stars, die hoch sexualisierte Körper zur Schau stellen, darüber singen, rappen, sprechen, performen. Nacktheit, lustvoll inszeniert und häufig mit Gewalt verknüpft, bricht Tabus, fasziniert und verkauft sich dementsprechend gut.
Die in Medien zur Schau gestellten Köper folgen dabei zumeist stereotypen Fiktionen von Geschlecht und produzieren frauenfeindliche, rassistische und homophobe Bilder und Texte. Besorgnis erregen diese Bilder u.a. auch deshalb, weil sie über das Internet deutlich leichter und zudem über anonyme Wege verfügbar sind.
Gleichwohl befriedigen diese Bilder sexuelle Neugier und Schaulust. Medien sind attraktiv, da sie keine Tabus kennen. So erhoffen sich Jugendliche in Medien Informationen über Sexualpraktiken, die sie (noch) nicht praktizieren, suchen Sicherheit im Umgang mit dem sich ver-ändernden Körper und ihren sexuellen Gefühlen und erhoffen sich erste Antworten auf intime Wünsche und Fragen. Insbesondere unter „Gleichgesinnten“, den Peers, werden pornografi-sche Inszenierungen als Aufklärungsquelle zur Selbstsozialisation genutzt. Gleichzeitig werden pornografische Inszenierungen auch in Dienst genommen, um Normierungen und Grenzen auszutesten und zu provozieren. In vermeintlich privaten Selbstinszenierungen auf Web-sites präsentieren sich Jugendliche z.B. freizügig und verführerisch.
Die zunehmende Bedeutung von freizügigen Körperdarstellungen und lustbetonten Erlebnissen verweist auf eine wachsende Kluft zwischen der Alltags- und Lebenswelt von Mädchen und Jungen und dem Jugendmedienschutz. Auf der einen Seite steht die Lust, die Neugier und auch das Bedürfnis, in einer Welt mit diversen pornografischen Bezügen mitreden, sich sicher bewegen und ausprobieren zu können, auf der anderen Seite fördert die „Teilhabe“ die Entstehung illegaler Situationen. Zu diskutieren ist, wie Abweichungen vom pädagogisch kontrollierten und gelenkten Blick bzw. die Neugier und Offenheit von Jugendlichen gegenüber dem Thema in einer konstruktiven Auseinandersetzung fruchtbar gemacht werden können.
Auch Erwachsene sind im Netz aktiv. Sie finden dort eine Vielzahl von Anwendungen mit pornografischen Inhalten (z.B. Porno-Suchmaschinen, 3D-Sex-Simulatoren, Porno-Games, 3D-Porno-Animationen). Im Zuge der einfacheren Herstellung, Verbreitung und Aneignung von Pornografie durch neue Technologien und Netzkommunikation weichen bisher gezogene Grenzen zwischen Hardcore- und Softcore-Pornos, ProduzentInnen und KonsumentInnen sowie kommerziellem und nicht-kommerziellem Material immer stärker auf. Offen ist, ob damit Bedeutungsverschiebungen im Hinblick auf stereotype Fiktionen von Geschlecht, sexuelle Orientierungen, „race“, Ethnizität, Religion und sozialen Status einhergehen oder auf welche Weise sexistische, heteronormative, rassistische und sozialhierarchische pornografi-sche Repräsentationen fortgeschrieben werden.
Die bisher genannten Diskurse repräsentieren freilich nur eine Seite von Pornografisierung. Beobachten lassen sich in den letzten Jahren auch zunehmend „postpornografische“ Gegenbilder zu sexistischen, rassistischen, heteronormativen und gewalthaltigen pornografischen Medientexten. ProduzentInnen aus der Netszene und der alternativen Pornszene bringen ihre eigenen Ästhetiken und Bilder von Sexualität in Umlauf. Insbesondere im Bereich der Kunst werden Tabuisierungen in Frage gestellt und das Verhältnis von Macht, Blick und Körper mit Bezug auf pornografische Szenarien neu untersucht und auf vielfältige Weise dargestellt.
