Der Erste Weltkrieg in Nachlässen von Frauen Nr. 137: Feldpost von Christl Lang und Leopold Wolf, 15. und. 22. Oktober 1918, von einem unbekannten Ort in Italien nach Niederösterreich

Christine Wolf (geb. Lang, geb. 1891) und Leopold Wolf (geb. 1891) aus Wien waren seit Frühsommer 1917 verheiratet. Seit Winter 1918 waren sie Eltern einer kleinen Tochter. Christine Wolf lebte in den letzten Monaten in einem Ausweichquartier in Niederösterreich. Aus der Feldpost des Paares sind gut 200 Schreiben erhalten. Die zwei am spätesten datierten Schreiben wurden im Oktober 1918 verfasst. Darin geht es um Artzbesuche der jungen Mutter, die Regelung der Gehaltseinstufung als Soldat sowie auch Strategien einer möglichen Versetzung. Der inzwischen als „Autooffizier“ im Rang eines Oberleutnants bei der Artillerie eingestufte Leopold Wolf deutet darin mehrfach an, ein baldiges Ende der Kriegshandlungen zu erwarten.

15.10. 18.
Liebstes Weibi!
Du wirst Dich natürlich in erster Linie wundern auf wie feinem Briefpapier ich Dir schreibe. Das hab ich gelegentlich der Ausgrabungen in meinem Schreibtisch entdeckt. Nichtsdestotrotz wäre ich schon froh zu wissen wie’s Dir geht. Ich hätte Dir schon in Wien sagen können, Du möchtest statt wegen Deiner Plombe nach Horn, gleich nach Wien fahren, damit Du auch zum Prof. S. gehen kannst. Denn ich denke mir, es wird halt doch besser sein, Du wartest erst nicht lang und läßt Dir ins Augerl schauen, was denn da los ist.
Wozu zuwarten? Die Kleine, die ja hoffentlich wohlbehalten Deine Abwesenheit überstanden hat, wird auch diesmal schön brav sein. Also fahre gleich nach Wien, es wird vielleicht nur auf Augentropfen oder derlei ankommen, bevor vielleicht eine Entzündung oder sonst was Unangenehmes heraus kommt. Ja?
Hier hat mein Vertreter, ein Aspirant, sehr brav gearbeitet, so daß ich schon länger ausbleiben konnte, als ich anfänglich beabsichtigt. In den letzten Tagen hat’s allerdings greulich geregnet, so wie es heute noch fortgeht. In Trient hatten wir zum Nachtmahl – K 2.40! – Hendl mit sehr fetten Makkaroni nach einer Vorspeise – ein Stück Hering. Um 11h nachts, also mit großer Verspätung, war ich hier.
Ich habe – wie die Verhältnisse jetzt liegen – nicht mehr viel zu tun hier, vielleicht gar nichts mehr, was sich morgen oder übermorgen entscheiden wird. Also kann ich beruhigt ins Spital gehen und mein sonst notwendig gewordener Vertreter dorthin, wo der Pfeffer gedeiht.
Nach allem, was ich hier höre und sehe, steht schon alles am Sprung nach rückwärts, man erwartet den Eintritt der unausbleiblichen Veränderungen früher, als man vernünftiger Weise annehmen kann. Jedenfalls bin ich aber immer noch früher dran abzufahren.
Nun kommt eine sehr erfreuliche Mitteilung: Mit dem Ausrüstungsbeitrag {von 150.- K} bin ich, wie ich Dir schon sagte, diesmal wieder durchgefallen, weil ich 2 Monate in Wien im Stand geführt wurde. Dafür aber ist eine Anordnung herausgekommen, wonach ein Oberleutnant, (ledig) 280.- K zu erhalten hat, wenn ihm diese obigen K 150.- nicht ausbezahlt wurden. Ich bin aber nicht ledig, ergo findet das auf mich keine Anwendung. Ein verheirateter Oberleutnant, ohne Kinder erhält K. 320.-, nachdem ich aber Kinder, – halt! nur ein Kind – habe, so findet auch das auf mich keine Anwendung, sondern jener Fall, nach welchem ein Oblt., verheiratet, mit Kind – 380.- K bekommt, welche gleich auszuzahlen sind. Also sind damit die Auslagen, welche ich am Sonntag dem Vater zurückgab (318.- K) reichlich gedeckt und auf die restlichen Gelder kannst Du heut schon sündigen.
Heut nachmittag war ich schon in der Offizierssortenverkaufsstelle. Doch kriegt man noch nichts Vernünftiges. Einen Sweater, Halbsohlenleder hätte ich kaufen können, doch fehlte mir irgend ein Wisch [umgangssprachlich für Formular], den ich mir erst beschaffen muß. (Morgen). Es soll übrigens auch Wäsche, oder gar Wäschestoff hier sein, doch wird das Zeugs zuerst für die Frontkanaillen ausgegeben, wir Etappenschweine kriegen was übrig bleibt.
In einem der beiden Briefe, die ich hier vorfand, schreibst Du mir von den Schmerzen der Alma von E. Ich hab doch schon mit der Urschel [österreichisches Schimpfwort für „dumme Frau“] gesprochen darüber, hab auch Dir gesagt, daß es ein Blödsinn ist, einen Chauffeuer von der Autotruppe durch einen Artilleriechauffeuer austauschen zu wollen und werde nun der Alma einen saugroben Brief schreiben. Im übrigen erledigt sich diese ganze Frage durch die Ereignisse, die eine nur mehr kurze kriegerische Zukunft voraus sehen lassen, so daß die Protektion des Hausmeistersohnes ohne weiteres entfallen kann. Dem Z. kann man aber auch anderseits keinen größeren Gefallen tun als ihn dort zu belassen wo es ihn freut und wo er Hoffnung hat, eher abzumüssen als sonstwo. Ende!
Glücklicherweise hab ich mich diesmal mit reichlichen Feldpostkarten versehen, so daß ich nicht in die Lage komme, bei dem mir nun bevorstehenden Anstandsschreiben an Mama, sie mit einem ganzen Brief belästigen zu müssen. Klein geschrieben, geht auch auf eine Feldpostkarte eine ganze Menge von Herzensausbrüchen drauf.
Übermorgen (Donnerstag) telefoniere ich dem H. [vermutlich ein Vorgesetzter] und kann ihm vielleicht schon von der wahrscheinlich morgen fallenden Entscheidung sagen, dann aber verkomme ich sofort.
Bitte schreib aber jedenfalls noch immer hierher, ich werde mir die Post schon nachkommen lassen. Beim Schreiben aber die Augen nicht anstrengen, also bei Tageslicht und nicht bei der Abendfunzen [umgangssprachlich für „schlechte Beleuchtung“] schreiben.
Tausend innigste Küsse Euch beiden
Dein Poldi.

