Vortrag: Michaela HOHKAMP – Gemordete Söhne, lebende Schwestern: Herrschaft und Verwandtschaft in historiographischen Texten (spätes Mittelalter bis zum Ende des 18. Jhd.), 16.06.2010, Wien

Ein Beitrag zur Geschichte europäischer Geschichtsschreibung aus geschlechtergeschichtlicher Perspektive; Veranstaltungsreihe GESCHICHTE AM MITTWOCH – in Kooperation mit dem IEFN
Ort: Universität Wien – Institut für Geschichte, HS 45
Zeit: Mittwoch, 16.Juni 2010, 18.00 c.t. – 20.00 Uhr
Im Feld der aktuellen Forschung über Familien und Verwandtschaften der europäischen Frühneuzeit wird in der Regel von zwei strukturellen Veränderungen in der Konfiguration von Verwandtschaft ausgegangen: Die eine Transformation wird zwischen dem Mittelalter und dem Beginn der Frühneuzeit lokalisiert, die andere in der Mitte des 18. Jh. Für das 15. und 16. Jh. kann (nicht nur) in adeligen Kontexten eine stärkere Betonung familiärer Kohärenz beobachtet werden, die auf Prozesse frühmoderner Staatsbildung bezogen wird. Diese Veränderungen sind verknüpft mit bestimmten Formen der Güter- und Herrschaftsweitergabe, die sich an männlichen, vertikal angeordneten Konzepten von Verwandtschaft und Familie zu orientieren beginnen. Die Forschung konnte eine zunehmende Zahl von endogamen Eheschließungen seit der Mitte des 18. Jh. beobachten. Die diskursiven Seiten dieser Verschiebungen fanden in genealogischen, juristischen und theologischen Texten einen Niederschlag. Im Vortrag soll frühneuzeitliche Historiographie als Teil dieser umfassenden Transformation interpretiert werden; dabei geht es darum, die historiographische Produktion der Frühen Neuzeit zwischen dem 15. und 18. Jh. aus geschlechterspezifischer Perspektive vorzustellen und Veränderungen hinsichtlich verwandtschaftlicher Repräsentationen herauszuarbeiten.
Zur Person: Michaela Hohkamp ist Professorin an der FU Berlin (Frühe Neuzeit, Historische Anthropologie, Geschlechtergeschichte). Sie war u. a. Forschungsassistentin am Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen und Visiting Fellow am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Lokal- und Regionalgeschichte der Frühneuzeit, europäische Adelsgesellschaften zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert, Geschlecht, Herrschaft und Gewalt in der Frühen Neuzeit, frühneuzeitliche Geschichtsschreibung. – Ausgewählte Publikationen: Do Sisters have Brothers? Or the Search for the ‘rechte Schwester.’ Brothers and Sisters in Aristocratic Society at the Turn of the Sixteenth Century, in: Ch. H. Johnson/D. W. Sabean (Hg.), Sibling Relations and the Transformations of European Kinship (2010); Sicherheit oder Drohgebärde? Überlegungen zum Ausnahmezustand frühneuzeitlicher Herrschaft am Beispiel der [vorderösterreichischen] Obervogtei und Kameralherrschaft Triberg im ausgehenden 18. Jahrhundert, in: A. Lüdtke/M. Wildt (Hg.), Staats-Gewalt: Ausnahmezustand und Sicherheitsregimes. Historische Perspektiven (2008).
Moderation: Andrea Griesebner
aus: gam@lists.univie.ac.at

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