Zudem liefert das Internet für Männer, Frauen, Queers, Bisexuelle, Transgender, Intersexuelle etc. einen attraktiven, da anonymen Raum, in dem das eigene sexuelle Begehren kommuni-ziert und reflektiert werden kann. Solche parallelen Kunst- und Alltagsdiskurse machen Transformationspotentiale dualer Geschlechtergrenzen sichtbar und stellen damit auch gesell-schaftlich angenommene Übereinkünfte in Frage. Unter dem Claim „doing beyond gender“ werden z.B. in jüngster Zeit Strategien, Taktiken und Produktionsweisen gefasst, um herrschende Geschlechtergrenzen, regulierte Körperordnungen und normative Geschlechterzuschreibungen zu durchkreuzen und zu überschreiten. Zudem werfen Veranstaltungen wie das Symposium zu „Post Porn Politics“ queer feministische Perspektiven auf die Politik von „Porn Performances“.
Für die Konferenz haben wir den vorgesehenen Titel bewusst mit einem Frage- und Anfüh-rungszeichen versehen, da wir das Phänomen „Pornografisierung von Gesellschaft“ zunächst in seinen vielfältigen Facetten beleuchten und diskutieren – also nicht vorschnell Schlüsse ziehen möchten. Themenbereiche, die im Fokus der Konferenz stehen, sind folgende:
a) Film und queere Perspektiven auf Porno
b) Musik und pornografische/sexualisierte Lyrics und Performances
c) Perspektiven auf Porno in Kunst und Literatur
d) Sexualisierte und/oder rassistische Darstellungen von Körpern in Medien
e) Pornografisierung und neue Medien (z.B. Sexting, Cybersex)
f) Jugend und Sexualität (z.B. Selbstaufklärung, Selbstinszenierung, Selbsterprobung)
g) Pornografische Bezüge in der Jugendkultur, in der Jugendsprache, in Jugendzeitschriften
h) Veralltäglichung von Porno (z.B. Spam)
i) Rechtliche und gesetzliche Spielräume und Grenzen im Umgang mit Pornografie
Unser Ziel ist es, am Ende der Konferenz zu einer differenzierten Einschätzung der „Pornografisierung von Gesellschaft“ sowohl in theoretischer als auch in praktischer Hinsicht zu gelangen.
Die Konferenz wird transdisziplinär gestaltet und an der FH Köln sowie an anderen Orten in der Stadt Köln stattfinden. Es dürfen nicht nur wissenschaftliche Beiträge eingereicht werden, vielmehr möchten wir auch zu kulturellen und künstlerischen Formen der Auseinandersetzung mit dem Thema „Pornografisierung von Gesellschaft“ einladen. Unser Ansinnen ist es, das Thema möglichst breit und perspektivenreich zu diskutieren.
Einreichung der Themenvorschläge bzw. Abstracts
Die Konferenz findet vom 28. bis 30.10.2010 an der FH Köln statt. Sie bietet Raum für 30-minütige Vorträge und alternative kulturelle und künstlerische Formen der Auseinanderset-zung mit dem Thema „Pornografisierung von Gesellschaft“ z.B. im Rahmen von Workshops, die je nach Umfang 2- oder 4-stündig stattfinden können. Wir bitten um Zusendung von Abstracts und alternativen Workshop-Ideen in elektronischer Form (1 bis 2 Seiten) bis zum 20.06.2010 an Martina Schuegraf (schuegraf@medienwissenschaft.uni-siegen.de) und Angela Tillmann (angela.tillmann@fh-koeln.de). Die Abstracts bitte immer an beide Organisatorin-nen schicken.
Die Einreichungen werden vom Organisationsteam begutachtet. Berücksichtigt werden nur Beiträge, die einen klaren inhaltlichen Bezug zum Tagungsthema erkennen lassen. Eine Rückmeldung über die Annahme der Beiträge erfolgt bis zum 30.07.2010.
Für evtl. Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.
Für die Fachgruppen und das Organisationsteam
Dr. Martina Schuegraf, Siegen
Prof. Dr. Angela Tillmann, Köln