CfP: „‘Eigen’ und ‚anders’ – Abgrenzungen und Verstrickungen. Geschlechterforschung und Psychoanalytische Pädagogik im Dialog (Event, 10/2010, Paderborn); DL: 15.04.2010

Gemeinsame Tagung der Sektion Frauen- und Geschlechterforschung (Web) und der Kommission für psychoanalytische Pädagogik

Zeit: 08.-09.Oktober 2010
Ort: Uni Paderborn
Deadline: 15.04.2010
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Die Begegnung mit dem ’Anderen’ stellt ein anthropologisches Grundverhältnis dar. Menschen unterhalten Beziehungen zueinander, lehnen sich aneinander an, grenzen sich voneinander ab, ahmen sich gegenseitig nach oder passen sich an. Die Identität des Einzelnen wie der Gruppe erwächst aus der Differenz und der Abgrenzung, entwickelt sich also durch Konfrontationen und Irritationen in Beziehungen zu anderen Menschen, Dingen und vor allem: anderem Denken. ‚Anders’ ist ja selbst ein relationaler Begriff, und da wir uns mit der Neutralität so schwer tun, heißt er im Prozess der Einschätzung und Bewertung letztlich immer: anders als ich, anders als ich denke oder will.

Ob nun etwas als andersartig erlebt und mit welchen Bewertungen es konnotiert wird, variiert je nach Situationsdefinition, Deutungsmustern und Ordnungsleistungen, je nach subjektiven Vorverständnissen und der eigenen Selbstverortung. Das ‘Andere’ ist somit eine Konstruktionsleistung des Subjekts, eine Abgrenzungsmaßnahme, ein aktives ‘Othering’, und das Verstehen des ‘Anderen’ ist eine Tätigkeit, die auf Akten des Selbstverstehens, der Selbstauslegung beruht.

Geschlechterforschung und Psychoanalyse/psychoanalytische Pädagogik sind beide zentral, wenn auch je unterschiedlich mit dem Thema der Andersheit, Fremdheit und dem Verhältnis zum Anderen befasst. Die Frauen- und Geschlechterforschung ging aus von der wissenschaftskritischen Analyse der Konstruktion der Frau als ‚Anderem des Mannes’, des Weiblichen als des ‚Anderen der Vernunft’, von der letztlich daraus abgeleiteten ungleichen Positionierung in der Gesellschaft und der Tradierung dieses Denkens in Erziehungs- und Bildungsprozessen. Die Reichweite der Konstruktion eines ‚Anderen der Vernunft’ und ihre Bedeutung für das Denken nicht nur über Geschlecht(er) sind dabei nach und nach immer differenzierter durchdacht und verstanden worden und bilden auch die Basis für die Frage nach dem Zusammenwirken unterschiedlicher Differenz – und Abgrenzungskategorien (meist mit dem Wortpaket „race-class-gender“ umschrieben). Hier stellt sich dann vor allem die Frage, ob Geschlecht eine spezielle Art von Differenz bezeichnet und ob der ‚Andere des anderen Geschlechts’ ein ‚besonderer Anderer’ ist.

Für die psychoanalytische Theorie sind ‚das Andere’ und ‚der Andere’ fundamental, angefangen vom Freudschen Konzept des Unbewussten, das dem Ich etwas Nicht-Verstandenes, Widersprüchliches, eine Uneindeutigkeit einträgt, bis zu Lacan, der dem (kleinen) anderen und dem (Großen) Anderen einen zentralen Stellenwert für die Konstitution des Subjekts zuschreibt. Der/das Andere tritt auch hier immer als ein Verhältnis auf und niemals als Qualitätszuschreibung an konkrete Andere. Auch für die Psychoanalyse ist das Weibliche im Übrigen immer ein zentrales Element von Andersheit – angefangen vom Körper der Mutter, der als „Unheimliches“ (Freud) oder als erstes verlorenes Objekt (Lacan) eine Folie bei der Entstehung von Subjektivität bildet. So ließe sich auch von hier aus fragen, was psychoanalytische Konzepte von Andersheit und Fremdheit zu der Frage beitragen können, wie sich die verschiedenen Differenzierungs? und Abgrenzungskategorien zueinander verhalten – wobei die Psychoanalyse ja der Verwendung von Kategorien und Kategorisierungsprozessen grundsätzlich kritisch gegenüberstehen müsste.

Die Sektion Frauen- und Geschlechterforschung und die Kommission Psychoanalytische Pädagogik laden nun zu einer gemeinsamen Tagung ein, um die unterschiedlichen Zugänge zu dieser Thematik zusammenzutragen und der Frage nach den Repräsentationen des ‚Eigenen’ und des ‚Anderen’, den Konzepten von Dazugehören und Nichtdazugehören, von passend und unpassend, von Anpassung und Widerstreit auf verschiedenen Ebenen der Diskurse und des pädagogischen Handelns nachzugehen.

Wir erwarten dabei von den KollegInnen, die sich an der Tagung beteiligen möchten, nicht, dass sie in beiden Theoriefeldern beheimatet sind oder beide Perspektiven abdecken sollen – sondern dass jedeR aus seiner/ihrer Sicht, Kenntnis und Interesse Beiträge beisteuert, die der gemeinsamen Diskussion dienlich sein können.

Die Tagung wird am 8./9. Oktober 2010 an der Universität Paderborn stattfinden. Exposés zu theoretischen, empirischen, bildungshistorischen und forschungsmethodologischen Beiträgen erbitten wir bis zum 15.4.2010 an folgende Adressen:

  • Barbara Rendtorff (hier für die Kommission Psychoanalytische Pädagogik): Barbara.Rendtorff@uni-paderborn.de
  • Elke Kleinau (für die Sektion Frauen- und Geschlechterforschung): Elke-Kleinau@web.de

Kontakt
Humboldt-Universität zu Berlin
Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien
Geschäftsführerin
Dr. Gabriele Jähnert
Email: gabi.jaehnert@gender.hu-berlin.de
Tel.: 030 2093 8204 oder 2093 46201
Axel-Springer-Straße 54b
10117 Berlin
http://www.gender.hu-berlin.de

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