CfP: Bezüge des „Selbst“. Selbstreferentielle Prozesse in philosophischen Perspektiven. 28./29.03.08, Potsdam

Internationale Tagung

Ort: Institut für Philosophie der Universität Potsdam
Zeit: 28.–29. März 2008
Einreichfrist: 16. Oktober 2007
Organisation: Stefan Büttner-von Stülpnagel, Burkhard Nonnenmacher

Die globale Gesellschaft und ihre Subsysteme Wirtschaft und Wissenschaft, Religion und Recht operieren als selbstreferentielle Systeme. Jedes System hat dabei seine eigene Operativität und Logik. Das verleiht der Weltgesellschaft ihre Dynamik und den Individuen ihre Vielfältigkeit – mit allen Schwierigkeiten und Problemen, die damit verbunden sind. So fühlen sich die in diesen Prozessen agierenden Individuen häufig überfordert von der Komplexität der Prozesse: Sie fühlen sich von der globalen Wirtschaft überrollt, von der Inklusion aller Menschen in menschenrechtliche und sozialstaatliche Systeme überfordert und von medialen Reizen überflutet.

Die komplexitätssteigernde Dynamik dieser Prozesse hat ihren bleibenden Ursprung in selbstreferentiellen Strukturen. Es sind Bezüge und Beziehungen des „Selbst“, die sich hier entfalten.
Allerdings sind diese Selbstbezüge noch immer zu wenig begriffen. Plakativ gesagt: Wir leben in Verhältnissen, die wir permanent missverstehen, weil wir sie mit unangemessenen, d. h. unterkomplexen Theorien deuten, obwohl systemtheoretische und systemphilosophische Instrumentarien in den Theorien des Soziologen Niklas Luhmann und des Philosophen G.W. F. Hegel zur Verfügung stehen.

Ziel und Aufgabe der Tagung ist es, diese Bezüge des Selbst und seine Folgen in philosophischen Perspektiven zu bedenken. Dabei werden mögliche Aporien und Paradoxien ebenso Gegenstand der Untersuchung sein wie die Ausdifferenzierungen der Unterscheidung von Selbstreferenz und Fremdreferenz in den verschiedenen gesellschaftlichen Systemen wie Wirtschaft oder Wissenschaft, Religion oder Recht. Generell hat die Tagung das Anliegen, die Aktualität des Themas „Selbstreferentialität“ dadurch aufzuweisen, dass Bereiche unserer Lebenswelt gerade und nur darüber begreifbar werden, dass sie als Formen der Selbstreferentialität und d. h. als Bezüge des Selbst beschrieben werden.

Und in der Tat stellt die Philosophiegeschichte hierzu reichlich, weit über die genannten Autoren Luhmann und Hegel hinaus, Mittel und Instrumente bereit: Selbstreferentialität als Bezugnahme, die selbst zu dem gehört, auf was Bezug genommen wird, begegnet uns in philosophischen Entwürfen seit Platon und bis in die Gegenwart hinein als fester Topos. Es handelt sich um die in der Natur der Sache liegende Problematik von auf Vollständigkeit und Voraussetzungslosigkeit abzielenden Erklärungsmodellen.
In besonderem Maße konkretisiert sich dies bei Erklärungsmodellen, die mit dem Problem organischer Kausalität im Bereich der Naturphilosophie oder mit dem Problem gesellschaftlicher Einheit im Bereich der Geist-, Rechts- und Staatsphilosophie befasst sind.

Zentraler Konkretionspunkt von Selbstreferentialität ist jedoch der bereits bei Aristoteles formulierte und etwa von Plotin weiter ventilierte Gedanke des sich selbst denkenden Denkens samt der hierbei virulenten Frage nach der Einheit von denkendem und gedachtem Denken. Descartes ist es, der mit dieser Einheit dergestalt ernst macht, daß an der res cogitans gerade die für sich selbst seiende Wirklichkeit der Selbstreferentialität des Zweifelns als das primär als wahr und existent Gesicherte gelten kann.

Der Aufgang der Neuzeit steht damit im Zeichen der Selbstreferenz. Es läßt sich sogar sagen, in Verteidigung oder Abwehr selbstreferentieller Operationen formieren sich in der Moderne die philosophischen Systeme und die damit implizierten Weltbilder. Vor diesem Hintergrund – i.e. durch Referenz auf Autoren wie Aristoteles, Plotin, Descartes, Spinoza, Leibniz, Kant, Fichte, Hegel, Cassirer, Cramer, Luhmann u. a. – soll die Struktur und Operativität der Selbstreferentialität, auf der Tagung intensiv und kontrovers diskutiert und analysiert werden.

Dabei verfolgt die Tagung neben ihrer systematisch-aktuellen Fragestellung auch zwei philosophiehistorische Interessen, nämlich 1. das – nach dem Verschwinden von Autoren wie Ernst Cassirer, Wolfgang Cramer und Heinrich Rombach mehr und mehr aus dem Blick geratene und zur Parallelveranstaltung gewordene – enge Verhältnis der Philosophie des 17. Jahrhunderts und der klassischen deutschen Philosophie gerade vor dem Hintergrund der Selbstreferentialitäts-Thematik wieder stärker in den Fokus philosophischer Forschung zu rücken; – sowie 2. aus der Philosophie des 20. Jahrhunderts stammende kohärentistisch und holistisch orientierte Wahrheits- und Bedeutungstheorien daraufhin zu befragen, welche Anknüpfungspunkte sich in ihnen zu metaphysisch, transzendentalphilosophisch oder dialektisch-spekulativ orientierten Selbstreferentialitäts- Konzepten finden lassen und welche aus der Tradition der Analytischen
Philosophie stammenden Kritikpunkte hier zugleich zu bedenken sind.

Die Tagungsbeiträge sollen das Thema „Selbstreferentialität“ in dieser historisch-systematischen Orientierung aufgreifen und den Versuch unternehmen, von seiner Behandlung durch klassische Autoren und in klassischen Positionen der Philosophiegeschichte ausgehend, seine Relevanz und Aktualität im beschriebenen Sinn als elementare Struktur unserer Lebenswirklichkeit zu diskutieren.

Geplant ist ein Antrag zur Finanzierung des Tagungsprojekts bei einer Stiftung. Hierfür ist es wichtig, daß wir von allen Interessenten folgende Angaben erhalten:

• ein Abstract mit einem Umfang von ca. 500 Wörtern
• ein kurzer Lebenslauf, der über Stellung und universitären Werdegang Auskunft gibt
• ein Verzeichnis der für das Projekt besonders relevanten Publikationen

Alle Angaben erbitten wir bis spätestens 16. Oktober 2007 an: burkhard.nonnenmacher[at]gmx.de

Wir müssen uns vorbehalten, die Beiträge nach ihrer Relevanz für das Thema auszusuchen. Eine Einladung kann erst erfolgen, wenn die Zusage eines Geldgebers vorliegt.

Kontaktadressen

PD Dr. Stefan Büttner-von Stülpnagel
Institut für Philosophie der Universität Potsdam
Am Neuen Palais 10, 14469 Potsdam
privat:
An der Stammbahn 13
14532 Kleinmachnow
stefan.buettner[at]gmx.com

Dr. des. Burkhard Nonnenmacher
Ludwig-Maximilians-Universität München
privat:
Schmellerstrasse 28
80337 München
burkhard.nonnenmacher[at]gmx.de

Für den Postweg bitten wir, die angegebenen Privatadressen zu benützen.

URL des CfP: http://www.denkinform.online.de/Call_for_Papers_Bezuege_des_Selbst.pdf

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