22.10.18.
Liebste Christl!
Leider bin ich momentan mit dem Datum nicht ganz im Klaren. Ich weiß nur, daß heut Montag ist und daß ich morgen von hier abziehen möchte. Ich versuchte heute mit Wiener Anschluß zu bekommen und erhielt während dem Gegenruf vom A. K. und wurde mir mitgeteilt daß soeben der Hauptmann H. dort angerufen habe und mir ausrichten läßt ich solle morgen ihn vormittag […] […] also bin ich natürlich […] […] gespannt, was es da […] […] geben wird. Etwas besonderes ist es jedenfalls, denn sonst würde H. mich nicht eigens verlangen.
Viele herzlichste Grüße und Küsse Euch beiden
Euer Poldi.

Sammlung Frauennachlässe NL 14 I
Kein weiterer Eintrag aus der Korrespondenz von Christine und Leopold Wolf
Voriger Eintrag aus der Korrespondenz von Christine Lang und Leopold Wolf am 19. April 2018

Die Verwendung der Namen der Schreiber/innen und ihrer Familien folgt den vertraglichen Vereinbarungen der Sammlung Frauennachlässe mit den Übergeber/innen. In den Dokumenten genannte Namen dritter Personen werden aus Datenschutzgründen anonymisiert.

  • Zur Feldpostkorrespondenz von Christine Lang und Leopold Wolf siehe auch: Christa Hämmerle: Schau, daß Du fort kommst! Feldpostbriefe eines Ehepaares. In: Christa Hämmerle: Heimat/Front. Geschlechtergeschichte/n des Ersten Weltkriegs in Österreich-Ungarn, Wien/Köln/Weimar, S 55-83.
  • Zum Kriegsfotoalbum von Leopold Wolf siehe https://ww1.habsburger.net/de.

Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 137, Korrespondenz von Christine Lang und Leopold Wolf, Datum, SFN NL 14 I, unter: URL